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Insektenzucht Start-up madebymade ist startklar

Das Start-up „madebymade“ stellt aus Insektenlarven Proteinmehl her. Fällt das Verfütterungsverbot an Schweine, könnten die nachhaltig produzierten Larven künftig Teile des Sojaschrotes ersetzen.

Lesezeit: 9 Minuten

Dieser Artikel erschien zuerst in „f3 – farm. food. future.

Insektenburger, Müsliriegel aus Maden oder Pasta aus Mehlwürmern – derzeit wird in der Humanernährung viel über Insekten als alternative Proteinlieferanten gesprochen. Ein für Insektenproteine genauso interessanter Markt ist aber auch die Nutztierfütterung.

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Seit einiger Zeit darf das Insektenmehl nämlich wieder an Fische und Haustiere verfüttert werden. Und bald wahrscheinlich auch an Geflügel und Schweine. Denn Studien der Universität Göttingen zeigen, dass Insektenmehl aus ernährungsphysiologischer Sicht unter bestimmten Voraussetzungen als Futtermittel für Masthähnchen, Ferkel und Mastschweine geeignet ist.

Zuchtanlage für Insekten

Einer der ersten Akteure, der in Deutschland Insekten im großen Stil züchten möchte, ist das Start-up „madebymade“ aus Leipzig. Die Gründer Kai Hempel und Dr. Jonas Finck haben in einer alten Pelletieranlage einer örtlichen Agrargenossenschaft eine Zuchtanlage für eins der in Deutschland bislang als Nutztier zugelassenen Insekten gebaut: die Schwarze Soldatenfliege. Sie legt Eier, aus denen proteinreiche Larven schlüpfen.

Diese werden herangezogen, gemästet und anschließend getrocknet und zu Mehl verarbeitet. „Wir wollen mit unserem innovativen Projekt eine nachhaltige Alternative zu Fisch- und Sojamehl schaffen“, sagt Kai Hempel.

Bislang zählen der Proteingroßhandel und Futtermittelproduzenten für Heim- und Haustiere sowie für Aquakulturen zu seinen Kunden. Wenn es nach madebymade geht, könnten bald auch Unternehmen und Betriebe aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft hinzukommen. Dafür müssten aber entsprechende Produktionskapazitäten gebaut werden. Denn obwohl die Insektenzucht auch hierzulande schon von einigen Akteuren betrieben wird, fehlt noch ein übertragbares Konzept zur Zucht der Tiere im industriellen Maßstab.

Großes Marktpotenzial

Dass sich die Produktion lohnen kann, zeigt sich bei einem Blick auf die Preise. Der Marktwert von Insektenmehl ist innerhalb weniger Jahre von 2.000 € je t auf derzeit 5.000 bis 6.000 € pro t angestiegen. Zum Vergleich: Eine Tonne Weizen liegt derzeit bei rund 160 €. Eine Tonne Sojaschrot bekommt man für 345 €.

Die beiden Jungunternehmer sehen für ihr Produkt großes Marktpotenzial. „Bis 2050 fehlen rund 280 Mio. t Proteine auf der Welt“, sagt Kai Hempel. „Der Markt ist riesig!“ Und je größer der Anteil nachhaltig erzeugter Proteine daran wird, desto größer ist auch der Effekt auf Klima und Umwelt.

Im ersten Schritt haben Kai Hempel und Jonas Finck eine Art Stallbaukonzept für die Schwarze Soldatenfliege entwickelt. Ihre Anlage soll dann später in einem Franchisesystem verkauft werden. Interessierte können sie für einen mittleren einstelligen Millionenbetrag kaufen und betreiben. „Sie rentiert sich nach etwa drei Jahren“, sagt Hempel. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich individuell daran zu beteiligen.

Die gesamte Technik muss in geschlossenen Räumen von mindestens 2500 m² stehen. Und es müssen große Mengen verfütterbare Reststoffe vorhanden sein. Außerdem sollte eine ergiebige Wärmequelle wie etwa eine Biogasanlage oder eine Zellstofffabrik in der Nähe sein.

Die kleinste madebymade-Anlage kann künftig 1,8 t Proteinmehl pro Tag herstellen. Die Anlage läuft 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Ein Mitarbeiter muss tagsüber vor Ort sein, da jeden Tag „geerntet“ wird. „Das Konzept ist standortunabhängig und modular aus alten Schiffscontainern aufgebaut“, erklärt Kai Hempel. „Nach oben kann frei skaliert werden.“

Wichtig ist auch, um die entstehenden Anlagen herum möglichst nachhaltige Kreisläufe aufzubauen. Das betrifft vor allem die Inputstoffe und die Energieversorgung der Anlage. Pro Tag müssen 18 t Input, also Futter für die Maden, angeliefert werden.

