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Berlin

Stimmen zu den Kriterien des staatlichen Tierwohllabels

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat am Mittwoch die Kriterien des kommenden staatlichen Tioerwohllabels vorgestellt. Hier sind die Reaktionen aus der Agrarwelt dazu.

Lesezeit: 10 Minuten

Die Kriterien des staatlichen Tierwohllabels sind nun veröffentlicht. Das sagen Verbände und Politiker:

ISN hält Einstiegsstufe schon für ambitioniert

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Die Kriterien sind nach einer ersten Auswertung der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) ambitioniert, aber sie seien nur ein Puzzleteil für eine dringend benötigte Nutztierstrategie. Die Schweinehalter seien gewillt, ihre Ställe anzupassen. Sie müssten aber Klarheit darüber haben, wie das ganze wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden kann und wie die genehmigungstechnischen Hürden und Zielkonflikte überwunden werden können, die oftmals eine Anpassung der Ställe an die Tierwohlanforderungen verhindern. Hier ist nach Ansicht der ISN auch Umweltministerin Schulze gefragt.

Schwierige Hausaufgabe bleibe die Finanzierung der ohne Zweifel teuren Tierwohlmaßnahmen. Dabei allein auf den Verbraucher zu setzen, wird laut ISN nicht gelingen, wie die jüngste Studie der Osnabrücker Hochschule zur Zahlungsbereitschaft der Verbraucher sehr deutlich gemacht hat. "Wir haben es schon oft dargelegt, eine freiwillige Haltungskennzeichnung kann nur ein kleiner erster Schritt sein. Was wir schnell brauchen, ist eine glaubwürdige und verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für alle Schweinefleischprodukte – natürlich unter Einbeziehung der gesamte Kette der Fleischerzeugung von der Geburt des Ferkels bis zur Ladentheke", so die ISN.

DBV: Vorhandene Organisationen einbinden

Der Deutsche Bauernverband (DBV) bezeichnet das Tierwohlkennzeichen als einen 1. Schritt. Perspektivisch fordert er aber eine flächendeckende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung. „Eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg liegt darin, mehr Tierwohl dort zu honorieren, wo es bereitgestellt wird, nämlich beim Landwirt. Der Markt muss mitziehen“, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Ebenso wichtig sei es vorhandene Organisationen und Kontrollsysteme einzubinden. „Gelingt das nicht, wird das Label in der Nische bleiben, eine behördliche Organisationsform wird scheitern“, sagte er.

Bioland fordert eine Kurskorrektur

Nach Ansicht von Bioland sind die Vorgaben viel zu kurz gegriffen und kontraproduktiv für den Umbau der Nutztierhaltung hin zu mehr Tierschutz. „Rund 20.000 Bio-Tierhalter, die bereits höchste Standards der artgerechten Tierhaltung praktizieren, werden bei diesem Kennzeichnungssystem ausgegrenzt. Statt das bewährte und vom Verbraucher gelernten System der Eierkennzeichnung auf den Fleischbereich anzuwenden und die höchste Label-Stufe der Bioerzeugung zuzuordnen, setzt Klöckner ein kompliziertes Kriteriensystem mit wenig Substanz für den Tierschutz durch. Engagierte Biobetriebe finden sich in keinster Weise in diesem System wieder“, kritisiert Jan Plagge, Präsident Bioland.

Er bemängelt, dass so der heutige Stand der Tierhaltung festgeschrieben werde. Zudem seien die Kriterien der Einstiegsstufe viel zu schwach und würden den Verbrauchern bessere Haltungsbedingungen vorgaukeln. So seien weiterhin das Schwänzekupieren sowie das Abschleifen der Eckzähne in der Einstiegsstufe erlaubt, obwohl dies nach Vorgaben der EU bereits seit 2008 nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig sein soll.

