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Erfolgskonzept Rattenhotel: Professionelle Tipps vom Schädlingsbekämpfer

Wir sprachen mit Schädlingsbekämpfern, die mit „Rattenhotels“ ungewöhnliche Wege bei der Nagerbekämpfung gehen: Sie bieten den Ratten Holzkisten zum Nisten und Wohlfühlen an.

Lesezeit: 7 Minuten

Ratten und andere Schadnager können nicht nur Krankheiten wie Salmonellose oder Dysenterie übertragen. Sie fressen zudem erhebliche Futtermengen und verschmutzen das Futter mit ihrem Kot und Urin. Kein Schweinehalter möchte die Nager über den Hof oder durch die Stallungen huschen sehen. Landwirte machen es den Tieren bei der Bekämpfung daher so ungemütlich wie möglich.

Erfolgreiche Schädlingsbekämpfer bieten den Tieren in „Rattenhotels“ sogar genau das Gegenteil an: Einen trockenen, geschützten und isolierten Nistplatz.

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Holzkisten mit Stroh

Die Idee für Kisten lieferten die Nager selbst. Denn bei der Kontrolle von Köderboxen fielen den Fachleuten immer wieder Ratten auf, die Stroh in die Kisten geschafft und es sich dort gemütlich gemacht haben. Dieses Wissen machen sich die Experten zu Nutze. Gut funktioniert eine 80x60x20 cm große Kiste aus Lärchen- bzw. Douglasienholz, denn die handelsüblichen Köderboxen sind zu klein, um größere Rattenpopulationen zu tilgen.

Die „Rattenhotels“ sind 15 kg schwer und stehen auf zwei Dachlatten, damit die Unterseite trocken bleibt. Dachpappe schützt die Köderbox vor Witterungseinflüssen. Der Deckel ist durch zwei Schrauben befestigt, damit das Rattenhotel nicht leichtfertig geöffnet werden kann. Die zwei Eingänge sind von innen mit einer Dachlatte so gesichert, dass man von außen nicht in die Kisten hineingreifen kann.

Zur Innenausstattung des Rattenhotels gehört eine Futterschale aus dem Kleintierbedarf, in die das Ködermaterial kommt. Die Holzkiste polstert der Schädlingsbekämpfer zusätzlich mit langem Gerstenstroh aus. Wenn die Ratte die Köderbox einmal als Schlaf- und Nistplatz angenommen hat, geht sie schnell auch an den Köder, so die Beobachtung.

Regelmäßige Resistenztests

Beim Giftköder setzen Schädlingsbekämpfer vor allem auf Blutgerinnungshemmer der 2. Generation. Denn in einigen Regionen haben sich bereits Resistenzen gegen Blutgerinnungshemmer der 1. Generation entwickelt, was die Wahl der Wirkstoffe begrenzt.

Beliebt sind Flocken- oder Pastenköder mit dem Wirkstoff Brodifacoum. Diesen hoch wirksamen Wirkstoff der 2. Generation setzen Profis ein, wenn bereits eine Resistenz gegen Wirkstoffe der 1. Generation vorliegt. Deshalb führen manche Dienstleister bei ihren Kunden regelmäßig ein Monitoring durch, indem sei Rattenkadaver einsammeln und auf mögliche Resistenzen testen.

Besonders wichtig ist den Schädlingsbekämpfern, dass der Rattennachwuchs so früh wie möglich ausgemerzt wird. Denn bereits im Alter von drei Monaten sind die weiblichen Ratten geschlechtsreif. Doch gerade die trächtigen Tiere sind oftmals misstrauisch und köderscheu. Mit dem Rattenhotel tricksten sie die Tiere aus und bieten ihnen eine trockene Behausung zum Nisten an – mit dem Giftköder direkt vor der Nase.

„Die Ratten nehmen die Köderbox bereits nach einem Tag an“, berichtet ein Fachmann von seinen Erfahrungen. Man erkennt dies daran, dass der Eingang des Rattenhotels leicht verschmutzt ist und etwas Stroh vor dem Eingang liegt. In den meisten Fällen arbeiten die Experten von Anfang an mit dem Giftköder und platzieren ihn in einer kleinen Fressschale. Bei besonders misstrauischen Ratten lockt man die Tiere jedoch zunächst mit einem bereits bekannten Futter in die Box und legt den Giftköder erst später aus. Meistens ist das Problem dann behoben und die Ratten nehmen das Hotel an.

Box muss trocken bleiben

Damit die Köderkisten für die Schadnager lange attraktiv bleiben, säubert der Fachmann die Boxen in regelmäßigen Abständen. Nach der Erstinstallation kontrolliert er die Rattenhotels zunächst am dritten, fünften, achten und 14. Tag. Dabei legt er bei Bedarf immer wieder Köder nach und entfernt verendete Ratten. Sind die Ratten getilgt, kontrolliert man die Boxen im Abstand von vier Wochen.

Jedes Rattenhotel kann etwa fünf Jahre eingesetzt werden. Stehen die Köderkisten im Innenbereich können sie noch länger verwendet werden. Rattenexperten raten, das Stroh einmal im Quartal auszuwechseln. Stehen die Boxen im Stall, genüge es auch, das Stroh einmal jährlich auszutauschen. Allerdings darf keine Feuchtigkeit in die Holzkiste eindringen. Weiterer Tipp: Der Köder muss trocken bleiben, sonst verdirbt er und die Ratten rühren ihn nicht mehr an.

