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Vion: „Die Zeit der Mega-Schlachtbetriebe ist vorbei!“

Die Fleischbranche steckt im Umbruch. Vion hat dennoch gute Geschäftszahlen hingelegt. top agrar sprach mit den Managern David De Camp & John de Jonge über die Fleischvermarktung der Zukunft.

Lesezeit: 9 Minuten

Wie hat Vion das Krisenjahr 2020 überstanden?

David De Camp: Unser Ergebnis ist trotz der Corona- und ASP-bedingten Schwierigkeiten erstaunlich gut ausgefallen. Nur weil wir die Herausforderungen mit Agilität annehmen konnten, ließen sich unser Ergebnis und konkret der Gewinn auf fast 53 Mio. € deutlich verbessern. Die größte Herausforderung für uns war Corona. Denn es gab kein Handbuch für eine Pandemie, den Umgang damit mussten wir erst ganz neu lernen.

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Wie ist das möglich? Ihre Mitbewerber berichten von deutlich höheren Kosten durch Corona und ASP in Deutschland.

John de Jonge: Unser Vorteil ist, dass wir viele mittelgroße Standorte haben, die sich zudem auf zwei EU-Länder verteilen. Wir konnten so schnell und flexibel reagieren, wenn es in einzelnen Werken Probleme gab. Unsere Kunden konnten wir jederzeit verlässlich bedienen.

Verbraucher wollen regional einaufen. Dazu passen keine Mega-Fleischfabriken.

Bisher waren die großen zentral organisierten Schlachtbetriebe im (Kosten-)Vorteil. Hat sich da etwas verändert?

De Camp: Die Klimadebatte, der Wunsch, regionaler und umweltfreundlicher einzukaufen, aber auch Corona – es deutet viel darauf hin, dass die Mega-Fleischfabriken nicht mehr in die Zeit passen. Das spielt uns in die Karten. Nach unserem Restrukturierungsprogramm optimieren wir uns jetzt in den Regionen. „Geprüfte Qualität Bayern“ oder das „Norddeutsche Holstein-Rind“ sind erfolgreiche Beispiele dafür.

Vion verliert allerdings seit Jahren Marktanteile bei Schwein und auch bei Rind. Was sagen Ihre Eigentümer dazu?

De Jonge: Das ist nicht ganz richtig. Nach einem Rückgang der Schlachtzahlen halten wir unsere Stückzahlen bei den Schweinen mittlerweile. 2020 haben wir in Deutschland 7,6 Mio. Schweine verarbeitet – genauso viele wie im Jahr davor. Auf diesem Level optimieren wir unsere Standorte. Vielleicht steigt die Menge auch wieder, denn den Standort Perleberg bauen wir gerade etwas aus.

Und wie sieht es bei den Schlachtrindern aus?

De Camp: Wir haben 2020 etwas Marktanteil verloren, das ist richtig. Das hatte aber vor allem mit einer zeitweisen Schlachthofschließung durch Corona zu tun. Grundsätzlich wollen wir auch hier unsere Umsätze halten.

Vions Motto lautet: „Wertschöpfung ist wichtiger als Umsatz“. Wie hat sich Ihre Wertschöpfung in den letzten Jahren entwickelt?

De Camp: Sehr gut. Diese Valorisation (gleich: Mehr Wertschöpfung) erzielen wir über die Wertschätzung. Denn wir wollen unsere Produkte nicht verramschen. Die Philosophie, zu diesem Zweck unsere ganze Produktion transparenter zu machen, verfolgen wir seit 2016. So differenzieren wir unsere Produkte immer mehr und sequenzieren unsere Märkte. Um dort die richtigen Produkte zum richtigen Zeitpunkt in der gewünschten Spezifikation anzubieten, braucht es eine zuverlässige Vorausschau. Diese strukturierten Daten helfen uns, bessere Produkte für den Kunden anbieten zu können. Premiumprodukte wie das Simmentaler Jungbullenfleisch oder unser Robusto-Programm bei den Schweinen sind Beispiele.

Unsere 16 Standorte sind gut verteilt und aufgestellt. Daran wird nicht gerüttelt."

Die Tierzahlen in Deutschland schrumpfen und die Auslastung der Schlachtbetriebe sinkt. Welche Betriebe/Standorte werden absehbar ausscheiden?

De Jonge: Unsere Schlachthofstruktur in Deutschland ist seit dem Ende der Umstrukturierungspläne optimal. Wir haben mit unseren 16 Standorten eine gute Verteilung und sind gut aufgestellt. Daran wird nicht gerüttelt.

