Andreas Stärk ist Geschäftsführer der ISW Versicherungsmakler GmbH in Cloppenburg. Das Unternehmen ist auf die Absicherung von landwirtschaftlichen Betrieben spezialisiert. Wir haben ihn zu den wichtigsten Aspekten rund um Ertragsschadenversicherungen für den Tierseuchenfall befragt.
Welche Betriebe sollten eine Ertragsschadenversicherung haben? Für wen rechnet sich diese?
Stärk: Wir erleben derzeit ein sehr intensives und kontinuierliches Seuchengeschehen: ASP, Blauzungenkrankheit, Vogelgrippe und zuletzt ein MKS-Ausbruch in Brandenburg, Ungarn und der Slowakei. Insofern kann man jederzeit betroffen sein.
Je stärker der Betrieb von der Schweinehaltung abhängig ist, desto größer ist die Notwendigkeit der Risikovorsorge. Bei ASP und MKS kann es zu Totalverlusten kommen. Daher ist die Versicherungsprämie im Verhältnis zum Risiko eher gering. Jeder Betriebsleiter sollte die bekannten Schadensszenarien für seinen Betrieb einmal durchspielen und bewerten.
Betriebe, die in einer Restriktions- bzw. Sperrzone liegen, erhalten keine Leistungen von der Tierseuchenkasse. Was raten Sie hier?
Stärk: Der Schaden für einen Betrieb, der von einer Restriktions- oder Sperrzone betroffen ist, kann deutlich höher sein (siehe Übersicht 1) als für einen Betrieb, dessen Tiere an ASP erkrankt sind und gekeult werden müssen. Der von der ASP betroffene Betrieb erhält eine Entschädigung von der Tierseuchenkasse (siehe Übersicht 2), während der gesperrte Betrieb auf unbestimmte Zeit keine Tiere vermarkten darf. Daher haben Schweinehalter ohne Versicherungsschutz derzeit unkalkulierbare Risiken, wenn sie in Restriktionsgebieten liegen sollten. Hier ist die Branche gefordert, tragfähige Lösungen für die Verwertung von Fleisch aus den Restriktionsgebieten zu finden.
Wie werden fallende Preise im Zuge des Seuchenzugs durch die Versicherungen aufgefangen?
Stärk: Eine Tierertragsschadenversicherung fängt wirtschaftliche Schäden ab, die durch einzelbetriebliche oder regionale behördliche Seuchenbekämpfungsmaßnahmen entstehen. Ein allgemeiner Marktpreisverfall, zum Beispiel durch den Wegfall von Drittlandexporten, wie wir ihn zuletzt durch den MKS-Fall erlebt haben, kann durch Versicherungen nicht aufgefangen werden. Sonst hätte jeder Betrieb in Deutschland einen Schaden gehabt.
Wenn ich aber in einer Restriktionszone liege und durch behördliche Restriktionen einen zusätzlichen Preisverfall habe, dann ist das durch die Versicherung abgedeckt.
Gegen Einschränkungen in der Flächenbewirtschaftung durch die ASP können Ernteversicherungen abgeschlossen werden. Was raten Sie hier?
Stärk: Im Rahmen von ASP-Ausbrüchen bei Wildschweinen kann eine Behörde Bewirtschaftungsbeschränkungen für Flächen anordnen. Allerdings muss die anordnende Behörde diese Einschränkungen dem Landwirt finanziell ausgleichen. Dies führt nach unserer Wahrnehmung dazu, dass die Behörden, in der Regel die Landkreise, eher zurückhaltend mit diesen Maßnahmen umgehen. Zudem zahlen die Behörden in solchen Fällen eine mehr oder weniger angemessene Entschädigung. Insofern besteht kein existenzbedrohendes Risiko, wenn Betriebe nicht über eine solche Absicherung verfügen.
Wie können Betriebe überprüfen, ob sie ausreichend versichert sind?
Stärk: Landwirte sollten ihre Tierversicherungsverträge, wie alle Versicherungsverträge, mindestens einmal jährlich von Experten überprüfen lassen. Wichtig ist, dass die Verträge aktuell sind. Neben Betriebsverhältnissen ändern sich auch Versicherungsbedingungen und Einschätzungen von Schadszenarien. Gerade Tierversicherungen sind recht teuer, da sollte der Versicherungsschutz im Schadensfall auch passen. Das Hauptproblem, das wir in der Praxis beobachten, ist, dass Verträge vor Jahren abgeschlossen und dann nie wieder angefasst wurden.
