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Pigport: Stallkonzept für die Zukunft?

Das Tierwohl wird in Mastställen künftig eine viel größere Rolle spielen. Beim Stallkonzept Pigport war das schon immer der Fall. top agrar hat zwei „Pigport-Mäster“ besucht.

Lesezeit: 11 Minuten

Das Tierwohl wird in Mastställen künftig eine viel größere Rolle spielen. Beim Stallkonzept Pigport war das schon immer der Fall. top agrar hat zwei „Pigport-Mäster“ besucht.


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Was wird das denn? Mancher Schweinehalter rieb sich verwundert die Augen, als vor über 20 Jahren die ersten Pigport-Ställe gebaut wurden. Einfache Pultdachkonstruktionen aus Holz, freie Belüftung, große Festflächen und Liegekisten im Stallinnern sowie Ausläufe an den Längsseiten waren die Markenzeichen der Pigports.


Geboren wurde das Stallkonzept in Süddeutschland. Mittlerweile stehen aber auch in den Veredelungshochburgen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Pigport-Offenfrontställe. Deutschland- und europaweit sollen es rund 100 Ställe sein, erklärt Rudolf Wiedmann, der das Stallkonzept federführend entwickelt und immer weiter optimiert hat. „Und spätestens seit der Diskussion um mehr Tierwohl steigt das Interesse an dem Stallkonzept stark an“, berichtet der ehemalige Berater der Landesanstalt für Schweinezucht im baden-württembergischen Boxberg.


40% offen für Offenfrontstall


Eine aktuelle top agrar-Umfrage bestätigt Wiedmanns Aussage. 40% der Teilnehmer antworteten, dass sie sich vorstellen können, künftig einen Offenfrontstall, wie z.B. den Pigport, zu bauen. Und wenn man mit Mästern über Stallkonzepte der Zukunft diskutiert, fällt immer wieder auch der Name des Pigports.Doch wie gut funktionieren Pigport-Ställe in der Praxis? Ist der Stalltyp zukunftsfähig? Und worauf muss man achten, damit die Mast rund läuft? top agrar hat sich bei zwei süddeutschen Mästern umgehört, die zum Teil seit vielen Jahren Erfahrungen mit Pigport-Ställen gesammelt haben.



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Handel sucht Pigport-Schweine


Matthias Brandmeir und Ulrike Steger bewirtschaften 3 000 Pigport-Mastplätze. Das Fleisch vermarkten sie an die Handelskette Kaufland.


Ulrike Steger ist Quereinsteigerin in die Landwirtschaft und betrachtet viele Dinge deshalb gerne auch von einem anderen Standpunkt aus. So war es auch, als sie und ihr Mann Matthias Brandmeir sich Anfang 2000 erste Gedanken zur weiteren Entwicklung des Hofes machten.


„Wir wollten die Schweinemast erweitern, dabei den Fokus aber nicht nur auf die Mast- und Schlachtleistungen sowie die Arbeitseffizienz legen. Uns war das Tierwohl, das viele Verbraucher heute fordern, ebenso wichtig. Die Tiere sollten Auslauf haben und Stroh bekommen“, erklärt die gelernte Pädagogin aus dem bayerischen Affing in der Nähe von Augsburg.


Sechs Pigports


Im Rahmen eines Fortbildungsseminars und zahlreichen Stallbesuchen informierten sich beide intensiv über das Pigport-Stallkonzept. „Wir wollten nicht die Katze im Sack kaufen, sondern von Berufskollegen wissen, worauf wir uns einlassen“, macht Ulrike Steger deutlich.


Nach dem mehrmonatigen Informationsmarathon stand dann sehr schnell fest, dass der nächste Maststall ein Pigport wird. Und bereits Ende 2002 war der Stall mit 500 Mastplätzen bezugsfertig. Heute, 15 Jahre später, bewirtschaftet das Ehepaar auf zwei Standorten 3 000 Mastplätze in sechs Pigport-Ställen. Hinzu kommen 1 100 Tiere, die in einem ca. 40 Jahre alten konventionellen Stall gemästet werden.


