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Landwirtschaft im Dialog

Tierwohl: Trägt es der Markt oder braucht es den Staat?

Deutschland drückt in puncto mehr Tierwohl und bessere Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen aufs Tempo. Clemens Tönnies glaubt zudem, dass sich künftig kleinere Schlachtstrukturen bilden werden.

Lesezeit: 6 Minuten

„Deutschland ist ein starker und wettbewerbsfähiger Standort für die Tierhaltung, den wir erhalten und zukunftssicher machen wollen“, eröffnete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Mittwochabend das top agrar-Diskussionsformat Landwirtschaft im Dialog zum Thema: „Mehr Tierwohl in den Ställen und bessere Arbeitsbedingungen an den Schlachthöfen: Was leistet der Markt und wo braucht es den Staat?“ Moderiert wurde die Veranstaltung von top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann und Marcus Arden, Redakteur und Koordinator Fachbereich Tierhaltung.

In ihrem Impulsstatement stellte die per Videostream zugeschaltete Ministerin nochmals klar, dass die Landwirte für den Umbau der Nutztierhaltung eine wirtschaftliche Perspektive benötigen. Zudem müssen die Rahmenbedingungen nun zügig geschaffen werden. In diesem Zusammenhang appelliert Klöckner an die SPD, die dringend geforderten Anpassungen im Baugesetzbuch nicht länger zu blockieren.

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Zu der Frage, welches Konzept für den Umbau der Tierhaltung tragfähig ist, äußerte sich Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht: Er erklärte in seinem Video-Impulsstatement, dass mit den Borchert-Plänen nun ein tragfähiges Konzept zum Umbau der Tierhaltung vorliege, das parteiübergreifend Anklang gefunden habe und das er als grüner Umweltminister ebenfalls unterstützt. Er plädierte für eine Tierwohlabgabe, um den Umbau zu finanzieren. „Ich erwarte, dass die Große Koalition den Umbau jetzt auf den Weg bringt. Denn die Monate bis zur Bundestagswahl geht den Betrieben verloren. Junge Betriebsleiter können nicht weiter warten und müssen sich jetzt entscheiden!“

Tierwohl-Entgelt muss auch beim Sauenhalter ankommen

Während die Politik Wünsche formuliert, müssen die Landwirte Tierwohl-Maßnahmen im Stall umsetzen. Wie man es machen kann, erklärte Landwirtin Annika Rösch aus Baden-Württemberg. Sie hat Bewegungsbuchten im Abferkestall eingebaut und ist damit gut zufrieden. Kritik übte sie aber an den Vermarktungsbedingungen. Die Sauenhalterin vermarktet ihre Ferkel über verschiedene Tierwohlprogramme. Sie kritisierte, dass das Mehr an Tierwohl nicht über die gesamte Kette honoriert werde. „Ferkelerzeuger sind bei den Preisverhandlungen außen vor. Das ist falsch – Schweine müssen von der Geburt bis zur Schlachtung honoriert werden. Ohne uns funktioniert es nicht“, fordert die Junglandwirtin ein Umdenken.

Vor der Herausforderung, die neuen Tierwohlvorgaben der HaltungsVO umzusetzen, steht auch David Oberhoff aus Sachsen, der 3.000 Sauen im geschlossenen System hält. Er muss seine erst 2010 gebaut Sauenanlage erneut umbauen und zum Teil neue Gebäude errichten. „Die Genehmigung wird eine Herausforderung“, so Oberhoff.

„Wir wollen in mehr Tierwohl investieren, aber es scheitert wieder an den Genehmigungen“ - Oberhoff

Er fordert von der Politik zudem endlich Klarheit bei der Haltungskennzeichnung und ein Ende des Labeldschungels. „Ein staatliches Tierwohllabel muss kommen, denn der Verbraucher muss unsere Anstrengungen beim Tierwohl endlich klar erkennen können.“

Wie man mit Tierwohl auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann, berichtete Dr. Jens van Bebber aus Niedersachsen. Er vermarktet in einer geschlossenen Wertschöpfungskette Qualitätsfleisch aus eigener Produktion. Dafür hat er seine konventionellen Mastställe zu Außenklimaställen umgebaut. Er ist davon überzeugt, dass sich Tier- und Umweltschutz nicht gegenseitig ausschließen müssen und berichtete von seinen Erfahrungen mit der Mast in Außenklimaställen. „Um die gesellschaftlich geforderten Veränderungen auch umsetzen zu können, sind jedoch dringend Erleichterungen im Baugesetz notwendig“, appellierte der Mäster.

