top agrar: In einer Hauruckaktion hat das Bundeskabinett das Ende von Werkverträgen in der Fleischbranche ab Januar 2021 beschlossen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die Arbeitnehmer so besser schützen. Hat es die Fleischbranche „zu bunt“ getrieben?
Dr. Heike Harstick: Die pauschalen Vorwürfe von Politikern gegen die Fleischbranche sind völlig unberechtigt. Die Branche hält sich an Recht und Gesetz. Dies haben die Arbeitsschutzkontrollen in den Fleischbetrieben und den Unterkünften von Werkvertragsarbeitnehmern eindeutig belegt.
Wenn sich einzelne Unternehmen nachweislich nicht an die gesetzlichen Regelungen halten, müssen diese zur Rechenschaft gezogen werden. Als Branchenvertretung haben wir absolut kein Interesse daran, Missstände in einzelnen Unternehmen klein zu reden oder gar zu decken. Im Gegenteil, wir treten dafür ein, dass Rechtsverstöße schonungslos geahndet werden.
Was ist eigentlich falsch daran, wenn alle Arbeiter direkt bei den Schlachtunternehmen angestellt sind?
Harstick: Gar nichts. Ebenso wenig ist etwas falsch daran, Werkverträge einzusetzen. Einige Unternehmen sind von Werkverträgen abhängig, da sie vor Ort nicht genügend Mitarbeiter finden und selbst nicht in der Lage sind, diese im europäischen Ausland anzuwerben.
Die Form der Werkverträge zur Arbeitserledigung in der Fleischwirtschaft ist historisch gewachsen. Ursprünglich waren Einzelselbstständige an den zumeist kommunalen Schlachthöfen tätig. Mit dem Übergang in die Privatisierung und Strukturveränderungen bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel vor Ort werden Werkverträge seit 30 Jahren weit verbreitet zur Arbeitserledigung in der Fleischwirtschaft eingesetzt. Das ist in anderen Branchen wie z.B. in Logistikzentren oder im Schiffbau nicht anders.
Welche konkreten Folgen ergeben sich aus dem Beschluss für die Schlachtbranche?
Harstick: Das ist noch nicht absehbar, da der konkrete Gesetzesvorschlag noch nicht bekannt ist. Im Übrigen geht es hier nicht allein um die Schlachtung, sondern auch um die Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch.
Sicher dürfte sein, dass die Unternehmen zum 01.01.2021 nicht die Anzahl von Mitarbeitern zur Direktanstellung finden werden, die sie benötigen. Die Dienstleister werden sich ihre Mitarbeiter nicht einfach abwerben lassen, sondern sie in anderen Branchen einsetzen. Die Werkvertragsarbeitnehmer werden auch nicht sämtlich bereit sein, sich bei einem Fleischunternehmen anstellen zu lassen.
Wie viele Werksvertragsarbeitnehmer gibt es in der deutschen Fleischwirtschaft aktuell?
Harstick: Es gibt leider keine Arbeitsmarktstatistik, die Werkvertragsarbeitnehmer von direkt in einer Branche angestellten Arbeitnehmern getrennt erfasst.
Das Verbot halten einige Experten für verfassungswidrig. Wie sehen Sie das und werden Sie als Verband rechtlich dagegen vorgehen?
Harstick: Es gibt gute Ansatzpunkte, die die Verfassungsmäßigkeit durchaus in Frage stellen. Als Verband werden wir im Anhörungsverfahren - sofern es denn eines geben wird, das diesen Namen verdient - selbstverständlich mit rechtlichen und sachlichen Argumenten gegen das vollständige Verbot vorgehen. Eine Verfassungsklage ist nur für direkt Betroffene (Unternehmen und Personen) möglich und auch erst dann, wenn das Gesetz vorliegt.
Welchen Kompromissvorschlag haben Sie anzubieten?
Harstick: Wir haben der Bundesregierung bereits vor dem Kabinettsbeschluss einen 5-Punkte-Plan vorgeschlagen, der genau an den Stellen ansetzt, die in Kritik stehen. Im Kern geht es um einheitliche Standards für die Unterbringung von Werkvertragsarbeitnehmern und mehr Verantwortung der Fleischunternehmen für die Werkvertragsmitarbeiter. Dies kann durch gesetzlich festgelegte Pflichten und Rechte für die Werkvertragsgeber erreicht werden, die dann bundeseinheitlich umgesetzt und kontrolliert werden.
Wie verändern sich die Schlacht- und Zerlegekosten durch den Beschluss?
Harstick: Das ist noch nicht berechenbar. Es wird aber gar nicht allein um die Kosten gehen, sondern vielmehr um die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für Schlachtung und Zerlegung. Sowohl höhere Kosten für die Arbeitserledigung als auch der zu erwartende Mangel an Arbeitskräften wird dazu führen, dass einige Unternehmen ihre Tätigkeiten dorthin verlagern, wo die Arbeitskräfte verfügbar sind. Fleischzerlegung und Verarbeitung findet dann verstärkt im Ausland statt.
Viele Bauern befürchten, dass sie die Mehrkosten „aufs Auge gedrückt“ bekommen. Inwieweit können Sie die Bauern beruhigen?
Harstick: Auf jeder Stufe müssen die Erlöse die Kosten decken und auch einen Gewinn ermöglichen. Dies gilt für die Bauern genauso wie für die Fleischbetriebe. D. h. zusätzliche Kosten auf einer Stufe müssen nach vorne, also beim Verbraucher, durchgesetzt werden.