Alle Pigports sind identisch aufgebaut. An der Nordseite der jeweils 70 m langen Gebäude liegt der 1 m breite Kontrollgang. Links davon befindet sich der planbefestigte Liegebereich mit den Ruhekisten. Jeder Ruhebereich ist 3,5 m tief und 2,5 m breit. Ein Foliendeckel, den das Betriebsleiterehepaar elektrisch hoch- und runterfahren kann, schützt die Mastschweine vor Zugluft.


Ebenfalls im Innern des Gebäudes befindet sich der 2 m tiefe und mit Ökobetonspalten ausgelegte Fressbereich, hier steht auch der Futtertrog für die Sensor-Flüssigfütterung. Durch eine Wandöffnung betreten die Schweine den 5 m tiefen, mit Vollspaltenboden ausgelegten Außenauslauf.


Heizung im Boden


Gelüftet werden die sechs Ställe mittels Schwerkraftlüftung. Die Zuluft strömt über ein überdimensionales Wandventil, das an der gesamten Längsseite des Stalles entlangläuft, ins Gebäude. „Die ca. 2,5 m hohe Stellklappe ist auf halber Höhe gelagert und kippt nach innen weg, wenn mehr Luft in den Stall strömen soll“, erklärt Matthias Brandmeir das einfache Funktionsprinzip. Auf der gegenüberliegenden Seite kann er an heißen Sommertagen zusätzliche Lüftungsklappen öffnen, sodass noch mehr frische Luft quer durch den Stall strömt.


Beheizt wird der Stall nicht, nur in der Liegefläche ist eine Fußbodenheizung eingebaut. „Diese besteht aus drei Heizsträngen, die wir nach dem Einstallen der neuen Ferkel für maximal zwei Wochen anstellen. So machen wir den Tieren den Liegebereich schmackhaft und sorgen dafür, dass die Schweine die Festfläche sauber halten“, erklärt Matthias Brandmeir. Mithilfe der Fußbodenheizung gelingt es ihm auch, kranke Tiere schneller zu finden. Der Unternehmer lässt einfach den Heizstrang an, der am Gang entlangläuft. „Kranke Schweine ziehen sich hierher zurück, dadurch erkenne ich die Tiere sofort“, berichtet Brandmeir zufrieden.


In puncto Leistung können die Schweine aus den sechs Pigport-Ställen locker mit den Tieren aus dem konventionellen Stall mithalten. Die Tageszunahmen liegen bei 850 g, die Futterverwertung bei 1 : 2,78 und die Verluste bei 1,5 %. Mit den biologischen Leistungen sind Matthias Brandmeir und Ulrike Steger gut zufrieden, nur die Verlustrate ist beiden zu hoch. Einen Grund dafür haben sie bereits gefunden: „Seit der Einführung der Antibiotika-Datenbank steigen die Verluste. Das Problem ist, dass wir Landwirte jetzt seltener Antibiotika einsetzen, um die Grenzwerte einzuhalten. Der gewissenhafte Einsatz ist einerseits zwar richtig und sinnvoll, der Gesetzgeber muss aber auch darauf achten, dass er mit der Antibiotika-Datenbank nicht die falschen Akzente setzt. Denn kranke Tiere müssen behandelt werden“, appelliert die Unternehmerin an die Politik.


LEH will die Schweine


Auch finanziell sind die Pigports für Ulrike Steger und Matthias Brandmeir interessant. Inklusive der Erschließung des neuen Standortes und des Kaufs einer neuen Flüssigfütterung für alle sechs Ställe

haben sie gut 400 € pro Mastplatz bezahlt. Heizkosten entstehen nicht, weil sie die Abwärme aus der betriebseigenen Biogasanlage nutzen. Und der Stromverbrauch ist sehr gering, da nur ein paar Stellmotoren laufen. „Im Ringvergleich liegen wir mit unserer Direktkostenfreien Leistung im oberen Mittelfeld“, freut sich Matthias Brandmeir.


Dass die Investition in die Pigports richtig war, steht für Familie Brandmeir-Steger auch deshalb außer Frage, weil die Tierwohl-Schweine bei Abnehmern hoch im Kurs stehen. „Uns spielt die ganze Diskussion um mehr Tierwohl in die Hände. Denn wir bieten mit unserem Stallkonzept genau das, was der Lebensmittelhandel will“, erklärt Ulrike Steger.


