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topplus Borchert-Plan

Folgenabschätzung rechnet bessere Perspektiven für Tierhalter aus

Der Borchert-Plan kann den Strukturwandel bei den tierhaltenden Betrieben bremsen, zeigt die Folgenabschätzung. Agrarministerin Klöckner strebt nun eine politische Einigung vor der Bundestagswahl an.

Lesezeit: 8 Minuten

Das Thünen-Institut hat am Montag die Folgenabschätzung vorgelegt, in der es die Konsequenzen der Borchert-Pläne zum Umbau der Tierhaltung durchgerechnet hat. Sie zeigt, dass auch Betriebe, die auf Grund der aktuellen Lage aus der Tierhaltung ausgeschieden wären, eine neue Perspektive bekommen. Allerdings steigen die Mehrkosten je nach Tierart von mindestens 9% für Milchkühe auf bis zu 44% für Masthühner. Die Mehrkosten für die höheren Tierwohlstandards soll der Staat laut den Borchert-Plänen über eine Investitionsförderung plus laufende Tierwohlprämien den Landwirten finanzieren.

Klöckner empfiehlt Entscheidung vor der Wahl

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Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sieht die Folgenabschätzung als Bestätigung, die vom Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (KNW) unter Leitung von Jochen Borchert erarbeiteten Pläne umzusetzen. Nun müsse es um eine politische Einigung auf ein Finanzierungsmodell gehen, so Klöckner. An den Bundestag richtete sie bei einer Pressekonferenz am Montag den Appell: "Ich habe Verständnis dafür, dass die Fraktionen im Bundestag noch intern Beratungsbedarf haben. Ich rate aber dazu, sich noch in dieser Legislaturperiode auf einen Weg zu einigen“. Sie selbst sei offen dafür, ob die Finanzierung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19% für tierische Produkte oder über eine Tierwohlabgabe, die wie eine Verbrauchsteuer wirkt, erfolgen soll. Den Tierwohl-Soli hält Klöckner hingegen für nicht mehrheitsfähig.

Perspektive für Tierhaltungen bis 2040

Das Ziel des Borchert-Plans ist, die Tierhaltung in Deutschland auf ein höheres Tierwohlniveau zu bringen. Ab 2040 sollen alle Nutztiere mindestens in Stufe 2 gehalten werden. Das heißt: Mehr Platz, strukturierte Haltungsumgebung, intensivere Tierbetreuung und Außenklima. Die landwirtschaftlichen Betriebe sollen durch Investitionsförderungen und Tierwohlprämien wirtschaftlich in die Lage versetzt werden, ihre Tierhaltung auf diese neuen Ziele auszurichten. Die staatliche Kennzeichnung soll die so erzeugten Produkte für die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbar machen. Zudem wird angestrebt, die für alle Tierhaltungen verpflichtenden Standards im Ordnungsrecht im Jahr 2030 auf Stufe 1 und 2040 auf Stufe 2 anzuheben.

Produktionskosten steigen um bis zu 44 %

Besonders spannend ist die nun vorgestellte Folgenabschätzung in der Frage, wie sich die Produktionskosten verändern. Die Folgenabschätzung kommt zu folgendem Ergebnis: Die Produktionskosten in der Schweinemast, Milchviehhaltung und Mastrinderproduktion werden in den angestrebten Tierwohlstufen 2 und 3 gegenüber der derzeitigen Situation um rund 10 bis 16 % höher ausfallen. Bei den Zuchtsauen wird mit rund 25 bis 30 % höheren Kosten gerechnet. In Stufe 3 der Masthühnerhaltung könnten die Mehrkosten sogar 44 % höher liegen, wobei sich hier besonders der Platzbedarf für den Auslauf kostensteigernd auswirkt. Allerdings kritisieren die Autoren der Studie den extrem hohen Platzanspruch in der Auslauffläche.

