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Meinungen zum Borchert-Plan: Bauern sind uneins

Zeigt uns der Borchert-Plan den Weg in die Zukunft oder sind die Gedankenspiele eher eine Sackgasse? Wir haben Landwirte nach ihrer Meinung gefragt.

Lesezeit: 11 Minuten

So sehen Praktiker die Pläne:

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Carsten Spieker

Ohne Borchert zahlen wir Bauern alles

Wir halten 700 Sauen und betreiben Ackerbau im Münsterland. Die Empfehlungen der Borchert-Kommission bieten gerade uns Ferkelerzeugern die Chance, die Nutztierhaltung so umzubauen wie die Verbraucher es wünschen. Für mich sind die Pläne alternativlos!

Seien wir ehrlich: Die Gesellschaft wird die Veränderung der Tierhaltung weiter lautstark fordern. Leider wird sie aber nicht bereit sein, freiwillig dafür an der Ladentheke zu bezahlen. Das bedeutet im Endeffekt: Ohne den Borchert-Plan zahlen wir Landwirte den Umbau der Tierhaltung zu 100 % aus eigener Tasche. Das wird vielen Betrieben wirtschaftlich das Genick brechen. Und wollen wir wirklich warten, bis Gerichte uns zum Handeln zwingen? Wollen wir künftig noch mehr „Magdeburger Urteile“? Ich nicht!

Mithilfe der Borchert-Pläne werden wir die Veränderungen im Bereich Tier- und Umweltschutz schneller voranbringen. Dann kommen wir eher aus der Schusslinie. Für einen guten Vorschlag halte ich, dass wir ­einen Gesellschaftsvertrag eingehen. Dieser ist zwingend nötig, weil wir bei steigenden Tier- und Umweltstandards nicht am Weltmarkt bestehen können.

Ein bislang ungelöstes Problem ist das Thema Bau- und Genehmigungsfähigkeit von Zukunftsställen. Im Bau- und Umweltrecht müssen jetzt die Voraussetzungen für den Um- und Neubau von Tierwohlställen geschaffen werden. Insbesondere die SPD muss endlich ihre Blockadehaltung aufgeben.

Auch der sofortige Kupierverzicht beim Einstieg in die Stufe II ist nicht praktikabel. Wer garantiert mir als Sauenhalter, dass die Langschwanzferkel im Ferkelstall unversehrt bleiben? Und wer kauft Ferkel, die an- oder abgebissene Schwänze haben?

Meine Hoffnung ist, dass wir deutschen Landwirte mithilfe der Borchert-Kommission so lange am EU-Binnenmarkt wettbewerbsfähig bleiben, bis die Farm to Fork-Strategie der EU europaweit gleiche Voraussetzungen im Umwelt- und Tierschutz schafft.

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Jürgen Donhauser

Die Prämie drückt den Schweinepreis

Für mich ist der Borchert-Plan nicht akzeptabel. Denn mit der Tierwohlprämie begeben wir uns in die Abhängigkeit von staatlichen Zahlungen. Im Pflanzenbereich kennen wir dieses System mit der Kulturpflanzenprämie schon. Die Erfahrungen damit sind nicht positiv. Denn in den vergangenen 30 Jahren hat sich der Staat als Vertragspartner als absolut unzuverlässig erwiesen. Die Prämien wurden nach politischer Willkür ­gekürzt und zeitgleich die Anforderungen (Cross Compliance) für die Zahlungen je nach Mainstream verschärft.

Ich bleibe auch deshalb skeptisch, weil der von Herrn Borchert bzw. dem Deutschen Bauernverband formulierte Vergleich mit dem EEG falsch ist. Beim Borchert-Plan gibt es weder einen langfristigen, 20 jährigen Vertrag über die gesamte Amor­tisierungszeit, noch eine Abnahme­garantie für das erzeugte Produkt. Es gibt auch keinen festgesetzten Endpreis, sondern nur einen Aufschlag in Form einer Tierwohlprämie.

