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Kurswende in der Schweinehaltung: Das sagen die Praktiker

Der Bundesrat hat die TierSchutzNutztV novelliert, der Bundestag die Regierung zur Umsetzung der Borchert-Pläne aufgefordert. top agrar hat mit Praktikern über die Folgen gesprochen.

Lesezeit: 9 Minuten

So viel ist sicher: Durch die vom Bundesrat Anfang Juli beschlossene Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (kurz TierSchutzNutztV) steht die Veredlung in Deutschland vor einem tief greifenden Umbauprozess. Betroffen sind vor allem Ferkelerzeuger. Folgende Stimmen haben wir von Schweinehaltern, Beratern und Verbänden gesammelt:

  • Bernhard Feller, Bauberater, LWK NRW
  • Robert Dietz, Sauenhalter aus Möhnesee (NRW)
  • Manfred Aue, Sauenhalter aus Fürstenzell (Bayern)
  • Bernhard und Bernd Heiming, Ferkelerzeuger aus Dorsten (NRW)
  • Georg Schwienhorst, Bioferkelerzeuger, Hoetmar (NRW)
  • Hendrik Timphaus, Sauenhalter aus Vechta (Niedersachsen)
  • Markus Lehmenkühler, Sauenhalter aus Geseke (NRW)
  • Dr. Torsten Staack, ISN

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90 % der Betriebe müssen umbauen

Bernhard Feller, Bauberater, LWK NRW: Die Änderungen sind für die Ferkelerzeuger eine echte Herausforderung. Nach meiner Einschätzung müssen über 90 % der Betriebe ihr Deckzentrum umbauen. Im Abferkelbereich dürfte der Anteil noch weitaus höher liegen. Knackpunkt der neuen Regelung ist die Forderung nach Gruppenhaltung im Deckzentrum. Damit die Haltung in dieser kritischen Phase funktioniert, sind die Ställe umzubauen. Besonders für abgesetzte Sauen, die ihre Rangordnung neu festlegen und die anschließend in die Rausche kommen, müssen Lösungen gefunden werden, die sicherstellen, dass sich die Sauen während der Gruppenfindungsphase nicht verletzen. Nötig sind v. a. größere Laufgangbreiten und damit mehr Fläche. Für die Zeit der Gruppenfindung fordert der Gesetzgeber 5 m² Platz pro Sau in der Zeit vom Absetzen bis zur Belegung. Ob die Zusatzfläche durch eine Arena, durch Reduzierung der Stallplätze im Abteil, oder andere Möglichkeiten geschaffen wird, kann nur betriebsindividuell entschieden werden. Wichtig: Belegte Sauen gelten als tragend, und damit sind ab diesem Zeitpunkt die entsprechenden Flächenvorgaben aus dem Wartestall einzuhalten. Die neuen Vorgaben verlangen den Betrieben sicherlich viel ab. Aber eine mehrtägige Fixierung der Sauen während der Rausche wäre nicht mehrheitsfähig gewesen. Deshalb ist der jetzige Kompromiss besser als der sofortige Vollzug des Magdeburger Urteils.

Erste Umbauideen sind schon im Kopf

Robert Dietz, Sauenhalter aus Möhnesee (NRW): Durch die neuen gesetzlichen Vorgaben kommen auf unseren erst 2011 neu gebauten Stall mit 560 Sauen hohe Investitionen zu. Der Stall muss um ein komplett neues Deckzentrum erweitert werden. Ein Vorteil ist, dass wir die Anlage nach Baurecht genehmigt bekommen haben. Wie ich die neuen Anforderungen umsetze, weiß ich noch nicht im Detail. Erste Ideen und Lösungen habe ich aber schon. In das bisherige Deckzentrum könnte ich Bewegungsbuchten für laktierende Sauen bauen. Dadurch kompensiere ich die spätestens in 15 Jahren wegfallenden 24 Abferkelbuchten im jetzigen Abferkelstall. Noch keine Lösung habe ich für unseren Stammbetrieb. Dort stehen 200 Sauen in Altgebäuden in Dorflage. Dieser Betriebsteil ist kontinuierlich gewachsen. Hier können wir nicht mal eben so ein Deckzentrum mit 5 m² pro Sau anbauen. Auch der Umbau der Abferkelbuchten wäre nicht möglich. Ich müsste den Bestand um 50 % reduzieren. Das macht dann aber auch fürden optimistischsten Sauenhalter keinen Sinn mehr. Nun muss ich überlegen, ob ich den Standort in acht Jahren schließe. Dann müsste ich mit meinen Mästern klären, wie ich deren Mastkapazitäten weiter mit meinen Ferkeln auslaste.

BImSch-Anlage: Droht jetzt der Filter?

