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TA Luft: Schweinebestände abstocken statt Abluftfilter?

Sobald die neue TA Luft verabschiedet ist, werden viele Ferkelerzeuger und Mäster viel Geld in die Emissionsminderung investieren müssen. Für wen ist die Bestandsabstockung der günstigere Weg?

Lesezeit: 9 Minuten

Deutschland hat sich in internationalen Verträgen dazu verpflichtet, die Ammoniakbelastung (NH3) zu senken. Das Ziel ist u.a., die Biodiversität zu erhalten.

Im Rahmen der NEC-Richtlinie hat die Bundesregierung zugesagt, den NH3-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 29% im Vergleich zu 2005 zu senken. Hier steht insbesondere die Landwirtschaft in der Pflicht.

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Darüber hinaus hat Deutschland die europäische Industrial-Emissions-Directive (IE-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt. In der Richtlinie wird zum Beispiel der Einsatz von Techniken gefordert, die zum Klimaschutz beitragen können. Dazu gehören die „Besten verfügbaren Techniken“ (BVT). In der BVT-Liste sind Minderungsverfahren wie beispielsweise die Güllekühlung, die Gülleansäuerung oder Trennsysteme für tierischen Kot und Harn aufgelistet.

Übersicht 1 zeigt, wie hoch das jeweilige Minderungspotenzial der verschiedenen Verfahren ist. Ob auch Abluftfilter uneingeschränkt als BVT gelten, ist bislang umstritten.

Die Minderungsverfahren werden voraussichtlich Bestandteil der novellierten Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) sein, deren Überarbeitung sich derzeit in der finalen gesetzgeberischen Abstimmung befindet. In der TA Luft wird darüber hinaus unterschieden zwischen den Anforderungen zum Schutz der Umwelt und den Anforderungen zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen.

Bei den Schutzanforderungen handelt es sich um Immissionswerte (Grenzwerte), die an einem Standort eingehalten werden müssen. Dazu zählen z.B. Grenzwerte für Ammoniak und Gerüche. Die Schutzanforderungen entscheiden u.a. über die Genehmigungsfähigkeit eines Stallbauvorhabens.

Bei den Vorsorgeanforderungen geht es hingegen um technische Lösungen, die mit der Listung in der TA Luft als „Stand der Technik“ gelten. Die Anforderungen müssen unabhängig vom Standort erfüllt werden. Eine Vorgabe kann z.B. der Einbau eines Abluftfilters sein, um die NH3-Emissionen und die Geruchsbelastung zu senken.

Zu beachten ist, dass die Filterpflicht künftig ab einer Anlagengröße mit mehr als 2000 Mast-, 750 Sauen- oder 6.000 Ferkelaufzuchtplätzen gelten soll. Diese Betriebe werden als sogenannte G-Anlagen im Sinne der 4. Bundesimmissionsschutz-Verordnung geführt (BImSchV). Bei Neubauten soll die Abluftreinigung künftig zwingend vorgeschrieben werden. Bei Bestandsbauten ist eine fünfjährige Übergangsfrist für die Nachrüstungspflicht vorgesehen.

Für kleinere Veredlungsbetriebe, sogenannte V-Anlagen ab 1.500 Mast-, 560 Sauen- oder 4.500 Ferkelaufzuchtplätzen, sollen im Neubaufall in Zukunft „gleichwertige qualitätssichernde Minderungstechniken“ vorgeschrieben werden. So kann z.B. der Einbau von Systemen zur Kot-Harn-Trennung oder anderer Verfahren Pflicht werden. Für Bestandsbauten ist hier eine Übergangsfrist bis Ende 2028 in der Diskussion.

Wichtig dabei ist: Das Minderungspotenzial des Gesamtbetriebes muss im Neubaufall bei mindestens 40 % in Bezug auf NH3 liegen. Baut der Betriebsleiter eine Technik mit höherem Minderungspotenzial ein, kann es ausreichend sein, nur einen Teil der Ställe mit emmissionsmindernder Technik auszurüsten, um auf 40 % Minderung in Bezug auf den Gesamtbetrieb zu kommen.

Mast: Bestand abstocken?

Die Überarbeitung der TA Luft zeigt bereits jetzt, dass sich insbesondere größere Veredelungsbetriebe zeitnah mit dem Thema Ammoniakminderung beschäftigen müssen. Die entscheidende Frage dabei ist: Welche Minderungstechnik ist für den Betrieb die kostengünstigste Lösung? Außerdem ist die Frage zu klären, ob die Bestandsabstockung gegebenenfalls der wirtschaftlich interessantere Weg ist.

Im Folgenden wurden für drei unterschiedlich große Ferkelerzeuger- und Mastbetriebe die Kosten kalkuliert, die durch den Einbau von Minderungstechniken entstehen. In allen Beispielen wurde immer mit der Minderungsleistung für den gesamten Tierbestand kalkuliert.