Negative Folgen für Nutztierbestände, wenn Borchert-Plan scheitert

Neben den Kosten haben sich die Autoren auch mit der Frage beschäftigt, wie sich die Nutztierbestände in Deutschland entwickeln, wenn die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung nicht umgesetzt werden. Sie zeigen die möglichen Entwicklungspfade "ohne Borchert".

  • Im besten Fall geht man davon aus, dass die Tierhaltung im Durchschnitt über alle Tierarten eine leicht steigende Tendenz aufweist, was vor allem durch die weiterhin steigenden Tierleistungen begründet wird. Die Tierzahlen steigen in diesem Szenario nur noch bei den Masthühnern (+17 % bis 2040), während sie bei den anderen Tierarten leicht sinken (Sauen -4 %, Mastschweine -3 %, Milchkühe -6 %, Mastrinder -2 %).
  • In einem zweiten Szenario wird unterstellt, dass die Tierhaltung in Deutschland stärker schrumpft. Hier wird angenommen, dass der rechtliche Rahmen das Produktionspotenzial der Nutztierhaltung zunehmend eingrenzt, die Exportchancen durch die Corona-Pandemie eingetrübt sind und Sondereinflüsse wie die Afrikanische Schweinepest für zusätzliche Unsicherheit in der Branche sorgen. Ergebnis: Die Tierzahlen sinken bei Schweinen und Rindern stark (Sauen -30 %, Mastschweine -25 %, Milchkühe -24 %, Mastrinder -24 %), während sie bei Masthühnern noch leicht ansteigen (+6 %).

Die Rückgänge würden zu einem dramatischen Strukturwandel führen. Für den Zeitraum von 2010 bis 2040 gehen die Autoren davon aus, dass die Anzahl der Betriebe mit Mastschweinen von über 30.000 auf ca. 5.000 zurückgeht, die Anzahl der Betriebe mit Zuchtsauen von über 15.000 auf ca. 2.000 und die Zahl der Betriebe mit Milchkühen von über 90.000 auf ca. 20.000.

Borchert-Plan kann Strukturwandel abbremsen

Was passiert, wenn die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung umgesetzt werden? Die Folgenabschätzung nimmt an, dass sich durch die Vorschläge ein positives Investitionsklima einstellt, dass sich folgendermaßen auswirken könnte:

  • Würde sich in der Gruppe der mittelgroßen Mastbetriebe (400 bis 999 Mastplätze) jeder zweite Betrieb, der ansonsten ausgeschieden wäre, zur Fortführung der Schweinmast entscheiden, läge die die Zahl der Betriebe im Jahr 2040 voraussichtlich um 1.400 über der Referenz. Die Inlandserzeugung würde dann im Vergleich zur Referenz um ca. 10 % steigen.
  • Würde sich in der Gruppe der mittelgroßen Milchviehbetriebe (50 bis 99 Kühe) jeder zweite Betrieb, der ansonsten ausgeschieden wäre, zur Investition und damit zum Sprung in die nächsthöhere Größenklasse entscheiden, läge die Zahl der Betriebe um ca. 4.000 über der Referenz. Die Inlandserzeugung würde im Vergleich zur Referenz um mehr als 20 % höher ausfallen.
  • Würde sich ein Unternehmen aufgrund der Nutztierstrategie entschließen, einen mittelgroßen Geflügelschlachthof in einer Ackerbauregion neu zu errichten, so würde die nationale Produktionsmenge um ca. 8 % steigen. Bei der üblichen Anlagengröße von 39.999 Mastplätzen würden dann 239 landwirtschaftliche Betriebe in diesen zusätzlichen Betriebszweig einsteigen.

Die Betrachtung bleibt natürlich mit Unsicherheiten behaftet. Denn ebenso ist vorstellbar, dass tierhaltende Betriebe infolge der nationalen Nutztierstrategie ihre Produktion vermehrt einstellen, weil sie die Verschärfung des Ordnungsrechts ablehnen und sich nicht darauf einlassen wollen, langfristig von staatlichen Zahlungen abhängig zu sein. Das dürfte aber eher auf die kleineren Betriebe zutreffen, heißt es in der Folgenabschätzung.

