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Junglandwirte: Die Sauenhaltung in Deutschland hat Zukunft!

Jetzt einen Sauenstall bauen? Gleicht das nicht einem Himmelfahrtskommando? Nein, sagen zwei befreundete Junglandwirte aus dem Münsterland, die aktuell groß in die Ferkelerzeugung investieren.

Lesezeit: 9 Minuten

Herr Mengelkamp, viele Sauenhalter werfen derzeit frustriert das Handtuch. Sie steigen in unsicheren Zeiten ganz neu in die Sauenhaltung ein. ­Warum tun Sie sich das an?

Mengelkamp: Landwirt ist für mich der schönste Beruf der Welt. Während meiner Ausbildung habe ich meine Passion für die Ferkelerzeugung ­entdeckt. Unser Mastbetrieb wird durch den Neueinstieg in die Sauenhaltung gut ergänzt und ich sehe für die ­Ferkel zukünftig gute Marktchancen. Für mich als Betriebsleiter ergeben sich auch arbeitszeitliche Vorteile dank der neuen Betriebsgröße. Denn für den neuen Sauenstall stelle ich zwei neue Mitarbeiter ein. Dadurch kann ich einen Teil der Verantwortung abgeben und mich kurzzeitig auch mal aus dem Betrieb zurückziehen, z. B. für einen Familienurlaub. Insgesamt werden die Arbeitszeiten im Betrieb durch die Sauenhaltung mit festem Produktionsrhythmus geregelter und planbarer.

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Herr Ermann, Sie verdoppeln ­Ihren Sauenbestand von 750 auf 1.500 Sauen. Was treibt Sie an?

Ermann: Langfristig hätten wir im ­alten Sauenstall aufgrund der Vor­gaben der neuen Haltungs-VO ­umbauen müssen. Wir haben uns deshalb für ­einen Neubau entschieden. Ich wollte die Chance auch nutzen, um meinen Sauen mehr Tierwohl zu ­bieten. Natürlich hatte ich auch den ­Ehrgeiz, den Bestand zu ver­größern und dadurch die Ferkelpartien sowie die Arbeitsabläufe zu optimieren. Wir haben im Münsterland einen niedrigen Selbstversorgungsgrad bei Ferkeln, ­daher sehe ich gute Absatzchancen in der ­Region.

Viele Sauenbetriebe steigen unter anderem aus, weil sie keine zuverlässigen Mitarbeiter mehr finden. Herr ­Ermann, wie sieht bei Ihnen die ­Personalsituation aus?

Ermann: Als sich unsere Neubau-Pläne rumgesprochen hatten, haben wir viele Anfragen von interessierten Arbeitskräften bekommen. Für die Betreuung der vergrößerten Sauenherde stelle ich nun drei weitere Mitarbeiter ein. Ein neuer Sauenstall ist meiner Meinung nach auch ein schöner Arbeitsplatz. In unserem Neubau verläuft z. B. entlang des Zentralgangs im Wartestall eine lange Fensterfront. Der Stall ist dadurch insgesamt viel heller. Ebenso sind großzügige Aufenthaltsräume und Sanitäranlagen sowie ein Garten für die Mitarbeiter eingeplant. Um ­Angestellte langfristig im Betrieb zu halten, spielt natürlich auch das ­Arbeitsklima eine entscheidende Rolle. Als Chef sollte man seine Mitarbeiter fördern und auch Rücksicht auf ihr Privatleben nehmen, z. B. durch ­geregelte Wochenenddienste.

„Man muss lernen, auch mal die Meinung von Außenstehenden auszublenden.“ - Hendrik Mengelkamp

Den Entschluss zu solch einem teuren Entwicklungsschritt fällt man nicht ­allein. Was sagen Ihre Familie und Nachbarn zu den Ausbauplänen?

Ermann: Meine Familie hat sehr positiv auf das Bauvorhaben reagiert. Auch mein Vater hat immer wieder wichtige Investitionen für den Betrieb getätigt. Er will, dass der Betrieb weiter­ent­wickelt wird und hat mich in ­meinem Vorhaben bestärkt. Viele ­andere ­Landwirte waren bereits zu ­Besuch und haben unseren neuen Stall besichtigt. Die meisten sind auf der ­Suche nach Ideen für den Umbau ihrer eigenen Sauen­ställe. Dass mein Vor­haben Ihnen als positives Beispiel dient, gibt mir ein richtig gutes Gefühl.

Herr Mengelkamp, welche Reaktionen gab es bei Ihnen?

