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Prof. Schnieke: „Tiergesundheit hat oberste Priorität“

Welche Chancen und Risiken das CRISPR/Cas-Verfahren für die europäische Schweinehaltung birgt, erklärt Nutztierbiotechnologin Prof. Angelika Schnieke im top agrar-Interview.

Lesezeit: 5 Minuten

Was verbirgt sich hinter der Abkürzung CRISPR/Cas?

Prof. Schnieke: CRISPR/Cas ist eine Methode der Gentechnik, die man auch als molekulare Schere oder Genome-editing kennt. Die Abkürzung steht für „Clustered regularly interspaced short palindromic repeats“. Ursprünglich stammt das CRISPR/Cas-System von Bakterien, die dieses Werkzeug zur Immunabwehr gegen Viren nutzen. Das eindringende Virus wird erkannt und zerstört, indem das Bakterium bestimmte Bereiche der DNA zerschneidet. Der natürliche Reparaturmechanismus der Zelle fügt die DNA wieder zusammen. Diese Methode machen wir uns zunutze, um im Erbgut ganz spezifische Bereiche zu verändern. Das funktioniert nicht nur bei Bakterien, sondern auch bei Tieren und Pflanzen. Der Vorteil von CRISPR/Cas liegt darin, dass wir den Zuchtfortschritt enorm beschleunigen und Merkmale innerhalb von ein paar Generationen gezielt verändern können.

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Gibt es beim Schwein schon Beispiele, wie das Erbgut per CRISPR/Cas verändert wurde?

Prof. Schnieke: Ja, in der Forschung wird CRISPR/Cas schon weltweit bei Schweinen angewendet. Es wird daran geforscht, Schweine resistent gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) zu machen. Man kann das Erbgut von ASP-resistenten Wildschweinen aufschlüsseln, um herauszufinden, welche Stelle in der DNA für die Resistenz verantwortlich ist. Diese Stelle könnten wir dann in unsere Hausschweine einfügen. Mit CRISPR/Cas können Wissenschaftler auch den Ebergeruch verhindern, indem sie die sexuelle Reife von Ebern verzögern oder ausschalten. In den USA und in Schottland haben Kollegen bereits PRRS-resistente Ferkel erzeugen können. Ein weiteres Beispiel ist die Zucht auf braunes Fettgewebe in China. Im Gegensatz zu den meisten Säugetieren besitzen Schweine kein wärmendes, braunes Fettgewebe. Schuld ist ein Gendefekt. Darum sind Ferkel in den ersten Lebenswochen so kälteempfindlich. Repariert man dieses Gen, würden Schweine wieder braunes Fettgewebe entwickeln und wären dadurch weniger kälteempfindlich.

Wo sehen Sie in Zukunft wichtige Anwendungsmöglichkeiten?

Prof. Schnieke: Ich denke, die höchste Priorität liegt darin, das Tierwohl und die Tiergesundheit weiter zu verbessern. Der Fokus sollte auf krankheitsresistenten Schweinen liegen und nicht darauf, die biologischen Leistungen der Tiere weiter zu steigern. Dies würde sicherlich auch auf eine bessere Akzeptanz in der Gesellschaft stoßen. Bewirkt eine Veränderung im Genom, dass das Schwein resistent gegen bestimmte Krankheiten ist, bedeutet das ein verbessertes Tierwohl. Und genau das fordert ja der Verbraucher.

Welche Risiken birgt das CRISPR/Cas-Verfahren in der Tierzucht?

Prof. Schnieke: Risiken sind sogenannte „Off-Targets“. Hier schneidet die molekulare Schere ungewollt an einer weiteren Stelle im Genom, die der eigentlichen Ziel-Schnittstelle, dem Target, sehr ähnlich ist und fügt dort ebenfalls eine Mutation ein − mit möglicher unbekannter Wirkung. Solange wir das gesamte Genom kennen, können wir mit Computer-Programmen die Stellen lokalisieren, die als zusätzliches Target infrage kommen und dann überprüfen. Man kann bei Zuchtebern für etwa 300 bis 400 € das gesamte Genom aufschlüsseln lassen und es auf mögliche weitere Targets überprüfen. Derzeit laufen an der TU München und auch in weiteren deutschen Forschungseinrichtungen Projekte, um die Risiken der CRISPR/Cas-Methode genauer abzuschätzen.

Werden Genom-editierte Schweine und deren tierische Produkte auch früher oder später auf dem europäischen Markt landen?

Prof. Schnieke: Das lässt sich schwer voraussagen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermarktung sind unklar. Und auch die Akzeptanz der Verbraucher spielt eine große Rolle.

Sofern keine fremden Gene eingefügt wurden, lässt sich das Erbgut von CRISPR/Cas-Tieren nicht von konventionell gezüchteten Schweinen unterscheiden. Wie müsste man Fleisch von diesen Tieren kennzeichnen?

Prof. Schnieke: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Juli 2018 gelten Genom-editierte Tiere laut Gentechnikgesetz als gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Solche Produkte müssen entsprechend zugelassen und gekennzeichnet werden. Laut Gentechnikgesetz liegt ein GVO vor, wenn genetisches Material so verändert wurde, wie es natürlicherweise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich wäre. Bei CRISPR/Cas können diese Veränderungen jedoch genauso auch in der Natur vorkommen. Hier müsste man also differenzieren und könnte z.B. „Verbesserte Tiergesundheit durch Genome-editing“ auf solche Produkte schreiben.

Können wir Europäer es uns leisten, uns nicht mit CRISPR/Cas zu beschäftigen?

Prof. Schnieke: Nein, das können wir uns nicht leisten. Denn CRISPR/Cas ist ein Werkzeug, dass weltweit nicht mehr wegzudenken ist. In der Forschung sind wir nicht limitiert, wenn wir mit dieser Methode arbeiten. Im Wirtschaftssektor ist das jedoch anders. Es ist gut möglich, dass Europa aufgrund der Gesetzeslage den Anschluss verliert, wenn z.B. ein Zuchtunternehmen seine CRISPR/Cas-veränderten Tiere in Europa nicht vermarkten darf oder Landwirte solche Nutztiere nicht halten dürfen, während andere Länder außerhalb der EU von den Innovationen profitieren.

Wo besteht aus Ihrer Sicht politischer Handlungsbedarf?

Prof. Schnieke: Das Gentechnikgesetz der EU passt nicht mehr zum aktuellen Stand der Wissenschaft und sollte überarbeitet werden. Wir brauchen in der EU klare Definitionen und gesetzliche Regeln für Tiere und Pflanzen, die durch Genome-editing und insbesondere CRISPR/Cas verändert wurden. Ein generelles Verbot dieser molekularbiologischen Verfahren halte ich nicht für sinnvoll. Agrarländer wie die USA, China oder Brasilien entscheiden z.B. von Fall zu Fall, wie mit Genom-editierten Tieren und Pflanzen umzugehen ist. Eine solche Regelung halte ich auch in der EU für sinnvoll.

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