12 € Aufschlag


Käufer der Tiere ist das Unternehmen Kaufland. Wöchentlich werden 150 Mastschweine über die Erzeugergemeinschaft Franken-Schwaben an die Supermarktkette geliefert. Gemeinsam mit Kaufland haben Ulrike Steger und Matthias Brandmeir im Vorfeld eine Kriterienliste aufgestellt, die sie einhalten müssen. Vereinbart wurde u. a., dass jedem Schwein 1,4 m2 Fläche zur Verfügung stehen, dass die Tiere täglich etwas Stroh als Beschäftigungsmaterial erhalten und Außenauslauf bekommen. Für ihren Mehraufwand erhalten die Landwirte momentan einen Bonus von 12 € pro Schwein.


„Mit Kaufland läuft die Zusammenarbeit gut. Gemeinsam konnten wir zum Beispiel festlegen, welche Tierwohl-Kriterien in unserem Stall sinnvoll sind. Starre Vorgaben gibt es bei deren Konzept nicht, das Unternehmen versucht auf die Bedürfnisse der Landwirte einzugehen“, lobt Matthias Brandmeir die Zusammenarbeit.


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Sehenswerter Außenklimastall


Familie Ehrmann hat sich bewusst für einen Pigport-Stall entschieden. Beim Bau wurde viel Wert auf die Optik gelegt.


Wenn wir in die Mast einsteigen, dann bauen wir einen Außenklimastall. Denn uns hat die offene Bauweise immer schon gut gefallen, weil sie dafür sorgt, dass viel Licht und Luft in den Stall kommt“, erzählen die Ferkelerzeuger Günter, Andrea und Florian Ehrmann aus Brettheim bei Crailsheim.


Seit März 2017 steht ihr erster Außenklimastall. Unweit der Hofstelle, auf der 220 Sauen inklusive Ferkelaufzucht stehen, hat die Familie einen Pigport-Maststall mit 600 Plätzen bezogen. Weitere 880 Plätze sind genehmigt.


Ansprechende Optik


Viel Wert hat Familie Ehrmann beim Bau auf die Optik des Gebäudes gelegt. Das Dach wird von einer Holzkonstruktion getragen, die gemauerten Außenwände und Giebel wurden nachträglich verputzt und weiß gestrichen. Die äußere Begrenzung des Außenauslaufs besteht aus Sichtbeton. Zusätzlich sind hier bodentiefe Fenster eingelassen, durch die die Schweine nach draußen schauen können. „Uns war wichtig, dass sich der neue Stall gut in die Landschaft einfügt und wir Baumaterialien einsetzen, die stabil sind und lange halten. Wir wollten keine Bretterbude bauen“, berichtet Günter Ehrmann.


Ein weiteres Markenzeichen sind die sauber vergurteten Windschutznetze im Auslauf. Diese mussten Ehrmanns nachrüsten, weil der Stall auf einer Anhöhe mitten im freien Feld liegt und dort immer ein frischer Wind bläst.

Auch im Stall ist alles tipptopp. Die 1 m-hohen Buchtentrennwände wurden aus Beton gegossen, darauf steht die Dachkonstruktion. Der Vorteil ist, dass die Schweine die Holzkonstruktion nicht beschädigen können. Das Dach besteht aus GFK-beschichteten Sandwichpaneelen, die sich einfach reinigen lassen und nicht rosten. Den Deckel über dem Liegebereich haben Ehrmanns aus kunstoffbeschichteten Leichtbauplatten gefertigt, die auch im Lüftungsbau zum Einsatz kommen.


Das alles hat seinen Preis. Inklusive Erschließung und Güllebehälter hat der Stall gut 500 € pro Mastplatz gekostet.


50 % Festflächenanteil


Die Hälfte der Buchtenfläche im Stall ist planbefestigt und weist ein Gefälle von 5 % auf. „Wir haben diesen hohen Festflächenanteil eingebaut, weil wir unsere Schweine über die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall (BESH) vermarkten. Und die schreibt mindestens 50 % Festfläche bezogen auf den Innen- und Außenbereich vor“, erläutert Florian Ehrmann die Hintergründe.