Mengelkamp: Meine Familie war ­immer schon voller Tatendrang. Auch meine Frau hat mich von Anfang an mit dem Vorhaben kennengelernt, in die Sauenhaltung einzusteigen. Ich habe von beiden Seiten einen starken Rückhalt erfahren. Manche meiner Freunde können das große Ausmaß des neuen Sauenstalls hingegen nur schwer verstehen. Ich erkläre ihnen dann, dass die Größe notwendig ist, um jeder einzelnen Sau genügend Platz zu bieten. Insgesamt ist die Zustimmung in der Bevölkerung größer als ich zunächst dachte. Dazu leiste ich auch Aufklärungsarbeit, wenn z. B. Radfahrer an der Baustelle anhalten und Fragen stellen. Später möchte ich lokale Politiker in den Stall einladen.

Gab es während der Planungs- und Bauphase auch einmal Zweifel an dem Entwicklungsschritt? Schließlich haben sich die Rahmenbedingungen gerade für die Ferkelerzeuger in den letzten Monaten massiv verändert?

Mengelkamp: Auf jeden Fall. Ich bin 2014 mit den ersten Planungen ge­startet. Für die Baugenehmigung habe ich eine Menge Geld investiert. Bis sie ­vorlag, sind fünf Jahre vergangen. Das Bauamt hat uns in dieser Zeit einige Steine in den Weg gelegt. Das hat sich schlimmer angefühlt als Achterbahn fahren. Hätte ich vorher gewusst, wie stark einem sowas zusetzen kann, hätte ich das Bauvorhaben vielleicht gar nicht begonnen. Durch die Vor­gaben der neuen Haltungs-VO musste ich dann erneut umplanen. Insgesamt habe ich mich nicht nur einmal ge­­fragt, ob mein Vorhaben richtig ist.

Herr Mengelkamp, wie sieht ihr neuer Sauenstall nun in puncto Haltungstechnik aus?

Mengelkamp: Mit 540 Sauen gelten wir noch nicht als Betrieb, der nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSch) genehmigt wurde. Dennoch habe ich eine Schieberentmistung und eine Güllekühlung eingebaut. Falls sich die Grenzwerte noch mal ändern sollten, kann ich so die 40 % emissionsmindernden Maßnahmen erfüllen. Im Abferkelstall habe ich von Anfang an Bewegungsbuchten eingeplant. Die Größe musste ich jedoch aufgrund der neuen Haltungs-VO im Nachhinein auf 6,5 m2 anpassen. Den Deck- und Wartestall wollte ich als gemeinsamen Bereich realisieren. Dort werde ich Selbstfangbuchten einbauen, weil ich damit eine bessere Übersicht über die Tiere habe. Generell baue ich den ­Sauenstall so, dass ich gerne darin ­arbeiten möchte. Deshalb waren die Baukosten nicht das einzige Entscheidungskriterium.

Herr Ermann, sollte die neue TA-Luft so wie geplant verabschiedet werden, müssen Sie auch noch einen Abluft­filter einbauen. Haben Sie die Mehrkosten für die Emissionsminderung ­bereits einkalkuliert?

Ermann: Unabhängig von der Gesetzespflicht, an die ich mich nun mal halten muss, bringt der Filter einige Vorteile. Die Geruchsbelastung ist deutlich reduziert und diese ist oft der Hauptknackpunkt, weswegen manche Schweinehalter mit Anwohnern in ­einen Streit geraten.

Die neue Haltungs-VO treibt die ­Kosten insbesondere in der Sauen­haltung deutlich nach oben. Jetzt ­explodieren auch noch die Baukosten. Alleine Stahl ist um 40 % teurer ­geworden. Hat das Ihre finanzielle ­Planung durcheinander gebracht?

Ermann: Durch die neuen Auflagen konnte ich meine Kosten sogar reduzieren. Ursprünglich wollte ich im Wartestall Selbstfangbuchten ­einbauen. Jetzt habe ich mich für Gruppenbuchten mit Bodenfütterung entschieden. Dadurch konnte ich eine Menge Material einsparen. Für die ­übrigen Baustoffe haben wir glück­licherweise die meisten Preise vorher festgelegt. Dadurch kommen wir mit einem blauen Auge davon. Größere Sorgen machen mir eventuelle Lie­ferschwierigkeiten aufgrund der ­Rohstoffknappheit. Daher versuche ich möglichst viel Material jetzt schon auf Lager zu haben.

Herr Mengelkamp, können Sie für ­Ihren Entwicklungsschritt Förder­programme nutzen? Welche sind das und wie hoch sind die Fördersummen?

