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Improvac: Bremsen die Schlachter?

Für viele Bauern könnte die Immunokastration eine echte Alternative werden. Doch bislang zögern die Schlachter bei der Annahme von geimpften Ebern.

Lesezeit: 5 Minuten

In zehn Monaten ist die betäubungslose Kastration von Ferkeln endgültig verboten. Eine erneute Verlängerung schließen Experten genauso aus wie die baldige Zulassung der Lokalanästhesie.

Wer seine Ferkel weiterhin kastrieren möchte, muss mit teuren Betäubungsgeräten (Isofluran) arbeiten oder den Tierarzt einbinden. Das ist v.a. für kleine und mittlere Betriebe kaum zu stemmen. Viele Sauenhalter werden deshalb ab 2021 Eberferkel anbieten oder das Handtuch werfen.

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Eberfleisch ist aber nur begrenzt vermarktbar. Das zeigen die seit Jahren stagnierenden Schlachtzahlen von rund 4 Mio. Die Branche steht vor einem Strukturbruch. Marktteilnehmer sehen in der Immunokastration mittels Improvac einen Ausweg.

Impfung noch im Pilotstatus

Noch werden nur wenige Mastschweine in Deutschland mit Improvac geimpft. Doch fast täglich kommen neue Mäster hinzu, die auf den Zug aufspringen. Grund für das steigende Interesse ist nicht nur der Zeitdruck, sondern auch das 100000-Eberprojekt, das vier Landesbauernverbände im Herbst 2019 gestartet haben.

Teilnehmende Mäster bekommen darin einen Zuschuss von einem Euro pro geimpftem Eber von dem Impfstoffhersteller Zoetis. Namhafte deutsche Schlachtunternehmen unterstützen das Projekt und kaufen die Tiere: Westfleisch, Tummel, Manten, Tönnies und Vion. Beteiligte schätzen, dass die 100000 Eber bis Ende August geschlachtet sind.

Trotz der dynamischen Entwicklung ist das Ganze bisher aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn bundesweit werden jährlich mehr als 20 Mio. männliche Ferkel geboren. Außerdem ist bisher völlig offen, zu welchen Konditionen die Schlachter die Tiere nach Projektende abnehmen.

Warum nicht schneller?

Insbesondere die großen Schlachtunternehmen halten die „Improvac-Mengen“ niedrig. „Immunokastrierte Eber schlachten wir derzeit testweise an zwei Standorten im Norden und Süden“, erklärt Dr. Stephan Kruse von Vion Deutschland.

Auch Westfleisch und Tönnies betonen, dass sie in zeitlich oder mengenmäßig begrenzten Projekten Erfahrungen sammeln wollen. Die Schlachter fürchten vor allem die zusätzlichen Kosten. „Derzeit müssen wir jeden Improvac-Eber separieren“, stellt Heribert Qualbrink von Westfleisch klar. Dieser Aufwand werde im Verkauf bisher nicht honoriert.

An der Trennung der Warenströme führt kein Weg vorbei, meint auch Stephan Kruse. „Wir müssen trennen, um die unterschiedlichen Kundenanforderungen zu erfüllen“, erklärt er. Und auch bei der Firma Tönnies ist man vorsichtig. „Bei Improvac-Tieren können Geruchsauffälligkeiten auftreten, daher müssen wir die Schlachtkörper detektieren und sortieren“, erklärt Dr. Andre Vielstädte von Tönnies.

Bei Tummel sieht man das allerdings anders. „Am Schlachtband ist kein Unterschied zwischen Kastraten und Improvac-Schweinen zu erkennen“, betont Reinhard Daldrup (vgl. top agrar 2/20 S20). Er verantwortet bei Tummel den Einkauf und ist gelernter Fleischer. Es sei deshalb überhaupt nicht erforderlich, die Tiere zu selektieren.

Der Süden Deutschlands hat derweil ganz andere Probleme. „Wir würden gerne mehr Eber annehmen“, sagt Stephan Lange vom Süddeutschen Schweinezentrum Ulm. Er sei für alle Wege offen, spüre bei süddeutschen Schweinehaltern aber eine grundsätzliche Zu-rückhaltung gegen Eber – egal ob Improvac-Eber oder normale Jungeber.