Diese stellt den gravierendsten Nachteil dar. Denn unsere Abnehmer – also Vion, Tönnies, Westfleisch und Co. – werden die Marktpreise schrittweise nach unten korrigieren, sobald staatliche Transferleistungen fließen. Sie werden sich mit Sicherheit nicht scheuen, auszutesten, wie tief sie den Vereinigungspreis drücken können. Wir brauchen deshalb ein Sicherheitsnetz nach unten. Das kann zum Beispiel die UTP-Richtlinie sein, die Verkäufe unter Herstellungskosten verbietet. Die Spanier haben das bereits umgesetzt.

Ich glaube auch nicht, dass der Borchert-Plan weitere Gerichtsurteile zur Nutztierhaltung verhindert. Denn die Definition von Tierwohl lässt einen breiten Interpretationsspielraum zu. Und dieser ist bei der urbanen Bevölkerung, die den Hund oder die Katze als Maßstab haben, anders als bei uns Nutztierhaltern. Es wird mit Sicherheit nie genug sein!

Vergessen dürfen wir auch folgendes nicht: Borchert macht zwar auf der einen Seite einen Kniefall vor dem Mainstream des Tierschutzes, vernachlässigt bzw. verschärft aber gleichzeitig andere Themen wie Klima und Umweltschutz. Die vermehrte Gabe von Raufutter z. B. erhöht die Methan- und Phosphorausscheidungen.

Der nächste Knackpunkt ist der Außenauslauf. Gerade für süddeutsche Schweinehalter wird der Auslauf der Todesstoß sein. Denn viele Betriebe im süddeutschen Raum liegen in Orts- oder Ortsrandlage. Kein Kommunal­politiker und keine Genehmigungsbehörde wird sich hinstellen und sagen, dass die Anwohner in Zukunft vermehrt Stallgerüche oder andere Emissionen dulden müssen. Es wäre ja eine Entscheidung zwischen Tierwohl und Menschenwohl.

Ausläufe sehe ich außerdem wegen der Seuchengefahr kritisch. Wir haben die ASP im Land und denken über Ausläufe nach? Das passt doch nicht zusammen. Und was machen wir, wenn die Salmonellenprobleme wieder zunehmen, weil Schadnager und Vögel lustig durch unsere Offenställe flitzen und fliegen? Dann sind wir Schweinehalter die Dummen! Oder werden wir von der Salmonellenverordnung entbunden?

Einen Appell habe ich noch an un­seren Bauernverband: Nehmt endlich uns Landwirte mit, führt eine Mitgliederbefragung durch. Dann habt ihr ein Stimmungsbild. Die Denkweise „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, ist veraltet und falsch.

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Thomas Döring

Eigene Kalkulationen auf den Tisch legen

Die Idee, sich mehr Tierwohl von der Gesellschaft bezahlen zu lassen, ist grundsätzlich richtig. Steigende Kosten müssen vom Kunden bezahlt werden. Das ist in allen Wirtschaftsbereichen so. Dennoch gibt es beim Borchert-Konzept noch Klärungsbedarf.

So muss zum Beispiel vertraglich festgeschrieben werden, das die Stufe II in einigen Jahren nicht in Ordnungsrecht überführt wird. Auch die Rechtsanwälte der Machbarkeitsstudie betonen dass, um die Förderfähigkeit des Borchert-Plans nicht zu gefährden. Denn was einmal im Gesetz steht, kann rein rechtlich nicht durch zusätzliche Ab­gaben bzw. Steuern quersubventioniert werden.

Betriebe, die zum Beispiel wegen des Naturschutzes nicht in Stufe II kommen, müssen Bestandsschutz erhalten. Für sie müssen Entschädigungszahlungen fließen.

Erheblichen Klärungsbedarf sehe ich noch bei den Ausgleichszahlungen. Bislang liegen nur die Zahlen zu den reinen Mehrkosten auf dem Tisch. Worüber dringend noch verhandelt werden muss, sind die einzelbetrieblich notwendigen Erstattungen. Damit meine ich unter anderem den betriebswirtschaftlichen Mehrwert.

Apropos Geld: Ich bin der Meinung, dass der Berufsstand eigene Kostenberechnungen vorlegen sollte. Bislang beruhen alle diskutierten Zahlen auf Berechnungen von Wissenschaftlern, Einschätzungen von Politikern usw. Das ist nicht gut und selten richtig. Allein die steigenden Baukosten – z. B. plus 40 % bei Stahl – werfen alle bislang gemachten Kalkulationen über den Haufen.