Für das Verfahren Gülleansäuerung sind nur die reinen Verfahrenskosten angesetzt worden. Der positive Ackerbaueffekt durch die steigenden Stickstoffgehalte ist nicht berücksichtigt worden, da die Effekte regional unterschiedlich hoch sind. Bei allen Kosten handelt es sich um Jahreskosten inklusive der Investitions-, Energie- und Arbeitskosten.

Parallel dazu wurde für jeden Betrieb berechnet, wie sich die Abstockung des Schweinebestandes finanziell auswirkt. Diese Lösung kann günstiger sein, wenn der Betrieb durch die Abstockung von nur wenigen Mastschweinen oder Sauen in die nächst kleinere Kategorie im Genehmigungsrecht rutscht.

Wie in in der Übersicht 2 oben zu sehen, ist für den Schweinemastbetrieb mit 2.100 Plätzen (G-Anlage) die Abstockung auf 1999 Mastplätze (V-Anlage) auf den ersten Blick die günstigste Variante. Denn der Landwirt verliert dadurch im Jahr nur 7.200 € an Direktkostenfreier Leistung (DkfL).

Der Pferdefuß bei dieser Lösung ist jedoch: Bei einer Bestandsabstockung muss der Betriebsleiter bedenken, dass er mit der Abstockung auf 1.999 Plätze die Vorgaben der V-Anlagen (40 % NH3-Minderung) erfüllen muss. Neben dem Deckungsbeitragsverlust entstehen für den Landwirte also zusätzliche Kosten für den Einbau und den laufenden Betrieb der Minderungstechnik.

Wie die Berechnungen zeigen, kostet der Einbau von geneigten Seitenwänden im Güllekanal unter Berücksichtigung der entgangenen Direktkostenfreien Leistung den Landwirt rund 19.000 € jährlich. Nicht berücksichtigt sind die zusätzlichen Kosten für den Bau eines Güllebehälters. Dieser wird notwendig, weil der Schweinemäster durch den Einbau von geneigten Seitenwänden in den Kanälen Lagerraum im Stall verliert.

Als alternatives Minderungsverfahren kann der Schweinemäster die Gülle kühlen oder ansäuern. Bei der Kühlung belaufen sich die Kosten auf knapp 36.000 € pro Jahr. Bei der Ansäuerung sind es knapp 40.000 € jährlich. Besonders teuer wird der Einbau einer Kot-Harn-Trennung mit Schieber. Bei dieser Lösung belaufen sich die Kosten auf über 65.000 € pro Jahr. Das Problem sind insbesondere die hohe Investitionskosten für den Einbau der Technik in allen Güllekanälen.

Entscheidet sich der Schweinemäster angesichts der hohen Verfahrenskosten gegen die Bestandsabstockung, muss er seine Ställe mit Abluftfiltern ausrüsten. Diese kosten den Unternehmer über 28.000 € pro Jahr.

300 Mastschweine weniger

Ganz anders sieht die Situation im zweiten Betrieb mit 1.800 Mastplätzen aus. Wenn der Landwirt um über 300 Tiere auf 1.499 Mastplätze abstockt und so unter den nächsten BImSchG-Schwellenwert fällt, verliert er jährlich über 23.000 € DkfL.

Entscheidet sich der Mäster stattdessen dazu, den Tierbestand konstant zu halten, muss er in emissionsmindernde Technik investieren. Auch das kostet den Betriebsleiter viel Geld. Am preiswertesten sind geneigte Seitenwände im Güllekeller, die rund 11.000 € jährlich kosten. Auch hier wurden die Kosten für den Bau von zusätzlichem Lagerraum nicht berücksichtigt. Eine Alternative wäre für den Betriebsleiter die Güllekühlung für knapp 26.000 €.

In dem Schweinemastbetrieb mit 1.580 Mastplätzen ist die Bestandsreduzierung erwartungsgemäß die kostengünstigste Variante, weil die Reduzierung nur den Verlust von 80 Mastplätzen bedeutet. Der Mäster verliert dadurch gut 5.800 € DkfL.

Keine Alternative wäre die Beibehaltung des Tierbestandes. Denn im Vergleich zur Abstockung wäre die Investition in Minderungsverfahren teurer. Insbesondere die Kot-Harn-Trennung mit Schieber würde den Landwirt inklusive der entgangenen DkfL fast 47.000 € kosten. Das Hauptproblem sind die hohen Investitionskosten für das Schiebersystem.

Sauen: Hier wird es teuer

Die Überarbeitung der TA Luft trifft auch die Ferkelerzeuger. Zu beachten ist bei der Kostenkalkulation in der Ferkelerzeugung inklusive Ferkelaufzucht, dass die Minderungsmaßnahmen in der Regel in mehreren Produktionsbereichen umgesetzt werden müssen. Das treibt die Investitionskosten zusätzlich in die Höhe. In der Kalkulation wurde deshalb ein Aufschlag von 30% auf die Jahreskosten berücksichtigt.