Damit die Buchten sauber bleiben, halten Ehrmanns einige Spielregeln ein:

  • Vor dem Einstallen wird die Fußbodenheizung angestellt, sodass die Ferkel eine warme Liegefläche vorfinden. Ein 8 kW-Heizstab erwärmt das Wasser, das durch die Leitungen fließt.
  • Alle Buchten werden für die ersten 30 bis 40 Masttage doppelt belegt.
  • Die neuen Ferkel bleiben nach dem Einstallen grundsätzlich für 10 bis 30 Minuten im Auslauf eingesperrt. Dadurch lernen sie, draußen abzukoten.


„Die Spielregeln bzw. erzieherischen Maßnahmen sind ein ganz wichtiger Bestandteil des Haltungskonzeptes. Wenn wir diese einhalten, bleibt die Festfläche die meiste Zeit des Jahres sauber. Nur am Rand der Buchten und in den Übergangszeiten kommt es hin und wieder zu Verschmutzungen, die wir aber im Griff haben“, schildert Günter Ehrmann seine Erfahrungen.


Auch der Einsatz von Stroh hat einen positiven Einfluss auf die Sauberkeit der Festflächen. Und im Vermarktungsprogramm der BESH ist Stroh ohnehin vorgeschrieben. Ehrmanns werfen in jede Bucht täglich zwei bis drei Hände Stroh. Zusätzlich befüllen sie die Strohraufen, die in allen Buchten nahe der Stirnseite hängen. „Die Strohvorlage macht zusätzliche Arbeit, der Aufwand ist aber überschaubar, weil wir das Stroh während der Tierkontrolle in einem Futterkuli mitnehmen und einfach über die Buchtenwand werfen“, berichtet Florian Ehrmann.


Der junge Landwirt verweist aber auch darauf, dass die Strohbergung und Lagerung nicht zu unterschätzen sind. „Machen wir uns nichts vor, der Einsatz von Stroh kostet Zeit und Geld. Weitere Probleme können entstehen, wenn die Strohqualität mal nicht so gut ist“, gibt Florian Ehrmann ehrlich zu. Und schließlich ist das Thema Staubbelastung nicht zu unterschätzen. Auf der Abdeckung über dem Liegebereich bildet sich jedenfalls mit der Zeit eine dicke Staubschicht.


Schieberentmistung


Reibungslos arbeitet die vollautomatische „biologische und technische Entmistungsanlage“. Diese funktioniert wie folgt: Die Schweine arbeiten das Stroh dank des 5 %igen Gefälles größtenteils von alleine durch einen Schlitz unterhalb des ca. 15 cm höher liegenden Güllekellers. Dort fördert es ein Seilschieber dann automatisch in die Vorgrube. „Wenn eine Bucht mal stärker verschmutzt wird, schieben wir den nassen Mist per Hand in den Kanal. Das kommt glücklicherweise aber nur selten vor“, betont Günter Ehrmann.


Auch in den beiden Kanälen im Auslauf arbeiten Unterflurschieber. Der Boden weist hier sowohl in Längs- als auch in Querrichtung ein leichtes Gefälle auf, in der Mitte ist je eine Rinne einbetoniert. „Dank des Gefälles und der Rinne trennen wir Kot und Harn, so reduzieren wir den Geruch und es entsteht weniger Ammoniak. Das ist gut für die Tiergesundheit und schont die Umwelt“, hebt Florian Ehrmann hervor.


Sehr zufrieden ist die Familie mit der Vermarktung der Pigport-Schweine. Die BESH bezahlt ihnen einen Bonus von 40 Cent je kg Schlachtgewicht. „Der Bonus erscheint auf den ersten Blick recht hoch, aber wir brauchen ihn, weil wir den Tieren deutlich mehr Platz bieten als üblich und GVO-freies Futter einsetzen. Allein das Donausoja kostet 14 € pro dt mehr als herkömmliches Sojaschrot“, so Günter Ehrmann.



Schönes Detail: Über ein bodentiefes Fenster können die Schweine nach draußen schauen.

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