Inwieweit verlieren die deutschen Schlachtunternehmen durch die neuen Vorgaben an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Unternehmen?
Harstick: Die Frage sollte eher lauten: Wieviel Wertschöpfung und Wirtschaftskraft bei der Fleisch- und Fleischwarenerzeugung bleibt noch im eigenen Land? Die Antwort wäre: Es wird auf jeden Fall weniger werden.
von Willy Toft
Bei großen Firmen klappt das, bei unseren Familenbetrieben nicht, wir löhnen Gesetzeskonform!
Was für eine Aufregung, als wenn man die Mißstände nie mitbekommen hat! Rumänische Arbeiter leben eben sparsam, und schicken alles nach Hause, nur wenn überteuert untergebracht ist, ist es zu beanstanden!
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von Robert Abel
Frech.
Werkverträge als positives Argument bei der Mitarbeiteranwerbung. Was für ein Hohn. Das ist an Frechheit nicht zu überbieten. Hier geht es um Ausbeutung. Nichts weniger. Die Entstehung der Schlachtzentren an sich ist schon ein Irrweg gewesen. Es sollte per Gesetz vorgeschrieben ... mehr anzeigen werden, dass Schlachtvieh nicht weiter als 50km um den Erzeugerbetrieb transportiert werden darf. Tiefgekühlt kann das tote Tier gern gefahren werden. Schlachthöfe sollen Metzger ausbilden müssen. Und wenn das schon alles unbedingt in industriellem Maßstab abläuft, soll auch Industrie-/Tariflohn bezahlt werden. Dann haben die Fleischbarone auch Mitarbeiter und keine Sklaven. weniger anzeigen
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von Diedrich Stroman
Ausbeutung!
Wir Bauern werden auch bis zur Schmerzgrenze Ausgebeutet, was regen wir uns auf, jeder Industriebetrieb arbeitet mit Leiharbeitern, ob Paketdienste oder VW und andere, weil auch Deutschland zu faul oder satt ist, warum exportieren die Chinesen wohl soviel, da hat man den Leiharbeiter ... mehr anzeigen gleich in China gelassen, sind fleißig, flink und genügsam!!Do wie die Bauern auch!!Der Fisch stinkt vom Kopf her und da fangen wir bei der globalisierten Freihandelspolitik an!!!!Das ganze auf positives Wirtschaften gerichtete System an sich ist doch Schuld an diesem Wahnsinn!!!! weniger anzeigen
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von Hans-Gottfr. Gresshöner
Ist alles eine Preisfrage,Robert Abel!
Emotionen helfen nicht! In D muss das Essen billig sein und nicht nur das! "GEIZISTGEIL" ist die Devise.
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von Norbert Schulze-Darphorn
Wie war das noch mit den Werksverträgen
Gilt natürlich nicht für alle https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/umweltministerium-soll-600-000-euro-an-berater-gezahlt-haben-11862356.html
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von Heinrich-Bernhard Muenzebrock
Recht und Gesetz
Die Branche hält sich nicht an Recht und Gesetz wenn man zulässt, dass die Zeitarbeitsfirmen ihre Mitarbeiter wie Sklaven halten. Das muss der Vergangenheit angehören. Die Firmen müssen ihre mitarbeitenden Arbeiter selbst beschäftigen. Dazu gehört in erster Linie, dass die ... mehr anzeigen Verantwortung für die Mitarbeiter übernommen wird und ein entsprechender Lohn, der mit den Gewerkschaften ausgehandelt wird. Gute Arbeit muss sich lohnen!. Ein guter Arbeitgeber, sorgt auch für eine vernünftige Unterkunft für seine Mitarbeiter. Die Zeiten, in denen die "Werksarbeiter" wie Sklaven gehalten werden müssen endgültig der Vergangenheit angehören. Das wird die Unternehmen nur einen kleinen Teil ihres Profites kosten. Aber auf der anderen Seite wird es das Image einer ganzen Branche und damit die Akzeptanz in der Bevölkerung erheblich verbessern. weniger anzeigen
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von Georg Nordendorf
Soweit korrekt,
zwei Anmerkungen möchte ich mir dazu dennoch erlauben...... Werkverträge und Subunternehmertum, mit all den damit zusammenhängenden Problemen sind aber beileibe kein exklusives Problem der Fleischbranche. Laßt uns doch mal im Baugewerbe hinter die Kulissen schauen - allen voran ... mehr anzeigen Deutschlands Großbaustellen. Ich möchte nicht wissen, was beispielsweise beim BER, Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie so alles im Argen lag oder auch noch liegt. Und auch in der Landwirtschaft lege ich nicht für jeden mine Hand ins Feuer.... Hauptsache der Arbeiter war billig..... Ein Zweites, die meist osteuropäischen Arbeitnehmer, haben das Ziel, möglichst viel Geld mit nach Hause zu nehmen .Ergo wollen sie meist auch keine Luxusunterkunft und ein Sternemenue, wo ihnen dann entsprechend Geld für Kost und Logie abgezogen wird. Aber schlicht heißt ja nicht Menschenunwürdig! Eine einfache Unterkunft und ein schlichtes Essen gilt es halt mit Menschenwürde zu einem gesunden Kompromiß zusammen zu führen. weniger anzeigen
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