Bioland fordert ein stimmiges Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung. In der Schweinehaltung würde das bedeuten: Mastschweineställe mit deutlich mehr Platz und Auslauf sowie die Abschaffung des Kastenstandes in der Sauenhaltung. Damit ein erfolgreicher Umbau der Schweinhaltung gelingt, muss der gesamte Instrumentenkasten von gesetzlichen Regelungen, klarer Kennzeichnung und gezielter Förderung genutzt werden.

Tierschutzbund: 1. Stufe nicht mehr als PR

Als unzureichend bewertet auch der Tierschutzbund die Vorschläge. Fehler seien die Freiwilligkeit und die schwachen Ergebnisse nach drei Jahren Diskussion. Auch der Tierschutzverband hält die 1. Stufe für "Verbrauchertäuschung", die den Beinamen „Tierwohl“ nicht verdient. Präsident Schröder: „Die Kriterien in der 1. Stufe liegen, wenn überhaupt, nur knapp über dem gesetzlichen Standard. Die Aussage, man habe „20 Prozent mehr Platz schon in der 1. Stufe geschaffen“ hat PR-Charakter, aber für den Tierschutz keinen Effekt.“ Es müsse bei diesem System auch Bewegung für die Zukunft geben. Dazu sei eine progressive Förderung mit massiv mehr Mitteln als bisher essentiell. Bis heute sei unklar, wie hoch die Fördermittel sein sollen, aus welchen Töpfen diese kommen und wie sie angewendet werden sollen. Auch fehlen laut Schröder die Antworten auf weitere Fragen, etwa wie Kontrollen gestaltet werden und wer Lizenzen vergibt. Nicht zuletzt fehlt ihm eine grundsätzliche Marschrichtung im Rahmen einer laut Koalitionsvertrag geplanten Nutztierstrategie.

Das Land Berlin habe eine Normenkontrollklage zur Schweinehaltung eingereicht. "Damit sei völlig unklar, wie das Ordnungsrecht in Zukunft aussehen wird. Damit ist es auch unverantwortlich, jetzt ein Tierwohlkennzeichen zu etablieren, das sich über den Abstand zum Gesetz rechtfertigen will. Da verwundert es auch nicht, dass immer mehr Landwirte verunsichert sind, weil sie immer noch nicht verlässlich wissen, wo sie investieren sollen“, so Schröder.

CDU: Realistische Einstiegsstufe notwendig

Die CDU/CSU Fraktion im Bundestag unterstützt Klöckner bei der Einführung eines staatlichen Tierwohlkennzeichens. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Albert Stegemann sagte: „Tierwohl ist ein Megatrend, wenn es um unsere Ernährung geht. Gleichwohl schaffen Umfragen allein noch keine Umsätze. Die große Mehrheit der Kunden ist und bleibt an der Ladentheke preissensibel. Dies hat vor wenigen Wochen eine Studie der Hochschule Osnabrück ergeben. Deswegen brauchen wir eine staatliche Tierwohlkennzeichnung, die die Verbraucher in der Breite anspricht und nicht nur in der Nische verharrt. Dafür ist eine realistische und praktikabel ausgestaltete staatliche Einstiegsstufe unter Einbeziehung der bewährten Initiative Tierwohl notwendig. Nur so können wir eine breite Marktdurchdringung sicherstellen. Wir werden uns die Kriterien, die jetzt vorgestellt wurden, sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen des staatlichen Tierwohlkennzeichens im Detail ansehen und darüber intensiv im Parlament beraten. Das Geld für mehr Tierwohl muss bei den Landwirten und damit bei den Tieren ankommen. Zugleich müssen Tierwohl-Produkte ‚Made in Germany‘ alle erreichen, denen bessere Haltungsbedingungen am Herzen liegen.“

SPD: Aus Freiwilligkeit Verpflichtung machen

Die SPD kündigt Nachbesserungen am Konzept von Klöckner an. "Die geplante, freiwillige staatliche Tierwohlkennzeichnung ist ein erster Schritt, der aber deutlich Luft nach oben lässt, sagte der Sprechersder AG Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Spiering. Seine Fraktion will sich weiterhin dafür einsetzen, dass aus der Freiwilligkeit ein verpflichtendes Tierwohllabel werde. Zudem sollten sich die Kriterien deutlicher von dem gesetzlichen Standard abgrenzen. Da die Kennzeichnung zunächst nur für Schweine gilt, fordert die SPD eine unverzügliche Ausarbeitung von Kriterien für Geflügel und Rinder. „Nur so kann eine "Labelflut" und weitere Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher vermieden und effektiv im Sinne des Tierwohls gehandelt werden“, so Spiering.