Es gibt einen starken Trend zur Herkunftskennzeichnung. Wie steht Vion als internationaler Konzern zu solchen Wünschen?

De Jonge: Wir unterstützen diesen Trend voll und ganz. Wir sind dabei, in allen Regionen geschlossene Wertschöpfungsketten aufzubauen. Technisch ist das für uns kein Problem, wir können die Warenströme in unseren Betrieben sehr gut trennen. Auch deshalb investieren wir in Blockchain, um die Rückverfolgbarkeit noch besser absichern zu können.

Das bedeutet aber auch steigende Kosten im Betrieb, wenn die Warenströme immer kleinteiliger werden?

De Jonge: Das stimmt. Aber wenn Sie eine Geschichte zum Fleisch erzählen können, ist das dem Kunden mehr Geld wert. In den Niederlanden haben wir Programme mit 5000 Schweinen pro Jahr. Wichtig bei der Geschichte ist, dass wir den Bauern mit dem Endkunden verknüpfen können. Dann können wir sogar ein Bild des Landwirts auf die Packung drucken.

De Jonge: In Deutschland sehe ich für Regionalprogramme ebenfalls großes Potenzial. Hier sind die Programme aber größer. Hier reden wir von 8000 bis 15000 Schweinen pro Woche. Das können wir ohne Probleme bedienen.

Langwierige Preisdiskussionen gibt es in geschlossenen Lieferketten nicht."

Die Bauern mussten letztes Jahr massive Verluste hinnehmen. Teile des LEH haben der Fleischbranche aber auch nach dem ASP-Ausbruch stabile Beschaffungspreise auf Basis von 1,47 € je kg SG gezahlt. Lidl z.B. hat das top agrar schriftlich bestätigt. Das hat für massive Kritik seitens der Bauern gesorgt. Wie ist Vion mit dem Thema umgegangen? Haben Sie Ihren Bauern ein Teil des Geldes durchgereicht?

De Jonge: Wir liefern nur kleine Mengen an Lidl, deshalb ist das für uns kein großes Thema gewesen. Aber dieses Beispiel zeigt doch, was das Problem ist. In einer geschlossenen Kette hätte es diese Diskussionen gar nicht gegeben. In den Niederlanden haben wir 120 Bauern direkt mit der größten Handelskette Albert Heijn verknüpft. Wenn die Bauern mit den Preisen unzufrieden sind, wird das unter allen Beteiligten sofort besprochen.

Sie haben das Programm Good Farming Balance (GFB), in dem für Schweine verschiedener Qualitäten unterschiedliche Abrechnungsmasken gelten, auch in Deutschland eingeführt. Wie gut wird das Programm angenommen?

De Jonge: Wir haben bereits 20 % unserer deutschen Schweine über dieses Programm gebunden. Unser Ziel ist etwa 50 %. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Direktverträge mit den Landwirten, sondern um sogenannte Dreiecksverträge mit den Erzeugergemeinschaften.

Abnahmeverträge beinhalten immer ein Hintertürchen. Im vergangenen Jahr z.B. haben Sie nach dem Ausbruch der ASP in Deutschland die Verträge vorübergehend auf Eis gelegt. Die Zeche haben die Bauern bezahlt. Müssen Sie nicht auch in schlechten Zeiten zu Ihren Verträgen stehen?

De Jonge: Das war eine Ausnahmesituation, weil am Markt Chaos herrschte. Nur wenige Wochen darauf, haben wir die Verträge gleich wieder aktiviert.

Wie wird es bei der Initiative Tierwohl (ITW) laufen? Ist ein Vertrag künftig Voraussetzung für die Lieferung?

De Jonge: Ja. Das ist bei uns Voraussetzung.

Was halten Sie vom Borchert-Plan?

De Jonge: Wir finden die Richtung absolut richtig, weil Landwirtschaft nur eine Zukunft hat, wenn sie gesellschaftlich akzeptiert ist. Ob der Plan genauso kommt, muss man abwarten. Wir stehen am Beginn einer Entwicklung. Am Ende wird die Fleischerzeugung in Deutschland etwas teurer, aber das kann die Gesellschaft problemlos auffangen.

Bio ist keine Nische mehr!"

Sie haben angekündigt, auch in Deutschland mehr Ökoschweine zu schlachten. Welche Marktaussichten sehen Sie für Bioschweinefleisch?

