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Schweine-Vermarktung: Ein Bauer und zwei Metzger in einem Boot

Schweinehalter Torsten Deye sowie die Wurstwarenhersteller Rolf und Bernd Meemken verkaufen erfolgreich regional hergestelltes Fleisch unter dem Siegel „Bauer und Metzger“.

Lesezeit: 9 Minuten

Die Landwirte Torsten und Kerstin Deye (beide 48 Jahre) aus dem niedersächsischen Großenkneten, das etwa 30 km südlich von Oldenburg liegt, mussten vor vier Jahren eine Entscheidung treffen. „Damals standen wir vor der Wahl: Entweder wir machen es künftig anders, oder wir hören mit der Schweinehaltung ganz auf“, erinnert sich Torsten Deye noch genau an das Jahr 2017.

Ihm und seiner Frau war von Anfang an aber auch klar, dass sich der Umbau der Schweinehaltung nur lohnt, wenn man einen verlässlichen und dauerhaften Abnehmer für die Schweine an der Hand hat.

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Diesen fand die Familie schließlich mit dem mittelständischen Wurstwarenhersteller Meemken aus Gehlenberg in Niedersachsen. Der Mittelständler beschäftigt aktuell rund 200 Mitarbeiter. Die Brüder Rolf und Bernd Meemken hatten das Konzept „Bauer und Metzger“ entwickelt und waren danach auf der Suche nach Landwirten, die ihnen Fleisch liefern. Das Ziel: regional hergestelltes Fleisch mit besonderer Qualität aus artgerechter Tierhaltung vermarkten.

Das Angebot von Meemken kam für Torsten und Kerstin Deye genau zur richtigen Zeit. Denn sie bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Biogasanlage, Ackerbau und „nur“ 80 Sauen im geschlossenen System. Im Landkreis Oldenburg, einem der viehstärksten Gegenden Deutschlands, ist Deyes Tierbestand vergleichsweise winzig. Der kleine Tierbestand war dann der treibende Faktor, um über die Neuausrichtung des Betriebes nachzudenken.

Zudem störte sich die Familie immer mehr an der bislang üblichen Form der Schweinehaltung und an den Zwängen bei der Vermarktung. Bereits ab dem Jahr 2015 grübelten Deyes daher verstärkt über Möglichkeiten für eine freie Abferkelung, Ferkelaufzucht mit Auslauf und komfortable Deck- und Warteställe nach. Dass in dieser Richtung etwas möglich ist, zeigt die Mastschweinehaltung im Betrieb. Die Tiere stehen bereits seit 20 Jahren im Offenstallsystem.

Familie Deye war aber auch bewusst, dass neue Ideen immer noch sehr viel Umbau- und Investitionsbedarf bedeuten. Deshalb warnt der Schweinehalter vor allzu unüberlegtem Tatendrang: „Man kann zwar viel investieren, aber irgendwer muss es am Ende auch bezahlen.“ Die Ideen waren also da. Der Mut auch. Aber ohne den richtigen Partner geriet das Unterfangen 2017 zunächst ins Stocken.

Bockwurst: Das Mastschwein der Wurstbranche

Erst durch den Kontakt zum Wurstwarenhersteller Meemken kam die Sache wieder ins Rollen. Die Brüder Meemken wollten den Betrieb durch den Aufbau einer eigenen Vermarktungsschiene unabhängiger vom Lebensmitteleinzelhandel machen, wo der Preisdruck groß ist. Und der Druck wächst, je vergleichbarer die Produkte sind.

Entwicklungspotenzial sahen die Brüder daher für sich noch im Premium-Fleischsegment. „Mit einer klassischen Bockwurst kann man sich schwer gewinnbringend positionieren. Da haben wir die gleichen Probleme wie die Landwirte mit ihren einheitlichen Mastschweinen“, betont Meemken. Sitzen Bauer und Metzger also im selben Boot? Warum dann nicht in dieselbe Richtung rudern?

Die Brüder erschafften das Konzept „Bauer und Metzger“. Biosiegel waren ihnen bei der Konzeption nicht wichtig. „Wir wollen flexibel bleiben bei der Haltung und Vermarktung“, erklärt Rolf Meemken. Als etabliertes Unternehmen standen Produktion, Logistik usw. schon parat. Das neue Konzept sollte das Althergebrachte ergänzen, nicht ersetzen. Doch wer kann die Schweine liefern?