Aber: Der engagierte Einsatz eines Schädlingsbekämpfers hat seinen Preis. Ein hoffertiges Rattenhotel kostet z.B. mit 125 € zzgl. MwSt. deutlich mehr als herkömmliche Köderboxen. Pro Servicetag und Rattenhotel berechnet ein Experte, mit dem wir sprachen, zusätzlich noch einmal etwa 10 €. Der exakte Preis für den Service richtet sich nach der Anzahl der Rattenhotels und nach der Anfahrt. Der Grundpreis ist zwar teurer, dafür sind jedoch die Kosten für den Köderverbrauch beim Rattenhotel geringer.

Profi engagieren

Je nach Betriebsgröße werden etwa 15 bis 40 Rattenhotels benötigt. Landwirten mit gültigem Pflanzenschutzsachkundenachweis bieten manche Dienstleister an, die Rattenhotels lediglich aufzustellen. Nach einer kleinen Einführung übernehmen die Landwirte die Bekämpfung dann selbst.

Die meisten Kunden geben die Schadnagerbekämpfung inklusive Kontrolle und Dokumentation allerdings in die Hände eines Fachmanns. Ein Kunde ist Ansgar Geerdes aus dem emsländischen Messingen. Er bewirtschaftet einen Betrieb mit 350 Sauen inklusive Ferkelaufzucht und 1.100 Mastplätzen. Bisherige Bekämpfungsmaßnahmen erzielten auf dem Betrieb kaum einen Erfolg. Die von Geerdes bislang verwendeten Köderboxen aus Metall haben sich im letzten Sommer so stark erhitzt, dass die Ratten die Box selten aufgesucht und kaum Köder gefressen haben. „Der geringe Köderverbrauch hat uns dann einen geringen Schadnagerbefall vorgetäuscht“, erklärt Geerdes. Das nahm der 47-Jährige zum Anlass, einen Schädlingsbekämpfer zu kontaktieren.

Schlupflöcher aufdecken

Beim ersten Betriebsbesuch hat er zusammen mit dem Schädlingsbekämpfer zunächst das gesamte Betriebsgelände inspiziert. Denn Fachleute haben ein wachsames Auge für die Laufwege, Schlupflöcher und Nistplätze der Ratten entwickelt. Vor allem Güllesysteme, Futtersilos sowie Hohlräume und Zwischendecken bieten den Tieren eine optimale Behausung.

Bei Ansgar Geerdes konnte der Schädlingsbekämpfer den Befallsherd schnell identifizieren: Die Maschinenhalle und insbesondere die Futtersilos boten den Ratten vor allem nach der Getreideernte im Sommer ideale Futterplätze und Rückzugsmöglichkeiten.

In Absprache mit Geerdes platzierte der Experte insgesamt 18 Rattenhotels auf dem Betriebsgelände, um die Nager bereits von außen abzufangen. Im Stall übernimmt Geerdes die Schadnagerbekämpfung aus Biosicherheitsgründen weiterhin selbst.

Bereits am ersten Tag nach dem Aufstellen sind die Ratten in die Holzboxen eingezogen und die Beköderung konnte sofort starten. Nach etwa einem Monat war die Rattenplage getilgt. Seitdem kommt der Schädlingsbekämpfer einmal im Monat vorbei, um die Kisten zu kontrollieren und Köder nachzulegen. „Für mich ist ein rascher Tilgungserfolg das einzig wichtige bei der Rattenbekämpfung“, ist Ansgar Geerdes vom Konzept überzeugt.

Den bislang verwendeten Metallköderboxen hat Ansgar Geerdes abgeschworen: „Der Vorteil der Holzkisten ist, dass sie zu jeder Jahreszeit von den Nagern gut angenommen werden.“

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Interview: „Allein der Bekämpfungserfolg zählt!“

Widerspricht das Rattenhotel-Konzept nicht herkömmlichen Bekämpfungsmethoden gegen Schadnager?

Dr. Fischer: Prinzipiell nein. Der Erfolg gibt den Anwendern eines Rattenhotels Recht. Bei der Rattenbekämpfung versucht man seit jeher, die Köderstellen attraktiv zu machen, um die Ratten anzulocken. Der Fokus lag bisher auf dem Köder. Bei dem Rattenhotel wird aber bereits in der Vorstufe auf Attraktivität gesetzt.

Wo sehen Sie Vorteile dieser Bekämpfungsstrategie?

Dr. Fischer: Die überwiegende Anzahl der angebotenen Köderboxen besteht aus Kunststoff. Die Oberfläche und der Geruch führen besonders bei Ratten zu einer „Neophobie“. Diese Scheu vor Neuem verzögert oftmals den Bekämpfungserfolg. Die natürlichen Materialien Holz und Stroh sind daher tatsächlich ein neuer Weg in der Rattenbekämpfung. Die Erkenntnis ist im Prinzip zwar nicht neu, wurde aber bisher in der professionellen Bekämpfung nicht umgesetzt.

Welche Nachteile bringen die Rattenhotels mit sich?

Dr. Fischer: Für den beschriebenen Einsatz in Gebäuden und auf Höfen sehe ich keine Nachteile. Erstrebenswert wäre der Einsatz allerdings auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise in offenem Gelände oder auch in der Kanalisation. Hier ergäbe sich dann allerdings der Nachteil, dass die Holzkisten nicht witterungsbeständig, sperrig und schwer sind. Außerdem wäre die Wartung für diese Bereiche zu aufwendig.

Wie beurteilen Sie den Arbeitsaufwand bei der Schadnagerbekämpfung mit Rattenhotels?

Dr. Fischer: Der Aufwand ist hoch, aber letztendlich zählt der Erfolg. Solange es keine Fallensysteme gibt, die gleichzeitig effizient, tier- und artenschutzgerecht und bestenfalls biozidfrei sind, rechtfertigt dies die hohe Wartungsintensität.

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