Verfüttert werden organische Reststoffe aus dem Handel oder der Industrie, die sonst häufig auf Deponien oder Komposthaufen landen. Küchen- und Speiseabfälle oder gar Gülle zu verfüttern, ist allerdings streng untersagt. „Anfangs dachten wir, genug Input zu finden, könnte ein Problem werden. Aber überall sind so viele Reststoffe vorhanden. Allein hier um Leipzig herum fällt so viel an, dass wir viermal so viel produzieren könnten“, so Hempel.

Vier Prozessschritte

In der Pilotanlage wächst die Schwarze Soldatenfliege in drei verschiedenen Containermodulen mit jeweils eigenen klimatischen Bedingungen. Obwohl die Tiere recht anspruchslos in der Aufzucht sind, liegt die Herausforderung darin, die Prozesse technologisch aufeinander abzustimmen. „Nicht alles, was im Labor funktioniert, klappt auch im Industriemaßstab“, sagt Kai Hempel. „Im Labor lässt sich die Temperatur z.B. auf die Nachkommastelle genau regeln. Die Industrieanlage können wir gerade einmal auf 1 bis 3°C genau einstellen.“

Alles startet mit der Fliegenzucht. Die Tiere leben hier zehn bis 14 Tage lang bei 30°C Temperatur. Dann legt jede weibliche Fliege einmalig ein Gelege aus rund 400 bis 800 Eiern. Danach stirbt sie.

Kai Hempel erklärt: „Die männlichen und weiblichen Fliegen werden zusammen gehalten. Sie haben ein Paarungs- und Balzverhalten, zeigen Territorialverhalten und stellen Ansprüche an die Umgebung. Erst wenn das alles funktioniert, paaren sie sich!“ madebymade nutzt bislang eine Wildpopulation der Fliege. „Die eigentliche Zucht wird aber langsam interessanter“, so Hempel. „Wir versuchen, dass die Larven schneller wachsen, sich in andere Proteinbereiche weiterentwickeln oder die Fliegen mehr Eier legen.“

Danach geht es für die gelegten Eier in die Aufzuchtstation. Hier schlüpfen die neuen Larven nach fünf Tagen. Innerhalb der Aufzucht bleiben die Larven in einer Art Ordnungssystem aus Kisten. Jeden Tag schlüpfen neue Larven. Sie bleiben unter sich, unterscheiden sich kaum in ihrer Größe und müssen nicht sortiert werden.

Nach den fünf Tagen kommen die Larven dann in die Mast. Hier werden die Jungtiere aus der Aufzucht in große, sogenannte Mastpfannen umgestallt bzw. gesetzt. Diese sind mit einem Futtersubstrat gefüllt. Nach 12 bis 14 Tagen haben sie das matschige Substrat komplett zu einem trockenen, fast geruchlosen Pulver zersetzt und sind zu stattlichen Maden herangewachsen. Während der Mast durchlaufen die Tiere verschiedene Temperaturstadien und müssen mal gekühlt und mal gewärmt werden.

Sind die Tiere erntereif, wird der Inhalt der Mastschalen in ein Sieb gekippt, um die Maden und die pulvrigen Ausscheidungen voneinander zu trennen. 5% einer Tagesproduktion Maden gelangen wieder in die Reproduktion, wo sie sich nach weiteren 14 Tagen zur Fliege entwickelt haben. Der Rest geht in die Verarbeitung.

In der Verarbeitung werden die Maden getrocknet und entfettet. Das Endprodukt ist ein Pulver mit 45 bis 55% Proteingehalt und einem Restfettgehalt von maximal 8%. „Als Nebenprodukte vertreiben wir getrocknete Larven, extrahierte Fette, lebende Larven und die Ausscheidungen der Maden als Bodenverbesserer“, beschreibt Kai Hempel die Situation.

Vorsprung dank Know-how

Was sich zunächst einfach anhört, ist kompliziert. Und wer denkt, er könne selbst eine Anlage aufbauen, der täuscht sich. Davon jedenfalls sind die Gründer überzeugt. „Selbst wenn jetzt jemand mit ganz viel Geld käme, kann er so schnell nicht aufholen, was wir bereits an Erfahrungen gesammelt haben“, sagt Kai Hempel.