Bernhard und Bernd Heiming, Ferkelerzeuger aus Dorsten (NRW): Unser Betrieb ist nach BImSchG genehmigt. Durch die nun gesetzlich erforderlich gewordenen Umbaumaßnahmen kommen hohe Kosten auf uns zu. Wir müssen vor baulichen Maßnahmen einen Änderungsantrag stellen, der den Einbau von Abluftfiltern in allen Stallbereichen nach sich ziehen könnte. Die ohnehin hohen Stallbaukosten, diese sind in den letzten sechs Jahren um 40 % gestiegen, werden so weiter in die Höhe getrieben. Ohne finanzielle Förderung wird es nicht gehen. Sollen wir Sauenhalter auch in Zukunft eine Perspektive haben, müssen Staat und Gesellschaft jetzt das Portemonnaie öffnen. Dabei reicht es nicht, nur das Kleingeld aus der Tasche zu holen. Die Umbaumaßnahmen kosten unseren Betrieb mehrere hundertausend Euro. Dennoch sind wir gewillt, eine Lösung zu finden. Schließlich steht bei uns die nächste Generation schon bereit.

Als Familienbetrieb hängen wir in der Luft

Manfred Aue, Sauenhalter aus Fürstenzell (Bayern): Unsere älteste Tochter ist neun Jahre alt. Wir wissen also überhaupt nicht, ob die nächste Generation den Familienbetrieb mit 350 Sauen und teilweiser Mast übernimmt. Meine Frau und ich müssen uns deshalb sehr gut überlegen, ob wir in den Umbau des Deck-Wartbereichs jetzt viel Geld investieren. Es wäre fatal, 1 Mio. € in die Hand zu nehmen, um später feststellen zu müssen, dass die Hofnachfolge und die betriebswirtschaftliche Rentabilität nicht gesichert sind. Dabei haben wir top Voraussetzungen. Der Betrieb ist nach Baurecht genehmigt, Gebäuderweiterungen wären also rechtlich möglich. Derzeit sehe ich die Situation so: Wir halten den betrieblichen Status quo und nutzen die neuen Übergangsfristen maximal aus. Das ist nicht ideal, denn ich möchte meinen Betrieb eigentlich kontinuierlich verbessern. Aber derzeit es ist die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass ich möglicherweise viel Geld falsch investiere.

OVG-Urteil ließ kaum Spielraum zu

Dr. Torsten Staack, ISN: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und davon gab es von den Gegnern der Tierhaltung leider mehr als genug. Mit dramatisierenden Bildern aus Sauenställen – entstanden bei einer Vielzahl von Stalleinbrüchen – hat man die Realität immer wieder bewusst verzerrt dargestellt. Die Medienkampagne und das Kasten- standurteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg haben den Verhandlungsspielraum beim Thema Deckzentrum quasi auf null gesetzt. Wir haben mit allen erdenklichen Mitteln für die Belange der Bauern gekämpft und doch war die politische Verhandlungsmasse für die Haltung der Sauen im Deckzentrum komplett eingeschränkt. Am Ende ging es vor allem darum, trotz Forderung nach sofortiger Umsetzung des Magdeburger Urteils möglichst viel Übergangszeit zu bekommen. Und es ging uns darum, den Abferkelbereich zukunftssicher zu regeln. Nur zur Erinnerung: Im Gespräch war bis zuletzt die freie Abferkelung, verpflichtend für alle. Das konnte zumindest verhindert werden! Nach jahrelangem Gezerre gibt es nun Planungssicherheit. Das allein bringt aber gar nichts: Eine Perspektive muss her! Unsere Aufgabe ist daher jetzt, alle fachlichen Details mit den Behörden in den Ausführungshinweisen zu klären und dafür Sorge zu tragen, die notwendigen Um- und Anbaumaßnahmen genehmigungsrechtlich zu ermöglichen. Zudem muss die Finanzierung geklärt werden.

Sprung ins kalte Wasser

Hendrik Timphaus, Sauenhalter aus Vechta (Niedersachsen): Es ist paradox: Erst vor vier Jahren haben wir ein neues Deckzentrum gebaut, welches wir innerhalb der nächsten acht Jahre schon wieder umbauen müssen. Und das, obwohl die Einrichtung noch nicht abgeschrieben ist. Eine echte Herausforderung ist für uns, dass wir Sauenhalter in nur drei Jahren ein Umbaukonzept vorlegen müssen. Wie soll das gehen? Es gibt noch keinerlei Konzepte, wie ein funktionierendes Deckzentrum nach den neuen Vorgaben aussehen kann. Für die Planung brauchen wir Zeit, dass macht man nicht mal so eben sonntags vom Sofa aus. Dazu sind viele Gespräche mit Beratern, Stalleinrichtern und Berufskollegen nötig. Wie wir auf die neuen Haltungsvorgaben reagieren, ist bislang offen. Eine Möglichkeit wäre, dass wir zwischen zwei Gebäude eine Arena bauen. Die Arena würden wir mit Stroh einstreuen. Ob das mit dem Stroh aber funktioniert, wissen wir nicht. Das ist ein Sprung ins kalte Wasser.

