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Lieferverträge: Werden Mäster unter Druck gesetzt?

Mitten im Schweinestau dehnen Schlachtunternehmen den Anteil ihrer Vertragsschweine massiv aus. Die Mäster unterschreiben zwar frei­willig, werden aber offenbar teilweise ­unter Druck gesetzt.

Lesezeit: 6 Minuten

Während Landwirte im Schweinestau „stehen“, nutzen Schlachter die Chance, Betriebe vertraglich an sich zu binden. Matthias Quaing von der ISN sorgt sich um den freien Schweinemarkt.

top agrar: Herr Quaing, Der Überhang an Schlachtschweinen ist mit rund 650.000 Tieren nach wie vor immens. Wie läuft die Vermarktung praktisch ab? Wer wird zuerst bedient?

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Quaing: Das ist aktuell sehr unterschiedlich. Es gibt Betriebe, die deutlich stärker vom Vermarktungsstau betroffen sind als andere. Insbesondere Mäster, die an Schlachtunternehmen mit größeren Corona-Ausbrüchen liefern, klagen über hohe Schlachtgewichte und sehr hohe Maskenabzüge. Daneben beobachten wir einen starken Trend zu Lieferverträgen auf dem Schweinemarkt. Fast alle Schlachtunternehmen setzen nun plötzlich voll auf Verträge.

Ist es nicht ein Widerspruch, dass Schlachtunternehmen gerade jetzt die Schweinehalter binden, wo die Schlachtkapazitäten knapp und Schweine reichlich sind?

Quaing: Nur auf den ersten Blick. Alle Marktteilnehmer gehen davon aus, dass sich der Schweinestau im Frühjahr auflöst. Der Wettbewerb um die „Zukunftsbetriebe“ hat begonnen.

Gibt es weitere Gründe für die neue Vorliebe zu Lieferverträgen?

Quaing: Ja. Die anstehende Nämlichkeit in der Initiative Tierwohl und der generelle Trend zu Tierwohlkonzepten wird die Flexibilität der Schlachtunternehmen einschränken. Gleichzeitig müssen sie ab 2021 ohne Werkverträge auskommen und brauchen möglichst kontinuierliche Anlieferungen von Schweinen. Das ist mit festen Vertragsbetrieben einfacher.

Was stört Sie daran, wenn Schlachter Betriebe von Verträgen überzeugen?

Quaing: „Überzeugen“ ist das falsche Wort. Sie oder ihre Viehvermarkter wenden teilweise zweifelhafte Methoden an. Wir bekommen Anrufe von Betrieben, die sich unter Druck gesetzt fühlen. Einige Viehvermarkter fordern die Unterzeichnung von Lieferverträgen ein. Ansonsten könne die zukünftige Abnahme der Tiere nicht garantiert werden, heißt es.

Kann man sagen, dass die Not der Schweinehalter ausgenutzt wird?

Quaing: Ja durchaus. Mäster haben praktisch keine alternativen Vermarktungsoptionen. Wer den Stall übervoll hat, ist nicht wirklich frei in der Entscheidung.

Welche Rolle spielen dabei Viehvermarkter, also Viehhändler und Erzeugergemeinschaften?

Quaing: Die stecken mittendrin. Für viele Viehvermarkter bringen diese „Dreiecksverträge“ letztendlich Vorteile, weil der Mäster im Vertrag ja auch den Händler festlegt. Das Springen zwischen verschiedenen Händlern ist damit vorbei. Auch das Thema Hauspreise können Viehvermarkter damit wohl entspannter sehen. Bislang zahlten einige Hauspreise aus eigener Tasche.

Den Vertragslandwirten wird eine bevorzugte Abnahme der Schlachtschweine versprochen. Das ist aktuell ein gewichtiges Argument, oder?

Quaing: Eine echte Garantie ist das aber nicht. In den vergangenen Wochen meldeten sich wütende Bauern bei uns, die trotz Vertrag, auf ihren Tieren sitzen geblieben sind. Insbesondere Mäster mit eigener Ferkelanbindung hatten demnach Probleme.

Was hat die Mastschweinevermarktung mit der Ferkelherkunft zu tun?

Quaing: Die Entscheidung, welche Schweine wann geladen werden, trifft der Viehhändler und nicht der Schlachter. Und die Händler setzen teilweise andere Prioritäten. Aktuell bevorzugen sie beispielsweise Mastbetriebe, die auch Ferkel von ihnen abnehmen.

