Die Reaktionen auf das Rechtsgutachten zur Schweinehaltung (vgl. Meld. 4.5.2017) fallen zahlreich aus. Die ISN warnt vor noch mehr Rechtsunsicherheit für Schweinehalter. Die AbL erhofft sich die Durchsetzung einer artgerechteren Mastschweinehaltung. Der Tierschutzbund fühlt sich in seinem Rückzug aus den Tierwohlinitiativen bestätigt.
DieInteressengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hält das am Mittwoch veröffentlichte und im Auftrag von Greenpeace erstellte Rechtsgutachten zur Mastschweinehaltung für „in keiner Weise nachvollziehbar.“ Dem Vorwurf von zu wenig Kontrolle in der Schweinehaltung stellt die ISN entgegen: „Die Regelungs- und Kontrolldichte in der Schweinehaltung in Deutschland ist sehr hoch. Verbesserungspotential ist da und daran wird mit Hochdruck gearbeitet“.
Weiter kritisiert die ISN die Praxis von Stalleinbrüchen und die Beschaffung von heimlichen Videomaterial. Greenpeace hatte bei der Veröffentlichung des Rechtsgutachtens ein zweiminütiges Video mit Stallaufnahmen gezeigt. Darin waren Schweine zu sehen, die auf stark verkoteten Teilspalten stehen, starke Verletzungen von Schwanzbeißen, Gelenkentzündungen oder Augenentzündungen aufweisen. Die Bilder seien Greenpeace anonym zur Verfügung gestellt worden, hatte die Greenpeace über die Herkunft der Videos verraten. Sie seien in acht verschiedenen Betrieben aus einer Region mit hoher Schweinedichte in Niedersachsen entstanden, hieß es in der Pressekonferenz. Da mehrere Betriebe betroffen seien, gehe Greenpeace davon aus, dass diese Videos den Alltag aus Schweineställen zeigten, hieß es. „Es handelt sich für mich nicht um einzelne schwarze Schafe sondern um ein systemisches Problem“, sagte Stephanie Töwe-Rimkeit von Greenpeace dazu.
Die von Greenpeace vorgeschlagene Normenkontrollklage wird aus Sicht der ISN zu noch mehr Rechtsunsicherheit bei den Tierhaltern führen und jegliche Bemühungen zur Weiterentwicklung der Tierhaltung unterwandern. „Das rechtliche Vorgehen von Greenpeace führt zu einem klaren Ergebnis: Nicht zu mehr Tierwohl in Deutschland sondern zur Produktionsverlagerung ins Ausland“, so die ISN. Viele Landwirte seien bereit ihre Ställe hin zu mehr Tierwohl umzurüsten, würden aber an komplexen genehmigungsrechtlichen Hürden scheitern. Konflikte gebe es vor allem mit dem Immissionsschutz, so die ISN.
DieArbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingegen unterstützte das Rechtsgutachten von Greenpeace. Die EU-Schweinehaltungs-Richtlinie mit ihrer Forderung nach Stroheinstreu und einem Verbot des Ringelschwanz-Kupierens sei in Ländern wie Norwegen, Schweden, Litauen, Österreich oder der Schweiz längst erfolgreich umgesetzt, so die AbL. Deutschland müsse eine rasche trilaterale Vereinbarung der Haupterzeugungsländer gemeinsam mit den Niederlanden und Dänemark und ein ausreichend finanziertes Umbauprogramm auf den Weg bringen. Angesagt sei ein umfassendes Umbauprogramm der Ställe auf arbeitsrationelle Strohhaltungssysteme, sagte der AbL-Vertreter Eckehard Niemann.
Weil mit dem Umbau auf tiergerechtere Haltung mit mehr Platz automatisch auch ein deutlicher Abbau der seit langem erzeugerpreisdrückenden Fleisch-Überschüsse verbunden sei, bringe dieses „Klasse statt Masse“ nicht nur gesellschaftliche Akzeptanz, sondern vor allem auch endlich ausreichende Erzeugerpreise, so Niemann weiter. Flächenverbundene und gut strukturierte, mittelständische Familienbetriebe mit ihrer Möglichkeit zur eigenen Werbung guten Strohs und mit ihrer hohen Motivation könnten zudem eine solche Haltung weitaus besser umsetzen als agrarindustrielle Megaställe und Konzerne, so die AbL weiter.
Der Deutsche Tierschutzbund (DTB)fordert ein Handeln des Gesetzgebers gemäß dem Rechtsgutachten. Er sieht sich aufgrund der Schlussfolgerungen des Gutachtens bestätigt, dass es gesetzlichen Nachbesserungsbedarf bei der Haltung von Schweinen gibt. Zugleich bestätige das Rechtsgutachten die Einschätzung der Tierschützer, wonach die Initiative Tierwohl ein verbrauchertäuschender Versuch ist, Initiativen des Gesetzgebers abzufangen, heißt es beim Tierschutzbund.
„Wir wissen, dass es viele umstellungsbereite Landwirte gibt. Diese brauchen auch eine Perspektive, wenn es zum Beispiel darum geht, in welche zukunftsfähigen Stallformen investiert werden sollte. Da ist die Bundesregierung ebenso eilig gefordert, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen Klarheit zu schaffen - und das im Konsens mit Tier- und Umweltschutz und dem gesellschaftlichen Mehrheitswunsch“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
Den in der Mastschweinehaltung üblichen konventionellen Warmställen mit Vollspaltenböden bescheinigt Schröder „kaum Entwicklungspotential für einen Umbau zu tiergerechten Systemen“. Aus seiner Sicht fehlt es nach wie vor an längst überfälligen gesetzlichen Änderungen.