Mengelkamp: Durch die Gründung meines eigenen Betriebes und der Pacht von weiteren 60 ha Fläche konnte ich Fördermittel aus dem ­Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) in Anspruch nehmen. Dort habe ich die maximale Fördersumme von 400 000 € ausgeschöpft. Für die ­Güllekühlung konnte ich zudem eine Energieeffizienz-Förderung nutzen. Mit der Teilnahme an der Initiative Tierwohl möchte ich langfristig Geld verdienen. Dazu biete ich den Sauen unter anderem mehr Platz.

Beim Umstieg auf Biohaltung heißt die Devise immer: „Zuerst die Vermarktung sichern“. Herr Mengelkamp, ist das bei Ihrem Schritt genauso wichtig?

Mengelkamp: Einen Teil der Ferkel vermarkte ich demnächst an den ­elterlichen Betrieb. Mit dem Bau eines zusätzlichen Ferkelaufzuchtstalls möchte ich derzeit allerdings noch warten. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass ich für die übrigen Baby­ferkel Abnehmer finde. Wichtig ist mir dabei der direkte Kontakt zwischen Ferkelerzeuger und Mäster. So können wichtige Punkte wie beispielsweise der Impfplan, die Ferkelkastration oder zukünftig der Verzicht auf das Kupieren der Schwänze ohne Umwege besprochen werden.

Herr Ermann, wie sehen Sie das?

Ermann: Wir können durch den ­Entwicklungsschritt Ferkel für knapp 8 000 Mastplätze zusätzlich vermarkten. Anfragen von Mästern hatte ich für mehr als doppelt so viele Schweine. Regionale Ferkel und kurze Transportwege sind stark gefragt. Das können wir bedienen und bekommen momentan gutes Geld dafür. Natürlich konnte diese Marktentwicklung vor zehn Jahren auch noch niemand vorhersehen.

„Regionale Ferkel und kurze Transportwege sind stark gefragt.“ - Sebastian Ermann

Viele Bauern wünschen sich, dass die Ferkelerzeugung in Deutschland ­wettbewerbsfähig bleibt. Herr ­Ermann, was muss die Politik tun, ­damit die Sauenhalter hierzulande eine Zukunft haben?

Ermann: Die Politik macht in dieser Hinsicht meiner Meinung nach schon vieles richtig. Landwirte werden durch Förderprogramme bei Stallneu- und Umbauten unterstützt, wenn sie heute schon die zukünftigen Vorgaben der Haltungs-VO umsetzen wollen. Das kommt der gesamten Branche zugute. Dennoch sollte die Politik aufhören, die Schuld ständig auf dem Rücken der Landwirte abzuladen. Das ist einer der Hauptgründe, wieso immer weniger Jungbauern die Betriebe weiter­führen wollen.

Herr Mengelkamp, wie sehen Ihre ­Forderungen aus?

Mengelkamp: Die Politik sollte deutlich weitsichtiger handeln. Die Ställe, die vor drei bis vier Jahren noch mit AFP-Geldern gefördert wurden, ­müssen aufgrund der neuen Haltungsvorgaben jetzt alle wieder umgebaut werden. Landwirte haben so keine ­Planungssicherheit. Ich wünsche mir außerdem, dass die Politiker mehr Rückrad beweisen und nicht bei jedem kleinen Stürmchen aus Angst um ­Wählerstimmen ihre Entscheidungen kippen.

Herr Mengelkamp, Ihr Beispiel ­ermutigt unter Umständen auch­ ­andere junge Sauenhalter, die Flinte nicht ins Korn zu werfen. Was raten Sie anderen Berufskollegen?

Mengelkamp: Man sollte sich selbst genau überlegen, welchen Weg man gehen möchte und ob man mit einem derartigen Projekt eine Chance hat. Die Entscheidung muss jeder Landwirt vollkommen individuell je nach ­Betrieb und persönlicher Neigung ­treffen. Dabei muss man lernen, auch mal die Meinung von Außenstehenden auszublenden und sich nicht unter­kriegen zu lassen. Wer kann heute schon sagen, wo wir mit der Tier­haltung in 30 Jahren stehen?

Herr Ermann, was können Sie ­anderen Junglandwirten mit auf den Weg ­geben?

Ermann: Man sollte nicht jedes Wort aus den Diskussionen über die neuen Haltungsvorgaben auf die Goldwaage legen und sich stattdessen eine eigene Meinung bilden. Auch die Sozialen Netzwerke und das Fernsehen können stark verunsichern. Da sollte man ­einfach mal abschalten. Es gibt viele junge Bauern mit Passion für die Sauenhaltung. Auch wenn es manchmal Rückschläge gibt, lasst Euch den Mut nicht nehmen!

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