Wieso jetzt 5 m2 pro Sau?

Markus Lehmenkühler, Sauenhalter aus Geseke (NRW): Auf diesen Beschluss haben wir lange gewartet. Unsere Betriebsgemeinschaft hat 2014 den Neubau eines 560er-Sauenstalles beantragt. Erst anderthalb Jahre später gab es dafür grünes Licht, leider kurz nach dem Magdeburger Urteil im November 2015. Seitdem liegen Genehmigung und Pläne in der Schublade. Nun habe ich die Hoffnung, dass es weitergeht. Trotzdem ärgere ich mich. Woher kommen die Vorgaben? Fünf Jahre lang wird über das Urteil beraten. Und innerhalb weniger Tage tauchen Vorgaben auf, von denen wir nicht einmal wissen, ob diese praxistauglich sind. Ich bin davon überzeugt, dass mehr Tierwohl der richtige Weg ist. Nur muss das auch bezahlbar sein und sich an der Praxis orientieren. In diesem Zusammenhang kann ich nicht nachvollziehen, warum wir im Deckzentrum künftig so viel mehr Platz einplanen müssen wie im Wartestall. Im Deckzentrum verbringen die Sauen nur wenige Tage, im Wartestall dreieinhalb Monate. Da ist nicht verhältnismäßig. Der Stall hätte uns ursprünglich ca. 2 Mio. € gekostet. Nun müssen wir schätzungsweise 50 % mehr einplanen. Wirtschaftlich ist das nicht. Hier erwarte ich Unterstützung von der Politik. Ohne Förderung werden wir nicht bauen können. Deshalb bin ich froh, dass die Vorschläge der Borchert-Kommission nun auf den Weg gebracht werden. Aber wir benötigen schnell Planungssicherheit. Unsere zwischenzeitlich verlängerte Genehmigung läuft in rund anderthalb Jahren endgültig aus.

Bio-Schweinehalter: Weniger ist mehr

Georg Schwienhorst, Bioferkelerzeuger, Hoetmar (NRW): Wir erzeugen Ferkel nach den Richtlinien von Naturland. Derzeit bauen wir unseren Stall nach einem Großbrand neu auf. Die neuen Rahmenbedingungen im Deck- und Abferkelbereich sind für Betriebe wie den unsrigen relativ leicht umzusetzen. Denn bereits jetzt stehen jeder Bio-Sau im Deckstall 4,4 m² zu, da ist der Schritt auf 5 m² nicht ganz so groß. Im einfachsten Fall macht man die Gruppen etwas kleiner. Bis zum Jahr 2015 hatten wir ca. 600 Sauen. Damals stand die Entscheidung an, weiter zu wachsen, um den Mästern immer größere Ferkelpartien anbieten zu können. Parallel zeichnete es sich ab, dass die konventionelle Haltungsform weiter unter Druck gerät. Aus heutiger Sicht bin ich froh, dass wir den Schritt zu Bio gemacht haben. Es war nicht leicht, die Bio-Anforderungen in den Altgebäuden umzusetzen. Neue, größere Buchtenstrukturen passen in den meisten Fällen nicht ins bestehende Gebäuderaster. Ursprünglich gab es bei uns 150 Abferkelplätze, daraus wurden 90 auf gleicher Fläche. Weil wir den Betrieb breiter aufstellen wollen, werden wir den Bestand noch einmal reduzieren und von 240 Sauen auf 160 abstocken. Deshalb wird der neue Stall auf gleicher Grundfläche nur noch 52 Abferkelplätze haben. Die Entscheidung zum Umstieg ist unserer Familie auch deshalb leichtgefallen, weil uns der Verband eine Preisgarantie für fünf Jahre gegeben hat. Die Vermarktung läuft heute über die Naturlandmarkt Genossenschaft. Das Fleisch wird auch an Edeka und Rewevermarket. Trotzdem: Bio-Schweinefleisch bleibt eine Nische, keine Frage! Nicht jeder Betrieb wird einfach umstellen können. Ich glaube, dass sich die Verbrauchernachfrage noch mehr nach dem Tierwohl richten wird. Die Haltungsstufe I wird irgendwann verpöntsein. Daher sollten wir Landwirte die jetzt getroffenen Entscheidungen zur Neuausrichtung der Nutztierhaltung positiv begleiten. Wir Landwirte müssen kommunizieren, wo das Fleisch herkommt und mit unserer Haltung werben. Dazu gehört offensive Öffentlichkeitsarbeit. Unsere Ausläufe kann man von der Straße aus sehen. Der Verbraucher will sehen, wie die Tiere gehalten werden. Ställe zu verriegeln schreckt ab.

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