Auf welche zusätzlichen Leistungen in der Ertragsschadenversicherung sollten Betriebsleiter achten?
Stärk: Neben Seuchenrisiken können auch Unfallrisiken wie zum Beispiel Lüftungsausfall, übertragbare Krankheiten wie beispielsweise APP oder PRRS oder auch ein Gesundheitsstatus, z. B. PRRS-unverdächtig, versichert werden. Hier muss jeder Schweinehalter individuell entscheiden, ob dies Sinn macht. Es macht bspw. keinen Sinn, einen Gesundheitsstatus zu versichern, wenn der Betrieb mitten in einer Veredelungsregion liegt. Liegt der nächste schweinehaltende Betrieb aber mehrere km entfernt, ist die Chance, einen Gesundheitsstatus länger zu halten, realistisch.
Wie lange sollte der Haftungszeitraum sein?
Stärk: Standardmäßig beträgt die Haftzeit zwölf Monate, aber es ist eine Verlängerung auf 18 oder 24 Monate bei den meisten Versicherern möglich. ASP-Ausbrüche bei Wildschweinen haben lange Restriktionsfristen zur Folge. Die Praxis zeigt, dass Restriktionsgebiete oft für zwei bis drei Jahre ausgewiesen werden. Betriebe mit geschlossenem System brauchen ebenfalls länger, ihren Tierbestand wieder aufzubauen. Daher muss jeder Landwirt den Haftzeitraum für sich abwägen. Bei 40 % unserer Kunden beträgt die Haftzeit mehr als zwölf Monate. Maximal sind 24 Monate möglich.
Was ist bei der Selbstbeteiligung zu beachten?
Stärk: Die Selbstbeteiligung kann innerhalb bestimmter Grenzen gegen Prämienzuschlag oder -nachlass variiert werden. Je niedriger der Selbstbehalt, desto teurer ist natürlich die Versicherung. Auch hier muss jeder Betriebsleiter individuell entscheiden. Standardmäßig beträgt die Selbstbeteiligung 2 % der Versicherungssumme.
Welche Gefahr bergen nicht aktuelle Verträge?
Stärk: Der Versicherer prüft im Schadensfall standardmäßig, ob eine Unterversicherung vorliegt. Dazu werden die im Vertrag hinterlegten Daten mit den tatsächlich vorhandenen Produktionsdaten abgeglichen. Sind die tatsächlich vorhandenen Produktionsdaten größer, liegt eine Unterversicherung vor. Allerdings verzichten die Versicherer bei kleineren Abweichungen (i.d.R. bis zu 20%) auf die Einrede der Unterversicherung. Eine darüber hinausgehende Abweichung führt zu einer Kürzung der Entschädigungsleistung. Versicherte sollten daher regelmäßig prüfen, ob die versicherten Produktionskennzahlen und Wertansätze noch aktuell sind.
Wo können derzeit noch ASP-Versicherungen abgeschlossen werden? Ab wann tritt die Versicherung in Kraft?
Stärk: Nach dem MKS-Ausbruch war zunächst bei keinem Tierversicherer mehr ein Neuabschluss möglich. Mittlerweile ist dies aber bei allen vier Tierversicherern wieder möglich. Allgemein gilt eine Wartezeit von drei Monaten nach Vertragsabschluss. In einigen Regionen Deutschlands ist eine Absicherung gegen ASP derzeit nicht möglich, etwa wenn der Betrieb bereits in einer Restriktionszone liegt und/oder der Versicherer ein Zeichnungsverbot für die Region erlassen hat, zum Beispiel in Teilen Ostdeutschlands oder in Hessen.
Würden Sie Versicherungen mit pauschaler Entschädigung empfehlen?
Stärk: Sinnvolle Versicherungen mit einer pauschalen Entschädigung gibt es meines Wissens nicht. Eine Versicherung soll im Zweifel existenzgefährdende Risiken abfangen. Das können Pauschalversicherungen meines Erachtens nicht leisten, da die Leistung bei Bagatellschäden zu hoch und bei Großschäden zu niedrig ist.
Wie ermitteln die Versicherungen den Schaden? Was muss man vorlegen?
Stärk: Aus Buchführungsunterlagen, Betriebsaufzeichnungen oder Betriebszweigauswertungen sollte eine Schadensberechnung möglich sein. Hier kommt es sicherlich auf den erfahrenen Versicherungsvermittler an, der auch im Schadensfall begleitet. Die Versicherer haben eigene Schadenschätzer bzw. beauftragen solche. Bei Großschäden kann auch ein Gutachter sinnvoll sein.