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Regional vermarkten zu fairen Preisen

Familie Renz aus dem baden-württembergischen Ehingen vermarktet das Fleisch ihrer Sattelschweine regional. Abnehmer sind fünf Edeka-Frischemärkte, lokale Metzger und Feinkostläden.

Lesezeit: 8 Minuten

Wir waren es damals leid, unsere Schweine am Schlachthof nur abzuliefern. Wir wollten sie stattdessen zu einem auskömmlichen Preis selbst vermarkten“, erinnert sich Nebenerwerbslandwirt Guido Renz aus dem baden-württembergischen Ehingen-Deppenhausen noch genau.

Vor rund zehn Jahren begann der 48-jährige, der sein Geld im Haupterwerb mit der Projektierung und Leitung von Bauvorhaben verdient, deshalb damit, den elterlichen Betrieb seiner Frau Karin mit Ackerbau und Schweinehaltung auf nachhaltige Produktion und regionale Vermarktung umzustellen.

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Deutsches Sattelschwein

Im ersten Schritt hielt er Ausschau nach einer robusten, züchterisch wenig bearbeiteten Genetik, mit der er bei Fleischqualität und Geschmack punkten kann. Fündig wurde er schließlich bei dem ursprünglich im Nordosten Deutschlands beheimateten Deutschen Sattelschwein. Eine genügsame und fruchtbare Rasse, die sich durch einen hohen intramuskulären Fettgehalt und eine ordentliche Speckauflage auszeichnet. Denn Fett ist nun mal der Geschmacksträger beim Fleisch.

Mittlerweile ist Familie Renz Basiszuchtbetrieb für diese selten gewordene Schweinerasse. Bundesweit gibt es nur noch 250 Herdbuchsauen, ein Teil davon steht in den Ställen des „Schirmerhofes“ am Fuße der Schwäbischen Alb.

Belegt werden die Sauen mit Sperma von Piétrainebern. „Die Endprodukte vereinen dadurch eine hohe Fleischqualität und einen akzeptablen Muskelfleischanteil mit einem hohen Gehalt an intramuskulärem Fett“, lobt Tochter Stefanie Renz die Vorteile der Kreuzungsprodukte. Die 22-jährige schließt in Hohenheim gerade ihr Masterstudium in Agrarwissenschaften ab und ist im vergangenen Jahr mit in den elterlichen Betrieb eingestiegen.

Anfangs wurden die Schweine vom Schirmerhof der Familie Renz ausschließlich von zwei Metzgern aus der Region zerlegt bzw. verwurstet. Seit sechs Jahren wird ein Großteil der Mastschweine aber auch von dem mittelständischen Fleischverarbeiter Thomas Kurz aus Schorndorf veredelt.

Familie Renz transportiert die Tiere mit dem eigenen Pkw-Anhänger zum Metzgerschlachthof Göppingen, damit die Schweine möglichst wenig Stress ausgesetzt sind und die Fleischqualität nicht leidet. Vom Schlachthof holt dann die Firma Kurz die Hälften ab. Das Unternehmen ist als zertifizierter, EU-zugelassener Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb seit mehr als 30 Jahren Partner der Firma Gebauer. Anschließend werden die Fleisch- und Wurstwaren in den fünf Edeka-Frischemärkten von Gebauer vermarktet.

Über 50 regionale Erzeuger

Der Kontakt mit Gebauer kam eher zufällig durch einen Metzger von der Schwäbischen Alb zustande. „Wir haben großes Interesse an regionalen Produkten und Spezialitäten“, betont Rolf Drohmann, Prokurist und bei Gebauer zuständig für den Einkauf und Vertrieb von Frischeprodukten. Die Fleisch- und Wurstprodukte vom Schirmerhof werden dort unter dem Label „Porcinusa“ verkauft. Das ist der lateinische Begriff für Schweinefleisch.