Dennoch ist der Trend zu Lieferverträgen eindeutig. Welche Folgen erwarten Sie für den Schweinemarkt?

Quaing: Es wird auch künftig einen Spotmarkt geben. Aber dieser Anteil wird immer kleiner. Ein Wechsel des Abnehmers ist künftig oft erst nach einem Jahr möglich. Das ist Gift für höhere Schweinepreise.

Das müssen Sie erklären.

Quaing: In der Vergangenheit stiegen die Schweinepreise am schnellsten, wenn Landwirte bzw. Viehvermarkter Partien auch mal festgehalten oder bei der Konkurrenz angeboten haben. Das geht in Zukunft kaum noch, schließlich haben sie eine Andienungspflicht. Mehrwochenpreise nehmen zudem den Reiz, auch mal zu pokern.

Sehen Sie auch Folgen für den Vereinigungspreis?

Quaing: Er wird eher an Bedeutung gewinnen. Denn in den meisten Verträgen ist der Vereinigungspreis die Basis für die Abrechnung. Ich gehe davon aus, dass der Druck auf die Preisfindung deshalb weiter steigt. In der Vergangenheit konnte z.B. Tönnies Hauspreise zahlen und war nicht unbedingt immer an den Vereinigungspreis gebunden. Mit dem Vertragsanteil steigt auch die Bindung an den Vereinigungspreis. Im Klartext: Die Stimmungsmache vor der Preisfindung am Mittwoch dürfte zunehmen.

Welchen Rat geben Sie Landwirten?

Quaing: Die Entscheidung für oder gegen einen Vertrag muss jeder selbst treffen. Aber ich stelle den Schweinehaltern immer gerne folgende Fragen: Müssen 100% der Tiere vertraglich gebunden werden? Was passiert, wenn Sie Ihre Andienungspflicht in Zeiten eines knappen Angebots nicht nachkommen? Haben Sie Vergleichsangebote eingeholt? Welche Nebenbedingungen stehen im Kleingedruckten? Diese Fragen bringen einige zum Nachdenken.

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Tönnies: „Partnerschaften sind freiwillig“

Auf Nachfrage von top agrar antwortet das Unternehmen Tönnies etwas ausweichend:

Angebot und Nachfrage am Schweinemarkt seien schwankend, heißt es. Mittelfristig müsse man neue Tierwohlanforderungen erfüllen und brauche dafür Partnerschaften. Den Erzeugerbetrieben biete dies langfristige Sicherheit, die gerade jetzt wichtig sei.

Der Ausbau der Lieferverträge ist laut Tönnies auch nicht neu. „Wir sind seit vielen Monaten dabei, unsere oftmals jahrzehntelangen Beziehungen zu den landwirtschaftlichen Partnerbetrieben in eine vertragliche Bindung zu führen“, erklärt Unternehmenssprecher Dr. Andre Vielstädte. Es sei selbstverständlich, dass eine Partnerschaft immer nur freiwillig geschlossen werde.

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K O M M E N T A R

Ein unmoralisches Angebot

Es gibt gute Gründe für Lieferverträge, und die kann jeder offensiv vertreten. Keinen redlichen Grund gibt es allerdings dafür, den Schweinehaltern zum Höhepunkt des Schweinestaus Verträge aufzudrücken. Nach dem Motto: „Unterschreib, sonst hole ich Deine Schweine nicht!“, hinterlassen einige Unternehmen und Viehvermarkter ­gerade einen ziemlichen Flurschaden.

Wer treibt und wer nur mitwirkt, ist nicht ganz klar. Fest steht allerdings, dass die Vorteile für die Erzeuger überschaubar sind. Sonst würden die Akteure das Ende des Schweinestaus ­abwarten und Landwirte in Ruhe Vor- oder Nachteile der festen Bindung ­abwägen lassen. Gute Angebote über­zeugen auch in „Friedenszeiten“.

Viele Schweinehalter werden diese Verträge dennoch unterschreiben, weil sie Sorge haben, dass ihre Tiere endgültig aus der Maske wachsen. Ob ­solche Partnerschaften nachhaltig sind, ist fraglich. Viele Tierhalter werden sich zudem an die Umstände des unmora­lischen Angebots erinnern. Spätestens dann müssen diese „Partnerschaften“ auch ohne Druck überzeugen.

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