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Veredlung: Der Gigant China kommt zurück

Chinas Schweinefleischindustrie formiert sich neu und wird professioneller. Der Importbedarf wird sinken. Deutsches Fleisch bleibt nur gefragt, wenn wir uns kundenorientiert profilieren.

Lesezeit: 9 Minuten

Unsere Autoren: Dr. Claus Deblitz, Mandes Verhaagh und Josef Efken, Thünen Institut, Braunschweig; Prof. Zhu Zengyong, Institute of Animal Science, Beijing, China; Jurgen Hijink, Hijdeporc advies, Niederlande

China ist der globale Gigant in der Schweinehaltung. Zwar sind die Bestände seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im August 2018 regelrecht zusammengebrochen. Mit über 370 Mio. Tieren stehen im Reich der Mitte aber nach wie vor die meisten Schweine weltweit. Zum Vergleich: In der gesamten EU sind es rund 115 Mio. Schweine, in den USA halten die Farmer knapp 80 Mio. Tiere.

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Lässt man den ASP-bedingten Bestandseinbruch außer Acht, findet man in „normalen Zeiten“ in China rund 45 Mio. Sauen und über zwei Drittel aller Schweine weltweit. Dementsprechend groß ist die Fleischmenge. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2018 produzierte das Land rund 700 Mio. Mastschweine und 55 Mio. t Schweinefleisch jährlich. Das waren knapp 50 % der globalen Produktion.

Trotz der gigantischen inländischen Produktion sind die Chinesen zugleich Importweltmeister. Gut 11 % des global hergestellten Schweinefleisches fließen Jahr für Jahr in das asiatische Riesenreich. Einer der wichtigsten Handelspartner ist Deutschland. In der Vergangenheit lieferten deutsche Exporteure jedes Jahr etwa 450.000 bis 500.000 t Schweinefleischerzeugnisse.

In diesem Jahr wäre die Menge nach Angaben der AMI voraussichtlich auf über 750.000 t gestiegen. Der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im September in Brandenburg und im Oktober in Sachsen verhinderte den neuen Ausfuhrrekord jedoch schlagartig. Denn Chinas oberste Zollbehörde verhängte umgehend einen Importstopp. Für die deutschen Exporteure war das ein herber Rückschlag. Denn der chinesische Markt ist lukrativ. Dort werden vor allem Produkte verkauft, die hierzulande nicht verzehrt werden. Dazu zählen neben Innereien insbesondere Pfötchen, Ohren, Schwänze usw.

Ziel höhere Eigenversorgung

Wann sich das Tor zu China wieder öffnet, ist völlig offen. Viel hängt vom weiteren ASP-Geschehen in Deutschland ab. Die aktuelle Regelung sieht vor, dass deutsches Schweinefleisch erst dann wieder nach China ausgeführt werden darf, wenn ein Jahr lang kein neuer ASP-Fall aufgetreten ist.

Ein weiteres Problem ist, dass das Land das Regionalisierungsprinzip noch nicht anerkennt. Schon ein einziger Schweinepestfall hat zur Folge, dass aus ganz Deutschland kein Schweinefleisch mehr nach China gelangt.

Offen ist außerdem, in welchem Umfang China in Zukunft überhaupt noch Schweinefleischprodukte importieren muss. Denn die Zentralregierung in Peking treibt den Ausbau der inländischen Erzeugung massiv voran. Ein wichtiges Ziel ist die Modernisierung der Produktion. Die Marschroute ist klar: Der Selbstversorgungsgrad soll deutlich steigen.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass man bei seinen ehrgeizigen Zielen sehr schnell vorankommt. Die chinesischen Behörden nehmen die seit August 2018 grassierende Afrikanische Schweinepest und den damit verbundenen Produktionseinbruch von schätzungsweise mehr als 27 Mio. t Schweinefleisch allein in diesem Jahr zum Anlass und bauen industrielle Strukturen auf.

Hinterhofhaltungen und Kleinstbetriebe verschwinden zusehends. Dafür entstehen immer neue Schweinehochhäuser in verschiedenen Landesteilen. Die Tiere stehen darin in mehreren Stockwerken übereinander.

Einer der Vorreiter ist das Unternehmen Tianzow Breeding. Im ersten Quartal 2021 wird das Unternehmen eine weitere Anlage im Nordwesten des Landes in Betrieb nehmen. In sechs Ställen mit jeweils sechs Etagen stehen dann rund 20000 Sauen.

Ganze Kette wird umgebaut

Bei der Umstrukturierung konzentriert man sich aber nicht nur auf die eigentliche Tierhaltung. Im Blick haben die Behörden auch die Professionalisierung der vor- und nachgelagerten Produktionsbereiche. Gab es vor neun Jahren noch rund 2.0000 Schlachthöfe, ist deren Zahl im letzten Jahr auf knapp 5.000 Betriebe geschrumpft. Insbesondere die Zahl der größeren Schlachtstätten steigt in jüngster Zeit stark an.