Deshalb fordere ich: Wenn die Vorschläge der Borchert-Kommission umgesetzt werden, dann müssen sie uns Landwirten faire Chancen eröffnen und dürfen keine Existenzen gefährden. Diese Gefahr sehe ich bei der Stufe II und höher. Hier wird die Grenze des Zumutbaren überschritten.

Eine weitere wichtige Baustelle ist das Thema Kommunikation. Wir brauchen dringend eine Infokampagne. Denn viele Bauern tappen im Dunkeln. So entstehen Unsicherheit und Fake News.

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Norbert Klapp

Wir verlieren unsere Wettbewerbsfähigkeit

Aus meiner Sicht muss das Konzept der Borchert-Kommission noch mal offen diskutiert werden. Mir wäre auch wohler, wenn ich allen Beteiligten glauben könnte, dass sie die Tierhaltung verbessern wollen. Doch ein nicht geringer Teil der Leute, die im Kompetenznetzwerk diskutieren, wollen die Nutztierhaltung abschaffen. Für mich sind manche Forderungen sogar ein Schlag ins Gesicht. Mein Offenfrontstall für rund 300 Mastschweine ist noch nicht ganz fertig und nun fordern die ersten Kri­tiker schon wieder einen Auslauf. Ich mache genau das, was die Tierschützer und die Gesellschaft wollen und trotzdem reicht es nicht.

Fakt ist, dass die zusätzlichen Haltungsauflagen mit einem Preisschild versehen werden müssen. Andernfalls befürchte ich, dass deutsche Schweinehalter den Wettbewerb mittelfristig verlieren. Wir halten den Spagat zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und dem freien Markt nicht ewig aus.

Mein Heimatland Hessen ist ein sehr negatives Beispiel dafür. Hier sank die Zahl der Zuchtsauen in den letzten zehn Jahren um die Hälfte. Das hält einige Personen im zuständigen Ministerium aber keinesfalls davon ab, ständig weitere Verschärfungen zu fordern.

Ich kritisiere an den Borchert-Plänen außerdem, dass durch überzogene Zielvorgaben versucht wird, die gerade erst beschlossene Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung auszuhebeln. Manche Regelungen haben für mich auch nichts mit mehr Tierwohl zu tun. Die fünfwöchige Säugezeit dient eher der Befriedigung des Egos von Tierhaltungsgegnern. Das ist fachlich grober Unfug und Tierquälerei.

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Dagmar Klingelhöller

Rahmenbedingungen jetzt lösen

Einem Mehr an Tierwohl steht aus meiner Sicht nichts entgegen. Entscheidend ist allerdings, dass die Tierhalter wettbewerbsfähig bleiben und ökonomisch erfolgreich arbeiten können. Momentan fehlen uns Schweinehaltern jedoch verlässliche Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Tierwohlmaßnahmen.

Die Politik ist sich parteiübergreifend zwar darin einig, dass künftige Tierwohlmaßnahmen nach den Ideen der Borchert-Kommission umgesetzt werden sollen. Wie wir aber ins Ziel kommen, darauf haben die politischen Hauptakteure bislang keine Antwort geliefert.

Seit Monaten wird über die Über­arbeitung des Bau- und Immissionsrechtes und die daraus folgende Genehmigungsfähigkeit von Tierwohl-Verbesserungsställen diskutiert. Auch über An- und Ersatzbauten mit Außenklimareiz, geringerem Viehbesatz je Hektar oder eine Tierproduktion mit eigener Futtergrundlage sprechen die Parteien. Eine Antwort, wie man die Anforderungen in der Praxis umsetzen kann, lässt aber auf sich warten. Einzelne politische Akteure blockieren Lösungen sogar komplett.