Gemeinsam an Bord

Gefunkt hat es zwischen Bauer Deye und den beiden Metzgern dann 2017 auf einer Veranstaltung des „Vereins zur Förderung der Offenstallhaltung“. „Ich bin aufgestanden und habe gesagt, dass ich eine Genehmigung für mein Konzept vorliegen habe, aber niemanden finde, der den Preis dafür zahlt“, erinnert sich Torsten Deye noch genau. Da wurden Meemkens, erstmals Teilnehmer bei der Veranstaltung, sofort hellhörig.

Beide Parteien entschieden sich für eine Zusammenarbeit, nebst gegenseitigen Abhängigkeiten und langfristigen Verträgen über einen festen Zeitraum. Torsten Deye verpflichtete sich zudem, seine Tierhaltung umzubauen. Außerdem muss er alle Schweine an die Firma Meemken verkaufen. Das sind rund 40 Stück pro Woche. Die Wurstwarenhersteller wiederum müssen so viele Schweine abnehmen, wie Landwirt Deye in der Woche liefern will. „Das ist für uns eine Herausforderung. Denn wir müssen diese Schwankungen im Angebot ausgleichen“, weist Meemken auf die Schwierigkeiten bei der Direktvermarktung hin.

Auf die Brüder wartete noch eine Herausforderung. Sinkt die Nachfrage oder ist für einen Teil des Schlachtkörpers kein hochpreisiger Absatzweg vorhanden – wie zum Beispiel für Schwänze, Ohren, Innereien – müssen diese über die konventionellen Wege vermarktet werden. Das ganze Schwein, also „from nose to tail“, über den Absatzweg Bauer und Metzger zu vermarkten, klappt noch nicht. „Vor Corona waren wir allerdings auf einem guten Weg“, sagt Rolf Meemken.

Abgerechnet werden die Schweine nach einem Mindestpreis und weiteren Konditionen für eine langfristig faire Bezahlung. „Beide Seiten haben ihre Kosten transparent offengelegt, nur das schafft Vertrauen“, erklärt Deye. Er weiß, was es kostet, bis sein Schwein in der Ladentheke liegt. Meemkens kennen den Aufwand auf dem landwirtschaftlichen Betrieb. Verraten will Deye den Preis nicht. Dass er über den aktuellen Notierungen liegt, steht aber außer Frage.

Umbau unter Zeitdruck

Nach dem finalen Handschlag standen Meemkens nach der Investition in eine Zerlegung in den Startlöchern, während Deyes den Umbau ihres gesamten Bestandes gerade erst starteten. „Wir mussten richtig Gas geben“, erklärt der Landwirt. Und in die Tasche greifen. Auf dem Hof hat sich in zweieinhalb Jahren Zusammenarbeit und einer Investition von mehr als 850.000 € einiges verändert.

Für den Bauern hat sich nicht nur ein Weg zur Vermarktung ergeben, sondern er ist auch unter die Stalleinrichter gegangen. Für den Abferkelstall haben Deyes in Eigenregie ein Buchtensystem entwickelt, das sie zukünftig an Landwirte vermarkten wollen. Die Buchten sollen der Sau mehr Komfort bieten, aber dennoch hygienischen Standards entsprechen.

Die Sauen sind einen Tag vor bis drei Tage nach der Abferkelung fixiert. Ansonsten stehen ihnen hier 7,4 m² Fläche zur Verfügung. „Entgegen der weitläufigen Meinung sind unsere Saugferkelverluste unverändert geblieben“, betont Sauenhalter Deye. Die Gründe dafür: Alle Ecken in der Bucht sind abgeschrägt und es finden sich gleich mehrere Abliegebügel in der Bucht. Zudem hat er die alte Sauenherde mit dem Umbau einmal komplett ausgetauscht und ist mit neuen Jungsauen gestartet.

In der Ferkelaufzucht bietet er den Ferkeln rund 1 m² Platz pro Tier. Einen Teil davon im nicht überdachten Auslauf. Dieser kommt gut an: Auch bei einstelligen Temperaturen tummeln sich viele Ferkel dort. Für die Genehmigung des Auslaufs kämpften Deyes allerdings zwei Jahre. Letztlich holten sie sämtliche Lokalpolitiker auf den Hof. Das brachte den Stein ins Rollen. Tierwohl anbieten zu wollen, ist der eine Schritt. Es zu dürfen, ein noch größerer.