Verbrauch an tierischen Lebensmitteln steigt höchstens maßvoll

Die Mehrheit der Verbraucher wünscht sich bessere Haltungsbedingungen für die Nutztiere. Zahlen wollen dafür aber nur die wenigsten. Laut Folgenabschätzung muss daher eine Tierwohlkennzeichnung kommen, um den Verbraucher zu sensibilisieren. Ob das am Ende aber zu einem Mehrkonsum von tierischen Produkten führt, ist laut den Autoren nicht sicher zu beantworten. Es könnte der Fall eintreten, dass die Verbraucher weniger essen (Masse statt Klasse) oder ihren Konsum maßvoll erhöhen, weil die Haltungsbedingungen sich verbessert haben.

Politik muss jetzt eine Grundsatzentscheidung treffen

Die Autoren betonen, dass die Politik sich nun entscheiden muss, entweder den gesamten Nutztiersektor oder nur einen Teil des Sektors auf ein hohes Tierwohlniveau zu führen.

  • Setzt nur ein Teil des Sektor die Tierwohlpläne um, werden sich drei Tierwohlstufen nebeneinander etablieren: Ein relativ kleiner Teil der Nutztiere wird auf einem Tierwohlniveau gehalten, welches den Tierwohlstufen 2 oder 3 des KNW-Vorschlages entspricht, ein relativ großer Teil der Nutztiere wird zu den Bedingungen der Initiative Tierwohl gehalten (oberhalb des gesetzlichen Mindeststandards, aber unterhalb der Stufe 1 des KNW-Vorschlages), und ein ebenfalls relativ großer Teil der Nutztiere wird zu Bedingungen gehalten, die nur dem gesetzlichen Mindeststandard entsprechen.
  • Soll die Transformation des gesamten Nutztiersektors erfolgen, sind weitergehende staatliche Lenkungsmaßnahmen erforderlich. Hierfür schlägt das KNW eine Kombination aus Ordnungsrecht und Anreizmaßnahmen (Investitionsförderung, Tierwohlprämien) vor. Das ist wirtschaftlich sinnvoll: Denn wenn die Politik nur mit dem Ordnungsrecht agiert, löst sie eine Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland aus. Wenn sie hingegen nur mit Anreizmaßnahmen agiert, sind sehr hohe Prämien erforderlich, um auch den „letzten“ Betrieb zu einer freiwilligen Teilnahme zu bewegen. In allen anderen Betrieben gibt es derweil bereits große Mitnahmeeffekte.

Tierwohlprämien bei Bedarf nachjustieren

Auf die Frage, ob eine vollständige Kompensation oder nur eine Teilkompensation der Mehrkosten vorgesehen ist, haben die Autoren eine klare Antwort: Eine ökonomisch-theoretische Analyse zeigt, dass prinzipiell eine vollständige Kompensation erforderlich ist. Das gilt insbesondere für die Tierwohlstufe 2.

Zu diskutieren sei in diesem Zusammenhang aber noch die Frage, in welcher Höhe und über welchen Zeitraum die Tierwohlprämie festgelegt werden sollte. Wird sie zu hoch festgelegt, kann die Prämie zu einer Expansion der nationalen Nutztierhaltung führen und schwierige politische Debatten auslösen. Wird sie zu niedrig festgelegt, wird die angestrebte vollständige Umstellung des nationalen Nutztiersektors nicht erreicht, denn es werden zu wenige Betriebe auf höhere Tierwohlstufen umsteigen. Die Experten sprechen sich daher dafür aus, dass die Politik die Tierwohlprämien im Laufe der Zeit nachjustiert. Hierfür sei es erforderlich, dass der Staat mit jedem einzelnen investierenden Unternehmen einen Vertrag schließt, der für die jeweilige Investitionsmaßnahme die Tierwohlprämie längerfristig festschreibt. Die Nachjustierung soll dabei nur für neu hinzukommende Betriebe gelten.

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