Streitpunkt Fleischqualität?

Abgesehen von Tummel sind sich die Schlachtunternehmen auch bei der Bewertung der Fleischqualität uneins. „Es ist noch zu früh für verlässliche Aussagen“, warnt Stephan Kruse von Vion. Auch bei Westfleisch will man zunächst zusammen mit den Fleischabnehmern untersuchen (LEH, Verarbeiter etc.), wie sich die Tiere verwerten lassen. „Wir brauchen ohnehin eine Lösung in der Kette“, stellt Qualbrink klar.

Für ihn ist Fleisch von Improvac-Tieren nur eine echte Alternative, wenn es uneingeschränkt zu vermarkten ist. Davon sei man noch weit entfernt, weil es noch Vorbehalte bei Abnehmern gebe. „Weltweit gesehen bleibt die Kastration der Benchmark. Daran müssen sich alle übrigen Verfahren messen lassen“, sagt er.

Für Ferkelerzeuger sei die Isofluran-Narkose die Chance, flexibel auf die Anforderungen der Mäster reagieren zu können. Doch ist das wirklich so? „Mir wurde mitgeteilt, dass nur noch die Philippinen Fleisch von geimpften Ebern komplett verweigern“, hält Dietrich Pritschau von dem Bauernverband Schleswig-Holstein dagegen.

Auch Tönnies und Vion bevorzugen weiterhin Kastrate. Man setze darauf, dass auch in Deutschland künftig Ferkel lokal betäubt werden dürfen. Dafür ernten sie anderswo allerdings nur Kopfschütteln. „Wer jetzt noch ernsthaft auf die Lokalanästhesie als kurzfristige Lösung setzt, streut den Bauern Sand in die Augen“, sagt Nina Blankenhagen, Geschäftsführerin des Erzeugerrings Westfalen. Sie ist davon überzeugt, dass man auf dem deutschen Markt deutlich mehr Improvac-Tiere absetzen kann.

LEH will mehr Improvac

In der Tat zeigt sich der deutsche Lebensmittelhandel (LEH) überwiegend offen. „Lidl Deutschland akzeptiert alle gesetzlich zugelassenen Alternativmethoden“, heißt es in der Zentrale in Neckarsulm. Schon seit 2016 biete man Eberfleisch in den Filialen an.

Auch die Rewe-Gruppe bekennt sich offen zu Improvac. „Wir akzeptieren Fleisch von geimpften Tieren“, sagt die Pressesprecherin Kristina Schütz. Bei Rewe habe man keine Bedenken hinsichtlich der Qualität. Man sehe sich sogar als Einzelkämpfer für geimpfte Tiere. Auch eine Trennung der Warenströme sei nicht nötig.

Insider berichten, dass unter den Handelsketten die Edeka noch die größten Bedenken hat. Allerdings soll sich das je nach Regionalgesellschaft sehr unterschiedlich darstellen. Die Edeka Südwest würde beispielsweise gerne mehr Fleisch von unkastrierten Tieren nehmen, verlangt aber wohl eine Trennung der Warenströme, heißt es.

Wollen die Mäster nicht?

Den Schlachtunternehmen reichen die Bekenntnisse aus dem LEH bislang nicht. Außerdem glauben sie, dass viele Schweinehalter noch nicht so weit sind. Viele Mäster könnten vor dem Mehraufwand zurückschrecken und würden einfach kastrierte Ferkel im Ausland kaufen, befürchtet Andre Vielstädte von Tönnies. Das könne nicht das Ziel sein.

In der Tat weiß die Mehrheit der Betriebe bis heute nicht, was sie 2021 tun wollen. Das größte Interesse an Improvac zeigen Kombibetriebe. „Sie ersetzen das aufwendige Kastrieren durch zwei Impfungen. Das spart Arbeitszeit“, meint Markus Schlüter vom Erzeugerring Münsterland. Die nächste Gruppe, die sich für Improvac interessiere, seien Jungebermäster, die sich vor allem eine bessere Fleischqualität erhoffen.

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