Wie in Übersicht 3 dargestellt, verliert der Ferkelerzeuger mit 820 Sauen rund 41.000 € DkfL, wenn er seinen Bestand auf 749 Tiere abstockt, um künftig als V-Anlage geführt zu werden. Baut der Betriebsleiter geneigte Seitenwände in die Güllekanäle ein, liegen die Gesamtkosten bei über 54.000 € pro Jahr. Auch hier sind die Kosten für den Bau von zusätzlichem Lagerraum nicht berücksichtigt worden. Die anderen Minderungstechniken kosten den Unternehmer zwischen 83.000 und 130.000 €.

Soll der Sauenbestand hingegen konstant bleiben, muss der Landwirt einen Abluftfilter einbauen. Diese Investition kostet ihn fast 90.000 € pro Jahr. Bei einem Filter schlagen vor allem die Betriebskosten erheblich zu Buche.

Besonders hart treffen die künftigen Vorgaben der TA Luft den Ferkelerzeuger mit 720 Sauen. Stockt dieser um 161 Tiere auf 559 Sauen ab, um unter den nächst tieferen BImSchG-Schwellenwert zu rutschen, verliert er jährlich über 92.000 € DkfL! Dieser Betrieb kommt an dem Einbau von Minderungstechniken im Grunde genommen nicht vorbei. Am kostengünstigsten sind hier wiederum geneigte Seitenwände im Güllekanal. Auch die Güllekühlung oder die Gülleansäuerung sind für diesen Betrieb Verfahren, die in Betracht kämen.

Im dritten Beispiel stockt der Betrieb nur um 21 Sauen ab und liegt dann unterhalb der BImSchG-Grenze. Das kostet ihn gut 11.000 € DkfL. Damit ist sein finanzieller Verlust geringer als der Einbau von Techniken zur Emissionsminderung. Die preiswerteste Alternative sind allenfalls geneigte Seitenwände im Güllekanal.

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Sonderfall Tierwohl

„Nur“ 33 % Minderung in ­Tierwohlställen?

Die Schweinehaltung in Deutschland soll in Zukunft mehr auf das Tierwohl ausgerichtet werden. Das Problem dabei ist: Mehr Tierwohl und Umweltschutz passen selten unter einen Hut. In Schweineställen mit Tiefstreu zum Beispiel entsteht mehr Ammoniak als in anderen Haltungssystemen.

Dennoch plant der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen. Für Außenklimaställe, in denen das Tierwohl verbessert wird, soll die NH3-Minderung „nur“ bei 33 % liegen. Begründet wird das insbesondere durch die im Vergleich zu zwangsbe­lüfteten Gebäuden geringeren Temperaturen in Außenklimaställen. Je geringer die Temperatur ist, desto weniger Ammoniak wird freigesetzt.

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K O M M E N T A R

Wieder trifft es die ­Sauenhalter

Für deutsche Schweinehalter kommt es weiterhin knüppeldick. Der anhaltend hohe Kostendruck, die akute Seuchengefahr durch die Afrikanische Schweine­pest und die steigenden Haltungs­auflagen zerren an den Nerven der ­Betriebsleiter und ihrer Familien. Und der nächste Kostenklotz wartet schon.

Wenn die TA Luft so wie jetzt vom Gesetzgeber geplant verabschiedet wird, trifft es wiederum die Ferkel­erzeuger knüppeldick. Besonders ­Sauenhalter, die in den letzten Jahren ­angesichts der Forderungen nach ­großen und einheitlichen Ferkelpartien kräftig investiert und ihren Bestand auf zukunftsfähige 750, 800 oder 1.000 Sauen aufgestockt haben, sind jetzt die Gelackmeierten.

Wollen sie ihren Sauenbestand halten, müssen sie in teure Filtertechnik investieren. Stocken sie auf unter 750 Sauen ab, bleibt ihnen zwar der Abluftfilter erspart. Dafür müssen sie aber in teure technische Verfahren zur Emissionsminderung investieren.

Wen wundert es angesichts dieser Perspektiven noch, wenn immer mehr Sauenhalter frustriert das Handtuch ­werfen. Es wird Zeit, dass Verbraucher, Politiker und NGOs endlich die Zeichen der Zeit erkennen und Ferkelerzeugern nicht ständig neue und kostenintensive ­Auf­lagen aufbürden. Alle Beteiligten müssen sich fragen: Wollen wir uns noch weiter von Ferkelimporten abhängig ­machen? Können wir uns das wirklich leisten? Führt uns Corona nicht gerade vor Augen, wie gefährlich es ist, wenn Lieferketten unterbrochen werden?

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