De Jonge: Wir sehen dort erhebliches Potenzial. Bio ist keine Nische mehr. Bei Rindfleisch haben wir schon jetzt einen Volumenanteil von 5,5 %. Ich halte in zehn Jahren einen Marktanteil von 15 % für möglich. Wir suchen derzeit weitere Schweinebetriebe, die wir beim Einstieg begleiten können

Wie verteilen sich nach dem Ende der betäubungslosen Kastration in Deutschland die männlichen Tiere bei Ihnen im Konzern?

De Jonge: Wir haben etwa 10 % Jungeber, die wir gut absetzen können. Bei Improvac sind es nur 0,2 % bzw. 300 Schweine pro Woche. Das Problem ist, dass der LEH diese Schweine nicht nachfragt. Wenn sich das ändert, liefern wir auch das gerne.

Wenn der LEH Fleisch von Improvac-Tieren nachfragt, liefern wir gerne."

In Deutschland sagt der Handel, dass er Improvac-Schweine abnehmen würde. Das Problem seien die Schlachter, die nicht noch mehr sortieren wollen. Was stimmt den nun?

De Jonge: Das stimmt zumindest für das Haus Vion nicht. Derzeit fragen unsere Kunden einfach nicht nach Improvac Tieren.

Haben Sie bei Rindfleisch auch geschlossene Lieferketten? Welche Bedeutung haben diese für Vion?

De Camp: Da arbeiten wir eng mit Erzeugergemeinschaften zusammen. Im Süden sind 20 bis 30 % der Tiere vertraglich gebunden.

Hat der Brexit die Lage auf dem Rindfleischmarkt verändert?

De Camp: Nach einem kurzen Schock zum Jahreswechsel läuft das Geschäft mit Großbritannien für uns genauso gut wie vorher. Wir haben auch keine höheren Kosten bei der Abwicklung. Mit unseren Büros auf der Insel haben wir die Abfertigung an der Grenze voll digitalisiert.

Sobald die Restaurants öffnen, gibt es einen Nachfrage-Bang bei Rindfleisch!"

Welche Erzeugerpreise für Schlachtrinder erwarten Sie im laufenden Jahr?

De Camp: Der Rindfleischmarkt braucht die offene Gastronomie. Es gibt leider kein Steak-to-go. Anders gesagt hängt der Markt derzeit in der Luft – und das auch noch an einem JoJo. Niemand weiß, wann es zu Lockerungen kommt. Aber sobald die Restaurants wieder öffnen – und ich hoffe auf den April/Mai – werden wir einen Nachfrage-Bang erleben mit ggf. auch leicht steigenden Preisen. Das dauert dann 6 bis 8 Wochen, bevor sich die Lage wieder normalisiert. Und nichts wünschen wir uns doch mehr, als Normalität.

Aktuell kommt weniger Importfleisch in die EU, weil vor allem die Gastronomie kein Bedarf hat und der LEH eher heimische Ware nachfragt. Werden die Importe aus Südamerika nach Corona wieder ansteigen?

De Camp: Das muss nicht so sein. Wie gesagt, die Gesellschaft bevorzugt regionale Produkte und fragt sich, ob man Rindfleisch unbedingt aufwändig mit Schiffen nach Europa holen muss. Die zunehmende CO2-Sensibiltät bietet die echte Chance, unseren Marktanteil bei Rindfleisch dauerhaft auszubauen.

Fleischlos ist die Zukunft - ob man will oder nicht."

Sie haben im niederländischen Leeuwarden einen neuen Rindfleisch-Schlachtbetrieb zu einem Fleischlos-Betrieb (Leeuwarden, NL) umgebaut. Wie läuft das Geschäft?

De Camp: Das ist die Zukunft, ob man will oder nicht. In vielen Familien gibt es Vegetarier. Und die Zahlen sprechen für sich. Vion bietet rund 50 vegetarische Produkte an. Mit der Kapazität von 20.000 t in Leeuwarden können wir 120 Mio. € umsetzen. Wir sind auf einem guten Weg dorthin.

Woher bekommen Sie Ihre Rohwaren für diese Produkte?

De Jonge: Noch beziehen wir das meiste aus Südamerika. In einigen Projekten testen wir aber auch heimische Ware. Das Thema Regionalität gilt auch für Fleischersatz. Unser Ziel ist in diesem Bereich ebenfalls geschlossenen Lieferketten aufzubauen.

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