Das größere Platzangebot und verschiedene Klimazonen in der Aufzucht erleichtern dem Landwirt das Mammutprojekt „Ringelschwanz“. Deyes kupieren die Ferkelschwänze nicht mehr. Dafür betreiben sie einen hohen Aufwand. Besonders Kerstin Deye experimentiert viel mit Beschäftigungsmaterial und Futter. „Früher konnte man mal schnell durch den Stall huschen, heute ist man hier pro Futterzeit mal 1,5 Stunden beschäftigt“, beschreibt Deye den Mehraufwand.

Die Mastschweine stehen in einem Außenklimastall mit Strohliegeflächen. Der Deckstall hat einen Strohauslauf. Die Wartesauen verbringen ihre Zeit in einem Tiefstreustall mit Abrufstation und haben dreimal so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben. Insgesamt arbeiten auf dem Betrieb 3,5 bis 4 Arbeitskräfte. Der Zeitaufwand in der Schweinehaltung hat sich insgesamt verdoppelt. „Die Freude an der Arbeit aber auch“, so Deye, dem man diese Aussage ohne Zweifel glaubt.

Verschiedene Vertriebswege

Der Verbraucher zahlt für das Fleisch bei Bauer&Metzger grob geschätzt 50% mehr. Manche Produkte unterscheiden sich stärker vom Marktpreis, andere weniger. Das ist möglich, weil Meemkens auch bei der Verarbeitung Nischen erschließen.

So luden die Wurstwarenhersteller zum Beispiel einen Fleischsommelier – quasi einen hippen Metzger – zur Schulung der angestellten Fleischer ein. Ziel war es, altes Wissen neu zu erlernen und weg von den Schnitten für die rote Norm-Kiste zu kommen. „Unsere Metzger waren begeistert, endlich mal wieder ein ganzes Schwein zu zerlegen. Das macht das Handwerk ja eigentlich aus“, schwärmt Rolf Meemken. Ein aussagekräftiger Nebeneffekt: Erstmals seit vielen Jahren gibt es wieder Metzger-Lehrlinge.

In der Vermarktung setzen sie auf verschiedene Vertriebswege. Bis zum Lockdown war die Gastronomie größter Abnehmer. „Manche Restaurants werben mit unserer Marke. Andere schätzen einfach die Qualität“, erklärt Rolf Meemken, für den beide Wege in Ordnung sind.

Seit Mitte 2018 ist in bester Lage in Oldenburg in einer alten Apotheke zudem ein eigener Verkaufsladen eingezogen. Dieser ist offen und modern eingerichtet. Die hellen Kacheln zieren Zeichnungen über die verschiedenen Teilstücke beim Rind und Schwein. Ein Teil des Geschäfts dient der Selbstbedienung. Außerdem gibt es eine klassische Fleischtheke und einen Bereich für einen Mittagstisch.

„Zu uns kommen Leute im Alter von 18 bis 80 Jahren“, sagt der Verantwortliche für das Ladenlokal, Werner Dorman. Das Sortiment spiegelt auch die Kundschaft wider. Liebhaber der Barbecueszene finden ein Côte de Boeuf genauso wie die Großmutter einen Festtagsbraten.

Zusätzlich zum Schweinefleisch von Deye gibt es bei Bauer&Metzger auch Rind und Geflügel. Die Angusrinder stammen aus der Wesermarsch, das Geflügel aus dem Emsland. Neben Deye sind es drei feste Betriebe, die eine aufwendigere Haltungsform mit Weidegang und mehr Platz ermöglichen. Dafür erhalten diese mehr als den üblichen Marktpreis für konventionell erzeugte Tiere, haben aber keine vergleichbaren Verträge. „Diese Betriebe haben dafür auch nicht einen vergleichbaren Investitions- und Innovationsbedarf wie Torsten Deye gehabt“, erklärt Meemken die Zusammenarbeit.

Bekanntheitsgrad steigern

Bei Bauer&Metzger wird jetzt weiter am Bekanntheitsgrad des Konzepts gefeilt, in der Oldenburger City und auch darüber hinaus. „Wir arbeiten zwar mit regionalen Erzeugern. Über unseren Frischedienst „Meemken und Sandmann“ liefern wir die fertigen Produkte aber auch nach Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein“, erklärt Rolf Meemken. Hinzu kommt ein Onlineshop, über den das Fleisch schockgefrostet versendet wird. Das Haltbarkeitsverfahren macht es möglich, Absatzschwankungen auszugleichen.

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