Scharfe Kritik am Bundeslandwirtschaftsministerium wegen dessen „Vernachlässigung der Wertschöpfungsoption aus tierischen Nebenprodukten“ hat der Verband der Verarbeitungsbetriebe Tierischer Nebenprodukte (VVTN) geübt. In einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Memorandum fordert der Verband das Ministerium auf, aktiv für die möglichst hochwertige Nutzung tierischer Nebenprodukte einzutreten. Gemeint ist damit unter anderem offenbar, die früher übliche Praxis der Verfütterung von Tiermehl aus Schweinen und Geflügel wieder zuzulassen. Der VVTN weist darauf hin, dass bis weit in das 20. Jahrhundert bei Hausschlachtungen praktisch das ganze Tier verwertet worden sei. Das Bevölkerungswachstum und die arbeitsteilige Lebensmittelgewinnung hätten die Lebensmittelproduktion aus Tieren wachsen lassen und zu einem beträchtlichen Anfall von Nebenprodukten geführt, die in der Lebensmittelkette nicht mehr benötigt würden. „Es ist eine ethische Verpflichtung, Tiere, die zum menschlichen Verzehr geschlachtet werden, möglichst hochwertig zu nutzen. Dies gilt auch für Nebenprodukte“, betont der VVTN. Die Forderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums nach einer 100-prozentigen Rückstandsfreiheit nicht erwünschter Tierarten sei nicht risikoorientiert und naturwissenschaftlich verfehlt, weil es in der Natur keine 100-prozentige Reinheit gebe. „Wir fordern deshalb, dass die Kontrollmechanismen risikoorientiert ausgestaltet und Grenzwerte so definiert werden, dass sie in der Praxis auch handhabbar sind“, so die Verarbeitungsbetriebe. Sie unterstreichen, dass die Systeme der Rückverfolgbarkeit funktionierten und die Sicherheit der aus Nebenprodukten gewonnenen Futtermittel gewährleisteten. Hinzu kämen eine lückenlose Dokumentation und nicht zuletzt eine umfassende Veterinärüberwachung.
Proteinversorgung nachhaltiger gestalten
Der VVTN weist auch darauf hin, dass die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) nur die Nutzung des von Wiederkäuern gewonnenen Proteins in Wiederkäuerfutter verbiete. Die Verfütterung von aus Schweinen und Geflügel gewonnenem Protein unterliege dagegen weltweit keinen Beschränkungen - nur eben in der Europäischen Union. Aus einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergebe sich, dass unter natürlichen Bedingungen keinerlei Transmissible Spongiforme Enzephalopathie (TSE) in Schweinen und Geflügel habe ermittelt werden können. Dementsprechend habe sich auch das Europaparlament für die Aufhebung des aktuellen Verfütterungsverbots eingesetzt, hebt der VVTN hervor. Er gibt ferner zu bedenken, dass dieses Votum als ein Beitrag zur Green-Deal-Politik und zur Farm-to-Fork-Strategie zu betrachten sei. Dadurch würde die Proteinversorgung des EU-Viehbestandes nachhaltiger gestaltet, indem importiertes Soja- und Fischmehl durch hochwertiges Eiweiß aus lokalen tierischen Nebenprodukten ersetzt werden könnte. Beklagt wird vom Verband außerdem, dass tierische Proteine der Kategorie 2 - nicht für Futtermittel geeignet - auch nicht in Düngemitteln exportiert werden dürften.
Ministerium bleibt zögerlich
Das Bundeslandwirtschaftsministerium zeige sich aktuell sehr zögerlich, einem Vorschlag der Europäischen Union, den Export wieder zu erlauben, zuzustimmen. Ein Grund dafür sei nicht ersichtlich, so der VVTN. Da die Proteine aus der Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten nicht als Futter- oder Düngemittel verwendet werden dürften, bleibe am Ende nur die thermische Verwertung. Dies bedeute aber die Vernichtung von wertvollen Nährstoffen, da in der thermischen Verwertung nur noch der Energiegehalt genutzt werde und es auf die Nährstoffe nicht ankomme. In einem führenden Industrieland, das jährlich tausende Tonnen an Proteinen und Phosphaten einführen müsse, dürfe die Nutzung dieser Stoffe nicht unmöglich gemacht werden, mahnt der VVTN.