Linke: "Zögerliches Taktieren verspielt Zukunft der Tierhaltung"

Aus Sicht der Linkspartei enttäuscht das Label durch seine freiwilligen und nicht ausreichend vorausschauenden Kriterien. Wer jetzt keinen rechtsicheren Rahmen für das nächste Jahrzehnt setzt, führe die Tierhaltung in eine Sackgasse, meint Agrarsprecherin Kirsten Tackmann."Gesellschaftliche Akzeptanz wird verspielt. Handels- und Verarbeitungskonzerne bleiben zu ihrem eigenen Wohl die Taktgeber, ohne dass kostendeckende Erzeugerpreise gesichert sind. Eine verlässliche und vertrauenswürdige Agrarpolitik sieht anders aus“, so die Politikerin. Sie erinnert an das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik von vor vier Jahren. Zwar habe Julia Klöckner angesichts des steigenden öffentlichen Drucks die Blockade ihres Amtsvorgängers Schmidt aufgegeben. Aber wo Strategie und Weitblick gebraucht werden, taktiere sie und fahre auf Sicht. "Statt an der Seite der Erzeugerbetriebe zu stehen, knickt die Ministerin wie bei der Ferkelkastration erneut vor der Erpressung von Verarbeitungs- und Handelskonzernen ein, die vor allem billige Rohstoffe wollen. Stattdessen muss endlich ernsthaft diskutiert werden, wie viel und welche Tierhaltung wirklich gebraucht wird und wie der nötige Umbau finanziert werden kann. Ein Pflaster, das den Systemfehler höchstens kaschiert, wird nicht gebraucht.“

Grüne: Wischi-Waschi-Label

Die Grünen lassen kaum ein gutes Haar an Klöckners Kriterien. „Die Vorschläge von Frau Klöckner sind mehr als ernüchternd. Sie grenzen an Verbrauchertäuschung, denn sie verharmlosen schlimme Verhältnisse im Stall“, sagte der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. Klöckners Kennzeichnung sei weder verpflichtend, noch sorge sie für tatsächlich bessere Haltungsbedingungen. „Wir brauchen kein weiteres Wischi-Waschi-Label, sondern eine verbindliche und verständliche Kennzeichnung, die deutlich macht, wie Tiere gehalten werden“, so Hofreiter weiter. Er forderte strengere gesetzliche Regeln für eine bessere Tierhaltung. „Freiwillige Lösungen helfen nicht weiter“, sagte er.

FDP: Nichts Halbes und nichts Ganzes

„Das Tierwohllabel von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Ob es sich durchsetzt, wird nicht im Ministerium, sondern an der Ladenkasse entschieden“, sagte der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Dr. Gero Hocker. Was es dafür nicht brauche sei eine staatliche PR-Kampagnen mit Millionenkosten für die Steuerzahler. Vielmehr würden effektive und zielgerichtete Kontrollen benötigt, so Hocker. „Höhere Standards in der Tierhaltung sind wünschenswert, kosten aber Geld. Darüber muss vor allem mit den Tierhaltern gesprochen werden“, sagte er. Die Verbraucher müssten wissen: „Es ist eine Sache, sich in Umfragen für mehr Tierwohl auszusprechen, und eine andere, höhere Preise für Fleisch zu bezahlen.“