Der Edeka-Markt in Filderstadt ist der größte der fünf Gebauer-Frischemärkte in der Region. Auf 5000 m² Verkaufsfläche werden allein hier wöchentlich 15000 bis 17000 Kunden bedient. Zu den Lieferanten gehören neben Familie Renz noch 50 weitere regionale Erzeuger von Obst, Gemüse, Milch sowie Fleisch- und Wurstprodukten. „In unserem Markt in Filderstadt machen die lokalen Produkte bei den Frischeprodukten inzwischen 30% des Umsatzes aus. Die Kunden schätzen die regionale Herkunft. Sie ist ihnen wichtiger als jedes noch so bunte Haltungs- oder Tierwohllabel“, erläutert Einkaufsleiter Rolf Drohmann.

Abgerechnet werden die Sattelschweine nach Schlachtgewicht. „Allerdings nicht nach Abrechnungsmaske, denn dabei würden unsere Tiere aufgrund des höheren Fettanteils zu schlecht abschneiden“, gibt Stefanie Renz zu bedenken. „Das Geschäftsmodell funktioniert nur dann, wenn die Zusammenarbeit für alle drei Parteien – Erzeuger, Verarbeiter und Verkäufer – rentabel ist“, argumentiert Drohmann. Deshalb hat er sich mit Fleischverarbeiter Thomas Kurz aus Schorndorf und Guido Renz schon früh zusammengesetzt. Dabei hat Renz klargemacht, welchen Erlös er pro Schwein benötigt, damit sich der höhere Aufwand für die Haltung der Sattelschweine rechnet.

Vermarktung zum Fixpreis

Herausgekommen ist dabei ein Fixpreis, der so lange gilt, bis sich die Rahmenbedingungen ändern. Denn der Mehraufwand für Familie Renz ist nicht unerheblich. „Die Sattelschweine wurden bisher züchterisch kaum bearbeitet. Das kommt uns zwar bei der Fleischqualität, beim Geschmack und bei der Gesundheit der Tiere zugute, begrenzt aber die Leistungen“, gibt Guido Renz zu bedenken.

Die Sattelschweine wachsen nicht so schnell. Sie brauchen acht Monate, bis sie die Schlachtreife erreichen. Auch die Fruchtbarkeitsleistung kann nicht mit der moderner Hybridherkünfte mithalten. Und die Säugezeit beträgt fünf Wochen statt der vom Gesetzgeber geforderten 21 Tage. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Ferkel besser durchs Flatdeck marschieren, wenn wir ihnen eine längere Säugezeit gönnen“, erläutert Stefanie Renz.

Zudem will die Familie nachhaltig wirtschaften. Verfüttert werden nur eigenes Getreide, Körnererbsen und gentechnikfreies Soja aus der Region. Seit vier Jahren werden die männlichen Ferkel nur noch betäubt kastriert. Dabei setzt man auf die Injektionsnarkose mit Ketamin und Azaperon durch den Tierarzt. Und seit fünf Jahren wird kein einziger Ringelschwanz mehr kupiert.

„Nachholbedarf haben wir zurzeit allerdings bei der Aufstallung“, räumt Guido Renz ein. Jedem Mastschwein wird mit 1 m² zwar deutlich mehr Platz zugestanden als der Gesetzgeber vorschreibt. Zudem können die Schweine unter drei Beschäftigungsmaterialien wählen, zu denen auch eine tägliche Strohgabe gehört.

Zurzeit werden die Tiere aber noch konventionell gehalten. Das kommt beim Verbraucher jedoch nicht so gut an. „Deshalb wollen wir jetzt in mehr Tierwohl investieren und auch die Haltung der Schweine an das Gesamtkonzept des Betriebes anpassen“, berichtet Guido Renz.

In 800m Entfernung zum Hof baut die Familie daher drei PigPort-Ställe, die hintereinander stehen und über einen seitlichen Treibe- bzw. Versorgungsgang verbunden sind. Im September 2019 erfolgte der erste Spatenstich, im Sommer bzw. Herbst sollen die ersten Schweine einziehen. Die Ställe sind in drei Klimabereiche eingeteilt: Innen die Ruhekisten mit Deckel, in der Mitte der Aktivitäts- bzw. Fressbereich mit Breiautomaten und außen der planbefestigte sowie zu 85% überdachte Außenauslauf mit Güllerinne. Vorn am Auslauf kann der Stall durch Windschutznetze vor Witterungseinflüssen geschützt werden. Hinten sind Hubfenster eingebaut.

