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ITW-Schweine: Haben LEH und Schlachter die Bauern gelinkt?

Am Schweinemarkt gibt es aktuell zu viele Tierwohl-Tiere und Schlachthöfe zahlen zum Teil keinen Bonus. Das sorgt für Unsicherheit. Wir haben bei der Initiative Tierwohl nachgefragt.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Bauern haben in den letzten Monaten bewiesen, dass sie zu mehr Tierwohl bereit sind. Die Anmeldezahlen für die dritte Runde der ITW sind jedenfalls überwältigend. Doch jetzt kommt Frust auf. Der Grund: Viele Bauern erhalten nicht den versprochenen Bonus in Höhe von 5,28 € pro Schwein. Wie kann das sein? top agrar hat bei Robert Römer, Geschäftsführer der ITW, nachgehakt.

Herr Römer, seit dem 1. Juli sollen die Schlachtbetriebe den ITW-Bonus an die Bauern auszahlen. Offenbar zahlen aktuell aber einzelne Schlachtbetriebe den Bonus nur für die vertraglich zugesicherten ITW-Schweine. Der Markt brauche derzeit nicht mehr ITW-Fleisch, heißt es. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

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Robert Römer: Das ist unterschiedlich. Wir wissen von manchen Schlachtbetrieben, dass sie noch Mastschweine suchen. Bei anderen ist offensichtlich derzeit kein weiterer Bedarf. Der Start in eine Marktlösung wird immer begleitet von der Suche nach der Balance zwischen Angebot und Nachfrage. Was uns sehr erfreut und positiv stimmt für die weiteren Herausforderungen, ist die große Bereitschaft der Landwirte, die ITW-Anforderungen umzusetzen. Wir werden mit den Wirtschaftsbeteiligten in der Kette die Optionen besprechen und prüfen, welche Schritte für eine steigende Nachfrage nach ITW-Schweinen sinnvoll sind. Hilfreich könnte z.B. eine steigende Nachfrage nach verarbeiteten Produkten mit ITW-Kennzeichnung sein.

Es heißt, die ITW habe die Schlachtbetriebe von der Zahlungspflicht des ITW-Bonus befreit. Stimmt das?

Römer: Wir haben nichts verändert. Die Schlachtbetriebe – sofern sie die Tiere als ITW-Tiere ankaufen – sind verpflichtet, die 5,28 € (netto) auf der Abrechnung separat auszuweisen und den Bonus zu zahlen.

Es soll Nebenverträge zu der Branchenvereinbarung zwischen der ITW und den Schlachtern geben. Darin soll stehen, dass die Schlachtunternehmen bis zwei Tage vor der Lieferung ITW-Schweine stornieren können. Gibt es wirklich solche Regelungen?

Römer: Dass Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zur Lieferung von ITW-Schweinen getroffen werden, ist richtig und sinnvoll. Nur so haben der Mäster und der Schlachtbetrieb eine ausreichende Planungssicherheit. Über die Details und derartige Regelungen sind wir als ITW aber nicht informiert, das geschieht bilateral.

Kann sich die Initiative Tierwohl da wirklich raushalten? Wer kontrolliert denn, ob die ITW-Schweine gebraucht werden oder nicht? Wird das Fleisch der „unbezahlten“ ITW-Tiere dann später vom LEH doch noch als ITW-Ware verkauft?

Römer: Die Beteiligten sollten im Sinne einer langfristigen Partnerschaft auf faire und verlässliche Regelungen achten. Der Bedarf an ITW-Schweinen ergibt sich durch die Nachfrage im Markt. Wir haben über die ITW-Verträge vereinbart, dass alle Beteiligten in der Kette zum einen die Menge an eingekauftem ITW-Fleisch und zum anderen die Menge an verkauftem ITW-Fleisch regelmäßig melden müssen. Darüber haben wir die Möglichkeit zu plausibilisieren, ob die Menge an Tieren mit den Verkaufsmengen korreliert.

Glauben Sie, dass bei diesen unsicheren Aussichten noch viele Betriebe in die ITW-Haltung investieren?

Römer: Dafür sind Vereinbarungen wichtig: Sie geben gerade den Landwirten die Planungssicherheit, dass der Mehraufwand, der mit der Umsetzung der ITW-Anforderungen einhergeht, zum Schluss bezahlt wird. Die Schlachtbetriebe ihrerseits brauchen ebenfalls klare Signale von ihren Kunden, welche Mengen wann benötigt werden. Der Start in das Marktmodell ist zum 1. Juli erfolgt. Nun geht es darum, die Bereitschaft und den Willen zur Umsetzung von mehr Tierwohl in der Breite mitzunehmen und für einen langfristigen Erfolg zu sorgen.