20 Jahres-Verträge sollen Bauern Sicherheit geben

In der abschließenden Podiumsdiskussion beteuerte Jochen Borchert, Leiter des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, dass die Gesellschaft zwar mehr Tierwohl fordere, dies aber nicht honoriere. Diese Diskrepanz gelte es zu überwinden, damit die Landwirte in mehr Tierwohl investieren können. Ein wichtiger Faktor dafür seien 20-Jahres-Verträge, die der Landwirt mit dem Staat abschließt, um die Tierwohl-Mehrkosten über die Laufzeit der Abschreibung zu decken. Die ersten Vertragsentwürfe sollen noch vor der Bundestagswahl auf den Weg gebracht werden, berichtete Borchert. Das hatte auch Landwirtschaftsministerin Klöckner in ihrem Eingangsplädoyer nochmals betont. Borchert zeigte sich optimistisch, dass sein Konzept auch nach der Wahl vorangetrieben wird.

Grundsätzlich hält Bochert eine Zusammenarbeit mit der Initiative Tierwohl (ITW) bei der Umsetzung für denkbar. Auch ITW-Geschäftsführer Dr. Alexander Hinrichs schließt eine Verzahnung der Borchert-Vorschläge bei der organisatorischen Umsetzung nicht aus. Beide eine, dass sie die Förderung und Weiterentwicklung des Tierwohls im Blick haben, so Hinrichs.

Dabei müsse Tierwohl jedoch auch in geschlossenen, konventionellen Ställen umsetzbar sein, gab Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), zu bedenken. Er forderte, dass die Tierwohlkriterien für die Landwirte umsetzbar sind und sich auch mit dem Bau- und Umweltrecht vereinen lassen. „Für die einzelnen Tierwohlstufen liegen zudem bislang nur wenige Erfahrungswerte vor“, so der WLV-Präsident. „Hier brauchen wir Versuchsställe, damit bei der Umsetzung der Tierwohlkriterien nicht jeder die gleichen Fehler macht“, so Beringmeier.

Ex-Bundesagrarminister Borchert ist sich sicher, dass kein Weg an mehr Tierwohl vorbei gehen wird. „Wenn wir diesen Weg nicht gehen, wird es weitere Klagen und Gerichtsurteile geben, die wir daraufhin umsetzen müssen. Wir sollten uns nicht von Gerichtsurteilen treiben lassen, sondern die Umgestaltung selbst in die Hand nehmen“, ist Borchert überzeugt.

Tönnies: Es werden sich kleinere Schlachtstrukturen bilden

Neben dem Thema Tierwohl diskutierte die Runde auch über die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen. Als positiv wertete der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister, dass die Bundesregierung im Kernbereich der Fleischwirtschaft Werkverträge und Leiharbeit verboten hat. „Corona und der Schweinestau haben offenbart, wie anfällig unsere Wertschöpfungsketten bei einer just-in-time-Produktion sind“, sagte der grüne Minister. Er forderte zudem, die Verarbeitungswege zu diversifizieren und regionale Schlacht- und Verarbeitungsstätten zu fördern. Auch Clemens Tönnies, Inhaber Tönnies Lebensmittel, war sich sicher, dass sich künftig kleinere Schlachtstrukturen bilden werden. „Ich bin jedoch gespannt, ob die Gesellschaft auch bereit ist, dafür höhere Preise zu zahlen“, gab er zu bedenken.

Davon ist Reinhild Benning, Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung der Deutschen Umwelthilfe überzeugt. „Der Schweinefleischpreis ist seit langem niedrig, aber die Nachfrage steigt nicht an, sondern sinkt“, so Benning. Der Markt funktioniere nicht mehr, stattdessen steige die Nachfrage nach Bioschweinen. „Der Fleischmarkt revolutioniert sich gerade“, erklärt Benning. „Wir werden künftig weniger Tiere schlachten, aber zu besseren Lohn- und Einkommenskonditionen für Arbeitnehmer und Erzeuger. Hier sehe ich eine Menge Raum für wertvolle Arbeitsplätze und Fleisch, das gesellschaftliche Akzeptanz genießt“.

Falls Sie die Veranstaltung verpasst haben, können Sie sich hier den Stream anschauen:

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