Wie muss die Eiablage beschaffen sein, damit die Muttertiere sie annehmen, aber sie sich dennoch ins Gesamtsystem der Anlage einfügen lässt? Wie schafft man es, dass die Larven nicht aus den Mastpfannen klettern? Wie gelangt die Nachzucht in die Reproduktion? Welche Anzahl Tiere wächst bei welcher Temperatur und auf welchem Inputstoff am besten? „Alles Fragen, die man erst klären kann, wenn man mit dem System arbeitet“, betont Kai Hempel. „Dafür muss man viele Erfahrungen sammeln.“

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Rechtliche Situation: Verfütterungsverbot wird überprüft

Die Verfütterung tierischer Proteine von Landtieren an Nutztiere ist seit dem Jahr 2001 verboten. Auslöser war die BSE-Krise, die im Jahr 1986 im Vereinigten Königreich ihren Beginn hatte. Das Verbot soll aber weiter schrittweise gelockert werden. Seit Juni 2013 ist der Einsatz von genusstauglichen tierischen Proteinen (Kategorie 3) von Nichtwiederkäuern zumindest im Bereich der Aquakultur unter strengen technischen Vorgaben bereits wieder erlaubt.

Seit dem Jahr 2017 erlaubt die Europäische Kommission außerdem den Einsatz von verarbeitetem tierischen Protein aus Insekten in Futtermitteln für Tiere in Aquakultur.

Das momentan bestehende Verfütterungsverbot an Schweine und Geflügel wird zurzeit auf EU-Ebene überprüft. Nach Angaben des Deutschen Verbandes für Tiernahrung (DVT) hat die EU-Kommission ihre Pläne für die Verarbeitung von tierischem Protein vom Schwein konkretisiert und arbeitet daran, dass es für Geflügelfutter wieder erlaubt wird. Die Wiedereinführung tierischer Proteine hält der DVT für machbar, wenn eine positive wissenschaftliche Sicherheitsbewertung vorliegt.

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I N T E R V I E W

Insektenprotein: Aminosäuren-Ausgleich notwendig

Frau Dr. Rothstein, Sie haben über Insekten als Proteinlieferant promoviert. Wieso sind Insekten als alternative Proteinlieferanten interessant?

Rothstein: Die Reproduktionsgeschwindigkeit von Insekten ist sehr hoch und die Substratverwertung liegt bei einem sehr geringen Flächenbedarf auf hohem Niveau.

Welche Nahrungsquellen eignen sich für die Versorgung der Insekten?

Rothstein: Als Nahrungsquelle sind diverse organische Materialien denkbar, wobei natürlich die futtermittelrechtlichen Vorgaben eingehalten werden müssen. Die Futterverwertung der Soldatenfliegenlarven ist hoch. Sie setzen bis zu 50% des Futters in neue Körpermasse um.

Welche ernährungsphysiologischen Eigenschaften bringt das Mehl der Larven der Schwarzen Soldatenfliege mit?

Rothstein: Die Larven weisen einen Rohproteingehalt von ca. 44% in der Trockenmasse auf, wobei dieser je nach Entwicklungsstand, Futtersubstrat und Grad der Entfettung deutlich schwankt.

Der Fettgehalt der Larven variiert je nach Größe und Entwicklungsstadium. Er kann mit fortlaufendem Alter von 13 bis auf 40% ansteigen. Am stärksten repräsentiert sind die gesättigten Fettsäuren. In der Larve weist die Laurinsäure mit ca. 42% der gesamten Fettsäuren einen überproportional hohen Anteil auf. Die Fettsäurezusammensetzung der Larve kann durch das Futtersubstrat beeinflusst werden.

In der Schweinefütterung kommt es besonders auf die Aminosäurengehalte und das Aminosäuremuster an. Ist das Insektenprotein für Schweine geeignet?

Rothstein: Insektenproteine weisen durchaus ähnliche Aminosäuregehalte (AS) auf wie Sojaprotein. Allerdings muss man die schwefelhaltige AS Cystein ausklammern. Auch beim Lysin, Arginin und Leucin sind Defizite im Gehalt im Vergleich zum Sojaschrot zu verzeichnen. Andere AS sind dafür im Insektenmehl mehr enthalten als im Sojaschrot. Ein Einsatz des Insektenmehls kommt also nur bei entsprechendem AS-Ausgleich infrage.

In Versuchen haben wir auch überprüft, inwieweit das Aminosäurenverhältnis zum Bedarf der Ferkel und Mastschweine passt. Dabei ist deutlich geworden, dass das Insektenmehl die Ansprüche der Ferkel und Schweine bereits gut erfüllt. Hauptsächlich muss hier die Limitierung durch die schwefelhaltigen Aminosäuren beachtet werden.

Sind durch den Einsatz von Insektenprotein sinkende Zunahmen zu befürchten?

Rothstein: In den Fütterungsversuchen mit Ferkeln und Mastschweinen, bei denen wir das Sojaschrot – jeweils unterschiedlich gestaffelt – gegen Insektenmehl ausgetauscht haben, kamen wir zu folgendem Ergebnis: Bei Einhaltung optimaler AS-Relationen durch AS-Zulagen in den Mischungen zeigten sich keinerlei Unterschiede im Lebendgewicht und beim Futteraufwand.

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