Aktuell entsteht der größte Schlachthof Chinas. Seine Kapazität wird bei gut 5 Mio. Schlachtschweinen pro Jahr liegen. Damit ist man dem deutschen Branchenprimus Tönnies größenmäßig bereits dicht auf den Fersen.

Revolutioniert wird außerdem der Viehhandel. Internetplattformen wie zum Beispiel Spem handeln mittlerweile Millionen Ferkel und Schlachtschweine online. Die Unternehmen nutzen dabei modernste, Blockchain-basierte Plattformen. Mithilfe der Technologie planen und lenken die Viehhändler die Tier- und Warenströme sowie die Fahrtrouten der Lkw immer effizienter.

Massive Förderung

Die gewaltigen Umstrukturierungsmaßnahmen kosten den Staat Unsummen. Doch Geld scheint in ausreichender Menge zur Verfügung zu stehen. Seit dem Ausbruch der ASP in China pumpt die Regierung Millionen in Hilfs- und Förderprogramme. Dazu gehören:

  • Entschädigungszahlungen für getötete Schweine,
  • Zinszuschüsse für Investitionen in moderne Genetik und Stallneubauten,
  • Beihilfen beim Kauf von Ebersamen,
  • Geld für die Modernisierung der Gülle- und Mistlagerstätten,
  • Finanzmittel zur Optimierung des Seuchenschutzes,
  • Mautbefreiung für inländische Ferkel- und Schlachtschweinetransporte,
  • Förderung der Umsiedlung in Gebiete ohne Wohnbebauung, um die Lärm- und Geruchsbelästigung zu senken.

Darüber hinaus versucht die Zentralregierung, die Schweinefleischproduktion gleichmäßiger über das Land zu verteilen. Mithilfe von Landnutzungsreformen will man die Produktion auch auf die nördlicher gelegenen Ackerbauregionen ausdehnen. Die Schweine sollen künftig verstärkt dort produziert werden, wo das Futter wächst.

Viele Management-Probleme

Angesichts der immensen Bemühungen stellt sich die Frage, wann China seinen ursprünglichen Sauenbestand in Höhe von 45 Mio. Tieren beziehungsweise das Produktionsvolumen von rund 700 Mio. Mastschweinen jährlich wieder erreicht?

Viel hängt davon ab, wie schnell neue Ställe entstehen. Denn der Aufbau von Großanlagen mit moderner Aufstallungs- und Fütterungstechnik wirkt sich angesichts der bislang meist wenig modernen Stallhaltung positiv auf die biologischen Leistungen aus.

Gelingt es den Chinesen parallel dazu, die neuen Ställe verstärkt mit europäischer Spitzengenetik zu belegen, werden die Tierzahlen ebenfalls rasch wachsen. Denn die Fruchtbarkeit bei der Importgenetik ist deutlich höher als bei den bisher eingesetzten chinesischen Rassen.

Potenzial haben die Chinesen auch noch beim Management. Laut den Daten des agri benchmark Pig Network remontieren die chinesischen Ferkelerzeuger bislang nur sehr wenige Sauen. Im Jahr 2019 lag die durchschnittliche Remontierungsrate bei nur 23 %. Entsprechend alt sind viele Sauenherden. Das spiegelt sich unter anderem in der Zahl der aufgezogenen Ferkel wider. Im Schnitt erreicht eine Sau in China nur 20 aufgezogene Ferkel pro Jahr. Das liegt auch daran, dass die Chinesen noch immer in großem Umfang weibliche Mastschweine zu Sauen „umfunktionieren“. Deren Produktivität liegt bekanntlich deutlich unter der von echten Zuchtsauen.

Große Probleme gibt es noch bei der Tiergesundheit. Neben der ASP sorgen die Maul- und Klauenseuche sowie zahlreiche bakterielle Erreger in vielen Fällen dafür, dass ganze Herden geschlachtet werden müssen. Die schlechten hygienischen Bedingungen und der laienhafte Umgang mit der Kadaverentsorgung fördern Krankheiten zusätzlich.

Schwierig gestaltet sich auch die Mitarbeitersuche. Zwar gibt es gut ausgebildete Leute in den Führungsebenen, die Produktionstechniker oder das Stallpersonal sind aber oft schlecht ausgebildet bzw. gar nicht erst vorhanden.

Dringend verbessern müssen die Chinesen auch die Fütterung. Viele Schweine erhalten zu wenig Rohfaser und mit Mykotoxinen sowie Schimmelpilzen belasteten Mais. Das geht zulasten der Tiergesundheit.

Comeback in vier Jahren?

