Mehr Platz, Zugang zu Außenklima, organisches Beschäftigungsmaterial, Duschen und Wühlmöglichkeiten: Das alles soll Sauen, Ferkeln und Mastschweinen im Stall der Zukunft zur Verfügung stehen. Am Montag präsentierte das Verbundprojekt "Stall der Zukunft" seine Ergebnisse im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) in Berlin. Landwirte sollen damit per Baukastensystem einen Tierwohlstall für Sauen, Ferkel oder Mastschweine planen und dafür betriebsindividuell Kosten kalkulieren können.
Standard für die nächsten 20 Jahre
In einem einjährigen Projekt haben sich Wissenschaftler, Landwirte, Agrarökonomen und Bürger in dem Projekt unter der Leitung der Universität Göttingen Gedanken für alle Produktionsstufen der Schweinehaltung gemacht. Mit den zusammengestellten Ideen sollen die Betriebe an der Stufe 2 des staatlichen Tierwohllabels teilnehmen können. „In 25 Jahren könnte das der Standard sein“, mutmaßte der Göttinger Professor Achim Spiller. Das BMEL forderte Spiller auf, diese Ställe der Zukunft staatlich zu fördern.
Verschiedene Stallkonzepte zur Auswahl
Das Projekt erarbeitete für jede Stufe mehrere Stallkonzepte, darunter verschiedene Außenklimaställe. „Jeder Landwirt kann daraus das für seinen Betrieb passende Konzept auswählen, in einer Excel-Anwendung Kosten errechnen und auf dieser Basis die Umsetzung planen“, berichtete die Projektleiterin Dr. Marie von Meyer-Höfer von der Uni Göttingen. Das Excel-Tool und Beispielskizzen sollen ab Sommer 2019 im Internet zur Verfügung stehen.
Mehrkosten von mehr als 30 € je Mastschwein
Allerdings konnte das Projekt die ökonomische Bewertung der vorgeschlagenen Konzepte nicht konkret liefern. Das liege an den sehr unterschiedlichen Betriebsstrukturen, den nicht vorhersehbaren Schweinepreisen und der noch unsicheren staatlichen Förderung, hieß es. „In der Summe aus Ferkelerzeugung, Ferkelaufzucht und Mast sind Mehrkosten in Höhe von über 30 Euro je verkauftem Mastschwein zu erwarten,“ sagte Dr. Karl Heinz Tölle von der ISN, die am Projekt auch beteiligt ist. Die Landwirte von der ISN drängten in Berlin darauf, dass die Genehmigungen über die TA-Luft und das Baugesetzbuch für solche Tierwohlställe noch erleichtert werden müssten. „Mehr Tierwohl bedeutet höhere Kosten und lässt sich erst umsetzen, wenn genehmigungsrechtliche Hürden und Zielkonflikte gemeistert werden“, so Tölle.
Gesellschaftliche Akzeptanz und Ökonomie wichtig
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner begrüßte die Vorschläge. „Gesellschaftliche Akzeptanz ist heute mindestens genauso wichtig, wie die ökonomische Ebene“, sagte sie bei der Präsentation. Die Themen, die die Menschen interessierten, hätten sich verändert und das Tierwohl gehöre dazu, erläuterte sie auch mit Blick auf die Europawahl vom vergangenen Wochenende. „Sie können nicht gegen die Gesellschaft produzieren“, sagte sie. Als Beispiel nannte Klöckner die Ferkelkastration. „Sie verlieren die Debatte, wenn es mit der Kastration weiter geht“.
Klöckner verspricht Fördergelder
Klöckner verteidigte ihren Ansatz für das freiwillige, dreistufige, staatliche Tierwohllabel. „Es ist im Sinne der Landwirte, dass wir weit gehen beim Tierwohlkennzeichen“, gab sie sich unbeirrt. Es werde damit möglich sein, den Mehrwert der so erzeugten Produkte abzubilden, so Klöckner weiter. Der Verordnungsentwurf zum Gesetz sei in Arbeit, sie verfolge eine schnelle Einführung. Geplant ist, dass Mitte bis Ende 2020 die ersten gekennzeichneten Produkte in den Läden liegen. Klöckner versprach Fördergelder für den Stallbau für die Stufe 2 des staatlichen Tierwohllabels. Die Stufe 1 des Labels soll für Landwirte ohne Umbaumaßnahmen umsetzbar sein. „Die Bereitschaft der Parlamentarier Geld auszugeben für Tierwohl ist so hoch wie nie zuvor“, sagte Klöckner.
Kernergebnisse der Stallbaukonzepte sind:
- mehr Platz und Bewegungsfreiheit für Sauen, Ferkel und Mastschweine,
- getrennte Funktionsbereiche,
- unbegrenztes Angebot von Raufutter, Stroheinstreu oder anderem organischen Beschäftigungsmaterial,
- Möglichkeiten zum Duschen und Wühlen für Mastschweine,
- Zugang zu einem Außenklimabereich für alle Tiere ab 30 kg Gewicht und
- Stallbau aus Holz, um Nachhaltigkeits- und Schönheitsaspekten gerecht zu werden.
Das Projekt zeigt laut den Projektbeteiligten außerdem „Zukunftsvisionen“ auf, die der Stall von morgen bieten könnte. Dazu gehören Sensoren zur Anzeige des Geburtsbeginns für eine punktgenaue und möglichst kurze Sauenfixierung.
Am „Virtuellen Stall der Zukunft“ beteiligt waren die Georg-August Universität Göttingen (Koordination, gesellschaftliche Akzeptanz, ökonomische Betrachtung), die Christian-Albrechts Universität zu Kiel (Tierzucht und -haltung), die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Marketing), die Richard Hölscher GmbH und Co KG (Stallbau) und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). Das Projekt lief von Oktober 2017 bis Mai 2019 und kostete rund 303.110 €, davon wurden 276.138 € vom BMEL finanziert.
Weitere Informationen und den Ergebnisbericht mit den Stallskizzen gibt es hier.