Verbraucherschützer: Ab 2020 nur noch 1 Tierwohlkennzeichen

Der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Klaus Müller, bezeichnete die Kriterien für das staatliche Tierwohlkennzeichen als „lange überfällig“. Er kritisierte die Einstiegstufe als zu niedrig. „Stufe 1 bringt zwar Verbesserungen über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus, im Ergebnis aber nur zu geringe Verbesserungen für die Haltung von Schweinen“, sagte er. 20 Prozent mehr Platz im Stall reichten nicht aus, um von mehr Tierwohl zu sprechen. Es kann allenfalls ein erster zeitlich begrenzter Schritt sein. Mit den Stufen 2 und 3 könnten deutlichere Fortschritte bei der Haltung von Schweinen erreicht werden. „Handel und Gastronomie stehen nun in der Verantwortung, entsprechende Angebote vorzuhalten“, so Müller weiter. Für den Verbraucher müsse am Produkt erkennbar sein, für welche Stufe beim Tierwohl er bezahlt. „Ab 2020 brauchen wir nur noch eine Tierwohlkennzeichnung, um keine Verwirrung zu stiften“, so Müller. Das Tierwohlkennzeichen müsse außerdem Auftakt für eine verbindliche europäische Haltungskennzeichnung sein, hieß es beim vzbv.

Demeter: Lenkende Funktion fehlt

Das sieht auch der Demeter-Verband so. Vorstand Alexander Gerber kritisiert: "Da hinkt die Politik den Anforderungen der Gesellschaft weit hinterher. Die Verbraucher fordern Transparenz und ein System, das deutlich mehr Tierwohl bewirkt. Das Gegenteil ist der Fall: Bei einer nur freiwilligen und nicht gesetzlich verpflichtenden Kennzeichnung wird nur ein kleiner Teil des Fleischsortiments gelabelt. Nicht einmal der gesetzliche Mindeststandard wird als unterste Stufe transparent dargestellt." Zudem gelte das erarbeitete Modell nur für Mastschweine, schließe aber die Sauenhaltung aus und umfasse lediglich drei Stufen, wobei die Kriterien der Eingangsstufe etwas über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen. Was der beinhaltet, sei allerdings nicht ausgezeichnet, so Demeter. Laut Gerber habe das staatliche freiwillige und dreistufige Tierwohl-Label keinerlei lenkende Funktion. "Seine Einführung wird nicht zu mehr Tierwohl führen – im Gegenteil: Die meisten, die ihre Produkte überhaupt labeln wollen, geben sich mit dem Wenigen zufrieden, mit dem sie Stufe 1 erreichen und die Lebensmittel damit mit ‚mehr Tierwohl‘ schmücken können. Das neue staatliche Tierwohl-Label ist, so muss man das leider sagen, eine vertane Chance und eine Mogelpackung.“ Bio, als das umfassendste Tierwohlkonzept – es schließt alle Tiere und unter anderem auch Futterqualität mit ein – werde bei Klöckners Konzept gar nicht berücksichtigt, bedauert Gerber.

BUND fordert generellen Umbau der Tierhaltung

Für eine langfristige Planung brauchen die Bauern aus Sicht des BUND eine gesetzliche Verankerung der Kennzeichnung, sonst kann der Umbau nicht gelingen. Dazu Tierschützerin Katrin Wenz: „Der notwendige Umbau der Tierhaltung braucht Planungssicherheit und staatliche Unterstützung. Landwirte, die nicht wissen, was auf sie zukommt, werden ihre Haltungssysteme nicht umbauen und größere Investitionen tätigen. Auf Freiwilligkeit zu setzen, ist der falsche Weg. Zudem darf Tierleid, das in der ersten Stufe gang und gäbe sein wird, vom Staat nicht finanziell gefördert werden. Die Kennzeichnung ab der zweiten Stufe, wo es deutlich mehr Platz für die Tiere gibt und die Ringelschwänze dranbleiben, sollte hingegen mit Mitteln gefördert werden, um so eine Änderung der Fleischproduktion zu erreichen.“

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