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K O M M E N T A R

Fehlstart für das ITW-Marktmodell!

Haben sich der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und die Schlachter beim Marktmodell der ITW ein Hintertürchen eingebaut, um der Verpflichtung aus dem Weg zu gehen, alle von den Bauern angebotenen ITW-Schweine abzunehmen und zu bezahlen? Ja, lautet die Antwort! Denn wenn man die Antworten der ITW auf die Fragen von top agrar genau liest, wird sofort klar, dass die Schlachter anscheinend nur dazu verpflichtet sind, die ausdrücklich als ITW-Tiere angekauften Schweine zu bezahlen. Das heißt: Wer als ITW-Landwirt keinen Abnahmevertrag mit dem Schlachthof besitzt, bleibt derzeit auf seinen Schweinen sitzen bzw. erhält dafür keine 5,28 € Bonus.

Das ist bitter! Denn bislang war nie die Rede davon, dass ITW-Landwirte mit ihrem Schlachter ein Vertragsverhältnis brauchen, um die 5,28 € zu bekommen. Die klare Aussage war immer: Jedes Schwein, dass unter ITW-Bedingungen produziert wird, erhält den Bonus. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass die Schlachter über den Tierwohl-Weg versuchen, die Vertragsmast durchzudrücken. Und wer bei so einem Modell die Spielregeln bestimmt, dürfte wohl jedem klar sein.

Dabei haben doch gerade der LEH und die Schlachter in den letzten Monaten regelrecht für die Teilnahme an der ITW getrommelt. Viele Bauern haben daraufhin investiert, weil alle Marktteilnehmer sicher waren, wir brauchen noch viel mehr Tiere, um die Nachfrage im Lebensmittelhandel zu decken. Die Rede war auch oft von noch höheren Zuschlägen als die versprochenen 5,28 € pro Tier, weil Tierwohlfleisch knapp sein sollte. Das Gegenteil ist jetzt der Fall, und keiner trägt die Verantwortung. Die Initiative Tierwohl betont, dass sei Sache des Marktes.

Doch der Markt hat bekanntlich seine eigenen Gesetze. So stellt der LEH offenbar nur zögerlich auf Haltungsform 2 um und deckt sich womöglich auch noch im Ausland mit günstiger Ware ein. Dem Vernehmen nach soll auch die Umstellung der Verarbeitungsware vor allem daran scheitern, dass die Handelsketten erst ab Herbst dafür mehr zahlen wollen. Im Falle von Aldi ist das besonders zynisch, denn der Discounter hat erst letzte Woche den „Haltungswechsel“ für Deutschland großspurig angekündigt.

Am Ende ist es wie so oft: Die Bauern verkommen zu Statisten, denen gesagt wird, wie es zu laufen hat. Das erzeugt allerorts Frust pur. Wenn LEH und Schlachter nicht schleunigst umsteuern, zu ihren Zusagen stehen und im Verkauf auf Tierwohl-Fleisch umstellen, müssen sie sich nicht wundern, wenn bald wieder Protestaktionen starten oder Betriebe vom ITW-Zug abspringen. Spätestens dann dürfte auch die ITW aufwachen, denn mit diesen Wildwest-Methoden gelingt kein Haltungswechsel.

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Beringmeier: „Zusagen müssen eingehalten werden!“

Bei den vier Großen des LEH – Aldi, Lidl, Edeka und Rewe – entspricht die Nachfrage der Kunden nach „Tierwohlfleisch“ nicht den Erwartungen. In der Folge enthalten sie vielen Landwirten das zugesagte Tierwohlentgelt in Höhe von 5,28 € je Schwein vor.

Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV) und Sprecher für den Bereich des Schweinehaltung im Deutschen Bauernverband (DBV), kritisiert dieses Verhalten: „Sicherlich braucht es seine Zeit, bis sich die Warenströme eingespielt haben. Dennoch appelliere ich mit Nachdruck an die Lebensmitteleinzelhändler, ihre Zusagen gegenüber der Landwirtschaft einzuhalten und die Bauern nicht im Regen stehen zu lassen. Wie will der LEH glaubwürdig die Haltungsformen 3 und 4 einfordern, wenn er nicht einmal bereit scheint, die Zwischenstufe der Haltungsform 2 umfassend zu listen?“

Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband weist darauf hin, dass viele Landwirte ihre Bereitschaft erklärt hätten, in Tierwohl zu investieren und den Empfehlungen der sogenannten „Borchert-Kommission“ zum Umbau der deutschen Nutztierhaltung zu folgen. Die hohen Anmeldezahlen zur Initiative Tierwohl beim Schweine- und Geflügelfleisch seit deren Neustart zum 1. Juli des Jahres seien hierfür ein deutlicher Beleg.

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