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„Junge Landwirte offen für die Weiterentwicklung der Tierhaltung“

DBV-Veredlungspräsident Hubertus Beringmeier fordert neben der Haltungs- auch die Herkunftskennzeichnung bei Schweinefleisch und mehr Unterstützung für die deutschen Ferkelerzeuger.

Lesezeit: 7 Minuten

Im Vorfeld des Deutschen Bauerntages nächste Woche in Lübeck haben wir mit Hubertus Beringmeier über die Situation der Nutztierhalter gesprochen.

Herr Beringmeier: Hohe Futterkosten, sinkender Schweinefleischabsatz, ASP, Exportstopp, Reformstau auf politischer Ebene. Worauf muss sich die Branche Ihrer Meinung nach in den kommenden Monaten einstellen?

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Beringmeier: Ich glaube, dass wir den größten Preisdruck auf die Schweinepreise jetzt hinter uns haben. Die Schweinebestände sowie die wöchentlichen Schweineschlachtungen sind zuletzt deutlich gesunken. Bis die Betriebsleiter aber wieder Gewinne erzielen, dauert es noch. Das Problem bleiben die anhaltend hohen Kosten, vor allem bei Futter und Energie.

Insbesondere die Ferkelerzeuger leiden weiter massiv unter der schwierigen Lage. Ein Grund ist die schleppende Einstallbereitschaft der Mäster. Können Sie das nachvollziehen?

Beringmeier: Bundesweit stehen nach unseren Schätzungen im Schnitt ca. 20 % der Mastställe leer. Ich habe zuletzt mit Engelszungen auf meine Mästerkollegen eingeredet, neue Ferkel einzustallen, um den Druck auf die Sauenhalter nicht noch weiter zu verschärfen. Im Hinblick auf die neue Ernte spüre ich derzeit ein wenig Entspannung, Ferkel flossen zuletzt wieder besser ab. Kein Verständnis habe ich dafür, wenn Mäster vereinbarte Zuschläge oder Übergewichte nicht mehr zahlen. Dann verhalten wir uns nicht besser als Teile der abnehmenden Seite, von der wir immer Fairness einfordern. Als Mäster müssen wir Rücksicht auf die Ferkelerzeuger nehmen.

Als Mäster müssen wir Rücksicht auf die Ferkelerzeuger nehmen“

Gerade jungen Landwirten ist nicht zu verübeln, wenn sie angesichts des enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Drucks das Handtuch werfen. Wie nehmen Sie die Stimmung bei den Junglandwirten wahr?

Beringmeier: Ich freue mich, dass viele junge Landwirte die Situation nicht so schwarz sehen. Gerade die Jüngeren stehen einer Weiterentwicklung in der Nutztierhaltung in Richtung mehr Tierwohl offen gegenüber. Viele machen sich trotz der derzeit schwierigen Rahmenbedingungen Gedanken darüber, wie sie ihre Ställe umbauen können. Entscheidend ist nun, dass die Politik dem landwirtschaftlichen Nachwuchs endlich Rechts- und Planungssicherheit verschafft.

Inwieweit spielt das Thema Tierwohl in der Gesellschaft derzeit überhaupt noch eine Rolle? Die hohe Inflationsrate lässt vielen Verbrauchern doch gar keine andere Wahl, als günstiges Fleisch einzukaufen.

Beringmeier: Durch die hohe Inflation schwächelt der Absatz von ITW-Fleisch oder Ware aus Haltungsform 3 und 4 momentan. Viele Verbraucher schauen derzeit noch genauer aufs Geld. Dennoch werden uns die Megatrends Tierwohl, Biodiversität, Klimaschutz etc. erhalten bleiben. Die Situation wird sich dann wieder ändern, wenn die Verbraucher den ersten Preisschock verdaut haben oder sich die Preise wieder ein Stück weit normalisiert haben.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemirhat diese Woche die Eckpunkte der Tierhaltungskennzeichnung vorgestellt. Was halten Sie von dem Papier und wo üben Sie Kritik?

Beringmeier: Für den Berufsstand war es enorm wichtig, die Stufe 2 (ITW-Standard) auch im Tierhaltungskonzept des BMEL zu verankern. Zwar konnten wir uns nicht auf eine 1 zu 1-Übernahme der bisherigen ITW-Vorgaben einigen, das Konzept ‚Stall plus Platz‘ - 20 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben - ist aber ein guter Kompromiss. Denn so nehmen wir auch in Zukunft den Großteil der Betriebe auf dem Weg zu mehr Tierwohl mit.

Das ganze Konzept bleibt aber Stückwerk, solange die verpflichtende Herkunftskennzeichnung fehlt und auch die offenen Fragen zum Baurecht und zur Finanzierung nicht geklärt sind. Ganz entscheidend wird auch sein, dass wir die Ferkelerzeuger schnell integrieren – wir brauchen ein klares Bekenntnis zu deutschen Ferkeln. Denn sonst werden sich weder 5xD noch die Nämlichkeit umsetzen lassen, auf die der Lebensmitteleinzelhandel großen Wert legt.

Für uns Bauern ist es ganz wichtig, dass sich die ITW im BMEL-Konzept wiederfindet“

Wie beurteilen Sie die Haltungsformen 3 und 4?

Beringmeier: In beiden Stufen brauchen wir dringend eine Art Standardisierung. Denn anders als in Stufe 2 sind hier verschiedene Labelprogramme zusammengefasst, die alle unterschiedliche Vorgaben fordern. In vielen Programmen fehlen feste Kriterien. Und in vielen in Haltungsform 3 und 4 gelisteten Programmen muss man nicht einmal deutsche Ferkelherkunft nachweisen. So erreichen wir die Nämlichkeit in diesen Stufen nicht. Die Stufe 2 auf Basis des ITW-Standards ist also heute wesentlich weiter als viele Programme in höheren Haltungsformen.