Ein ungelöstes Problem ist nach wie vor die Finanzierung der angedachten Maßnahmen. Wir Schweinehalter benötigen nicht nur einen Kostenausgleich, sondern auch die rechtliche und ökonomische Planungssicherheit von mindestens 20 Jahren. Und seien wir ehrlich: Derzeit sehen sich weder der Staat bzw. seine Verantwortungsträger, noch die Mitglieder der Wertschöpfungskette wie Schlachtunternehmen, Verarbeiter und der LEH in der Lage, eine so langfristige Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Genau diese Finanzierungssicherheit ist aber Grundvoraussetzung für eine zukunftsorientierte deutsche Tierhaltung. Wir deutschen Schweinehalter fordern von der Politik ein glasklares und verlässliches Bekenntnis zum Produktionsstandort Deutschland. Auch unsere Interessenverbände müssen dafür sorgen, dass wir endlich verlässliche Zusagen bekommen. Gleichzeitig muss Schluss damit sein, die Tierhaltung immer weiter über das Ordnungsrecht zu reglementieren.

Geschieht jetzt nichts, wird der Lebensmitteleinzelhandel seine Regale in Zukunft mit Produkten aus dem europäischen Ausland und vom Weltmarkt füllen müssen. Dem Verbraucher wird dann eine heile Einkaufswelt suggeriert, die mit der Wirklichkeit aber nichts zu tun hat.

Mein Appell an alle Verantwortungsträger aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft lautet: Sorgt für kosten­deckende Bauförderprogramme, Genehmigungserleichterungen, eine klare Haltungs- und Herkunftskennzeichnung sowie Erzeugerpreise, die sich an den tatsächlichen Produktionskosten orientieren.

Wenn die Voraussetzungen stimmen, sind wir Landwirt gerne bereit, die Haltungsbedingungen weiterzuentwickeln.

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Dieter Pulverman

Kriterien schießen teils übers Ziel hinaus

Wir halten 300 Sauen im Geschlossenen System und setzen bereits jetzt verschiedene Tierwohlmaßnahmen um. Ich halte es für richtig und wichtig, die Haltungsbedingungen zu verbessern, wenn es Belege dafür gibt, dass die Maßnahmen den Tieren gut tun.

Mehr Platz und mehr Bewegungs­freiheit sind grundsätzlich positiv für die Schweine. Doch der Teufel steckt im Detail. Sind mindestens 47 % mehr Platz in Stufe II in der Aufzucht und Mast wirklich nötig? Das treibt die Kosten doch extrem nach oben.

Wenig begeistert bin ich auch davon, dass wir künftig noch mehr am finanziellen Tropf der Politik hängen. Wenn unser Kapitaleinsatz durch höhere bauliche Vorgaben steigt, wären verlorene Zuschüsse das Mittel der Wahl. Die Zuschüsse müssen sich dabei immer an den tatsächlichen Kosten orientieren.

Reden müssen wir zudem über die angedachte Futterflächenbindung. Kooperationen mit flächenstarken Betrieben müssen auch in Zukunft weiterhin möglich sein. Und wir brauchen Flexibilität bei den Gesellschaftsformen und die Förderung von Wachstum muss weiterhin erlaubt sein.

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K O M M E N T A R

Erklärt den Bauern, was Ihr vorhabt!

Der Borchert-Plan steckt in einer ­entscheidenden Phase. Die Machbarkeitsstudie und die Folgenabschätzung haben gezeigt, dass die Vorschläge des Kompetenzkreises Nutztierhaltung umsetzbar sind. Auch für die Finanzierung liegen Lösungswege auf dem Tisch.

Jetzt gilt es, auf die Tube zu drücken und die Details zu klären. Hier steht Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in der Pflicht. Sie, die sich bei öffentlichen Auftritten immer allzu gern vor die Bauern stellt, muss endlich ­beweisen, dass sie auch außerhalb des Rampenlichts für ihre Bauern kämpft. Klöckner muss vor dem anstehenden Wahlkampf endlich Pflöcke einschlagen und die Leitplanken für das Borchert-Projekt festschrauben.

Aber auch die Initiatoren selbst sind gefragt. Sie müssen den Bauern schnellstens erklären, was sie vorhaben. Denn die Skepsis an der Basis ist momentan riesengroß. Und wenn die Landwirte nicht verstehen, was auf sie zukommt, wenden sie sich ab. Genau das darf aber nicht passieren. Das Projekt Borchert-Plan braucht den breiten Rückhalt der Landwirte. Fehlt dieser, können wir uns jede weitere Mühe sparen.

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