Wenn es den Ferkelerzeugern in den nächsten Jahren allerdings gelingt, die Produktion professioneller aufzustellen und das Leistungsniveau nachhaltig zu steigern, sähe die Situation in nur wenigen Jahren ganz anders aus. Die Berechnungen in Übersicht 2 zeigen, wie sich der chinesische Schweinebestand innerhalb weniger Jahre erholt, wenn nur die Remontierungsrate und die Zahl der Ferkel pro Sau und Jahr ansteigen.

  • In Szenario 1 steigt die Remontierungsrate um 10 % an und die Zahl der produzierten Ferkel wächst um ein Ferkel pro Sau und Jahr.



  • In Szenario 2 wird eine 20 % höhere Remontierung unterstellt. Die Zahl der Ferkel je Sau und Jahr steigt um drei Tiere.



  • In Szenario 3 liegen der Berechnung eine 40 % höhere Remontierungsrate und fünf Ferkel mehr pro Sau und Jahr zugrunde.

Die Auswertung zeigt, dass die Chinesen bei einer um 20 % höheren Remontierung und drei mehr verkauften Ferkeln pro Sau und Jahr bereits im Jahr 2026 die alte Zielmarke von 700 Mio. produzierten Mastschweinen wieder erreichen. Verjüngen die Schweinehalter ihre Herden noch intensiver und produzieren sie im Vergleich zu heute fünf Ferkel mehr pro Sau und Jahr, erreichen sie das Ziel bereits im Jahr 2024. Gelingt es ihnen gleichzeitig die Ferkelverluste zu senken, sind sie noch eher am Ziel.

Der Kunde ist König!

Was bedeutet das Wiedererstarken der chinesischen Schweinefleischproduktion nun für Deutschland? Mittelfristig wird die Importnachfrage mit Sicherheit zurückgehen. Deutsche Exporteure müssen dann versuchen, ihre Waren verstärkt in anderen südostasiatischen Ländern abzusetzen.

Länder wie z.B. Südkorea, Japan, Vietnam oder die Philippinen haben nicht die finanziellen Möglichkeiten für den Aufbau einer starken Schweinefleischproduktion. Sie werden noch auf Jahre hinaus auf Importware angewiesen sein. Deutschland ist gut beraten, diese Absatzmärkte weiterhin fest im Blick zu behalten.

Die Aussichten in China sind dennoch nicht so schlecht, wie man angesichts der derzeitigen Exportschwierigkeiten vermuten könnte. Entscheidend ist, dass deutsche Exporteure jetzt die Weichen richtig stellen. Zuallererst kommt es darauf an, das eigene Profil zu schärfen. Deutschland muss sich mehr als bislang als kundenorientierter Lieferant für Schweinefleisch präsentieren und positionieren. Wir müssen bei unseren Exportbemühungen herausarbeiten, dass wir wunschgemäß liefern. Das wäre der erste Schritt hin zu einer besseren Markenbildung.

Diese Strategie ist umso wichtiger, weil man dann nicht zu den ersten Lieferanten gehört, die bei einem steigenden chinesischen Selbstversorgungsgrad ausgelistet werden. Dass das Konzept erfolgversprechend ist, beweist die deutsche Geflügelwirtschaft. Sie hat in der hiesigen Geflügelerzeugung Qualitätskriterien eingeführt, die speziell auf die Kundenwünsche chinesischer Handelspartner und ihrer Güteklassen zugeschnitten sind. Der Aufwand lohnt sich, denn die deutschen Geflügelhalter bekommen ihren Mehraufwand vergütet.

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Preisentwicklung: 314 € pro 25-kg-Ferkel

Während die deutschen Ferkel- und Mastschweinepreise nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest deutlich einbrachen, beschert die ASP den chinesischen Schweinehaltern historisch hohe Preise.

Vor allem die Ferkelpreise entwickeln sich in diesem Jahr rasant. Kostete ein 25-kg-Ferkel zu Jahresbeginn noch rund 75 €, kletterte der Preis im Juni 2020 auf 314 €! Umgerechnet sind das über 12 € je kg LG. Für Mastschweine lagen die Erlöse zur Jahresmitte bei 4,50 € je kg Schlachtgewicht (SG).

Die Ursache für das extrem starke auseinanderdriften der Ferkel- und Mastschweinepreise liegt vor allem in den hohen Schweinefleischimporten begründet. Diese verhindern nach wie vor, dass die chinesischen Mastschweinepreise deutlich anziehen. Bei den Ferkeln sieht die Situation ganz anders aus. Durch den katastrophalen Bestandsrückgang bei den Sauen sind Ferkel mittlerweile „Gold wert“.

Experten glauben sogar, dass Meldungen, nachdem durch Überflutungen im Einzugsgebiet des Jangtse, dem größten Fluss Chinas, 20 bis 30 Mio. Schweine ums Leben gekommen sind, nicht stimmen. Man geht mittlerweile davon aus, dass viele Schweine aufgrund ihrer hohen Wertigkeit frühzeitig in Sicherheit gebracht wurden.

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