Kritik am BMEL-Papier wird auch deshalb laut, weil die Haltungskennzeichnung für die Gastronomie und die Außerhaus-Verpflegung erst später kommen soll. Wie sehen Sie das?

Beringmeier: Gastronomie und Außerhaus-Verzehr laufen in puncto ITW und Haltungskennzeichnung weiter komplett unter dem Radar. Dabei steigt der Verzehranteil nach Corona gerade in diesen Bereichen deutlich an. Um Tierwohl noch breiter in der Fläche umzusetzen, müssen wir diese beiden Bereiche dringend mit in die Pflicht nehmen. Es reicht nicht, Tierwohlware nur im Frischfleischsegment des Handels zu verkaufen. Denn der Anteil am Gesamtmarkt liegt hier nur bei 23 %.

Gastronomie und Außerhaus-Verzehr laufen in puncto ITW und Haltungskennzeichnung weiter unter dem Radar“

Massive Kritik gibt es derzeit an der FDP, die die Finanzierung von höheren Tierwohlstandards über höhere Steuern oder anderweitige Abgaben kategorisch ablehnt. Was tut der Bauernverband konkret, um die FDP umzustimmen?

Beringmeier: Der FDP muss klar sein, dass das reine Marktmodell nicht funktionieren wird. Dafür sind die Kräfteverhältnisse in der Branche viel zu ungleich verteilt. Und so lange wir kein verbindliches Bekenntnis des LEH zum deutschen Produkt haben, konkurrieren wir immer mit der günstigeren ausländischen Ware. Und was das bedeutet, sehen wir gerade bei Spargel und Erdbeeren. Der Handel kauft lieber billige Erdbeeren aus Spanien anstatt auf frisch geerntete deutsche Produkte zu setzen.

Als Bauernverband fordern wir von der FDP endlich die Zusage zu einer Tierwohlabgabe, in welcher Form auch immer. Die FDP kann sich im Koalitionsvertrag nicht zu einer Weiterentwicklung der Landwirtschaft bekennen und dann beim Thema Finanzierung kneifen. Mehr Tierwohl funktioniert nur mit mehr Geld! Ich glaube, dass die FDP ihren Widerstand spätestens im Herbst aufgeben wird. Oder spätestens dann, wenn wir die derzeitige Ausnahmesituation mit hohen Inflationsraten hinter uns gelassen haben werden. Was ist denn die Alternative? Das Ordnungsrecht ist es nicht! Denn dann würden noch mehr Betriebe aufgeben und die Produktion würde ins Ausland abwandern.

Neben der FDP macht sich momentan Edekachef Markus Mosabei den Bauern unbeliebt. Er behauptet, dass die deutschen Schweinehalter lieber weiter billiges Fleisch für den Export produzieren wollen. Hat Herr Mosa Recht?

Beringmeier: Nein, und ich kann mir seine Aussagen nicht erklären. Sie sind völlig haltlos und an den Haaren herbeigezogen! Fakt ist, dass sich nur rund 60 % des Schweineschlachtkörpers in Deutschland verkaufen lassen. Wir Deutschen sind verwöhnt und kaufen nur die Edelteile des Schweins. Wenn wir den Schlachtkörper so vollständig wie möglich verwerten und auch in Zukunft auf Nachhaltigkeit setzen wollen, brauchen wir den Export.

Die Aussagen von Edekachef Markus Mosa sind an den Haaren herbeigezogen“

Schweinefleisch leidet seit Jahren unter seinem schlechten Image, der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt deutlich. Wie kriegen wir den Negativtrend gestoppt?

Beringmeier: Interessanterweise ist vor allem das Schweinefleisch betroffen, weniger das Rind oder das Geflügel. Deshalb müssen wir in Werbung investieren und das Image des Schweinefleisches wieder aufpolieren! Wie gute Werbung funktioniert, zeigen uns unsere Nachbarn aus Österreich. Dort führen die Bauern 75 Cent von jedem Schlachtschwein an die zentrale Vermarktungsorganisation Agrarmarkt Austria (AMA) ab. Das hört sich zunächst viel an. Das Geld ist aber gut investiert, weil man dank des guten Images so 4 bis 5 € mehr erlöst, sagen mir die österreichischen Kollegen. Ich behaupte: Wenn wir nicht endlich deutlich mehr Geld in die Werbung stecken, laufen wir Gefahr, dass das Schweinefleisch die Zigarette von Morgen wird.

Wie beurteilen Sie die pflanzlichen Fleischersatzprodukte?

Beringmeier: Der Markt für diese Produkte wird weiter wachsen, weil sich die Ernährungsgewohnheiten insbesondere der jüngeren Leute ändern. Dennoch wird die Nutztierhaltung weiterhin Bedeutung haben. Denn von 5 kg Biomasse, die wir heute produzieren, lässt sich nur 1 kg in der Humanernährung verwerten. Den Rest müssen wir, wenn wir auch in Zukunft nachhaltig wirtschaften wollen, u.a. in der Nutztierhaltung verwerten.

Wo sehen Sie die deutsche Schweinehaltung mengenmäßig in fünf Jahren?

Beringmeier: Ich glaube, dass der Schlachtschweinemarkt noch weiter zurückgehen wird. Unser Ziel muss jetzt sein, dass sich der Bestand an Zuchtsauen stabilisiert, damit beide Produktionszweige dauerhaft im Einklang stehen.

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