Im Rahmen eines EIP-Innovationsprojektes wird der Stallbau von der Uni Hohenheim, der FH Nürtingen sowie der Landesanstalt für Schweinezucht in Boxberg (LSZ) begleitet und die ersten Ergebnisse werden ausgewertet. „Bislang liegen wenig wissenschaftliche Untersuchungen zu PigPort-Ställen vor. Das soll sich durch unser Projekt ändern“, erläutert Stefanie Renz.

Mehr Öffentlichkeitsarbeit

In die neuen PigPort-Ställe werden die Aufzuchtferkel und die Mastschweine einziehen. Die Sauen bleiben auf der Hofstelle im Ort.

„Mit den neuen Offenfrontställen können wir in unseren Märkten dann auch stärker in die Öffentlichkeitsarbeit einsteigen. Die Haltung passt dann noch besser zum Gesamtkonzept“, kündigt Rolf Drohmann vom Edeka-Center Filderstadt an. Angedacht ist unter anderem, interessierten Käufern des Porcinusa-Fleisches einen Busausflug zu den neuen PigPort-Ställen der Familie Renz anzubieten. Aber auch vor Ort wollen Stefanie, Karin und Guido Renz für maximale Transparenz sorgen. Wegen der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen doppelten Umzäunung des Geländes können sich Wanderer und Radtouristen zwar nicht unmittelbar den neuen Ställen nähern. Am Eingang ist jedoch ein kleines Häuschen als Infopoint geplant.

Live-Kameras sollen den Besuchern dort Einblick in das Stallinnere gewähren. Auf Infotafeln erfahren die Besucher zudem Wissenswertes über den Stall, das Sattelschwein und die Fleischqualität. „Mit den neuen Ställen können wir dann endlich ein schlüssiges Gesamtkonzept anbieten“, freut sich Renz, der neben der Porcinusa-Schiene bei Edeka auch noch Fleisch und Wurstwaren über einen regionalen Metzger, Weinhandlungen, Feinkostgeschäfte und über das Internet vermarktet. Diese zweite Vermarktungsschiene läuft unter dem Eigenlabel „Sattelsau“.

Nur qualitatives Wachstum

Trotz des Neubaus ist nicht geplant, den Sauenbestand erheblich aufzustocken, höchstens um zehn bis fünfzehn Sauen. „Wir wollen nicht quantitativ wachsen, sondern allenfalls qualitativ“, stellt Stefanie Renz klar. Denn sowohl von der Flächenausstattung als auch von der Arbeitsbelastung sei der Betrieb ausgereizt. Man werde sich künftig eher darauf konzentrieren, ob sich die Vermarktung noch verfeinern lässt.

Insgesamt ist sich Familie Renz jedoch sicher, mit der regionalen Vermarktung den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. „Unsere Kunden legen keinen Wert auf bunte Siegel und vollmundige Qualitätsversprechen. Sie vertrauen ihrem Metzger oder Lebensmittelhändler vor Ort“, bestätigt Rolf Drohmann vom Edeka-Frischemarkt.

„Grundvoraussetzung ist, dass man ein Konzept anbieten kann, das von der Genetik und der Fütterung bis zum Haltungsverfahren aufeinander abgestimmt ist“, erläutert Guido Renz. Zudem müsse man einen langen Atem haben. Denn es dauere mehrere Jahre, bis ein fester Kundenstamm aufgebaut ist.

Das Wichtigste sei jedoch, den richtigen Vermarktungspartner zu finden. Gegenseitiges Vertrauen, das Einhalten von Vereinbarungen und regelmäßige Aussprachen seien dabei eine Grundvoraussetzung. „Es ist wie in einer guten Ehe: Man muss sich blind vertrauen können und miteinander offen aussprechen, wenn etwas nicht funktioniert“, bringt es Guido Renz auf den Punkt.

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