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Werden die Schweine für süddeutsche Markenfleischprogramme bald knapp?

In Süddeutschland spielen regionale Markenfleischprogramme eine große Rolle. Gleichzeitig gehen dort die Bestände besonders stark zurück. Reichen die Schweine aus der Region künftig noch aus?

Lesezeit: 8 Minuten

Unser Autor: Richard Riester, Abteilungsleiter Agrarmärkte und Qualitätssicherung, LEL Schwäbisch Gmünd

Die Schweinehaltung in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg ist im Gegensatz zum Nordwesten und Osten Deutschlands bereits seit Jahren rückläufig. Die stärksten Abnahmeraten verzeichnete die Sauenhaltung. Dieser Trend hält bereits seit dem Ende der wirtschaftlich „goldenen“ Zeiten der Ferkelerzeugung zur Jahrtausendwende an.

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Ein Drittel weniger Ferkel

Baden-Württemberg hat seitdem 63 % seiner Zuchtsauen verloren. Alleine von 2010 bis 2021 haben drei Viertel der Zuchtsauenhalter aufgegeben und die Bestände verringerten sich um 46 %. Dank der gleichzeitig gestiegenen Leistungen gingen die Ferkelzahlen nur um 36 % zurück. Ähnlich sieht es in Bayern aus, dort liegt der Rückgang seit 2010 bei 44 %. Die Ferkelzahlen sanken um rund 33 %.

Die Schweinemast in Baden-Württemberg wurde in den 1990er Jahren mithilfe von Förderprogrammen ausgebaut. Dadurch stieg der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch von damals nur 40 % auf 60 %. Seit 2010 gingen die Mastschweinebestände allerdings wieder um 26 % zurück.

Dies liegt im dichtbesiedelten und stark industrialisierten Südwesten neben den begrenzten Möglichkeiten zum Bau neuer Ställe auch an den knappen landwirtschaftlichen Düngeflächen und den guten außerlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten.

In Bayern mit seinen Schwerpunktregionen Niederbayern, Nordschwaben und Franken blieb die Schweinemast dagegen bis 2017 stabil bzw. konnte gegenüber 2000 sogar noch um 5 % ausgebaut werden. Von 2017 bis 2021 haben sich die Bestände aber wieder um 16 % verringert.

Abbau beschleunigt sich

Die Marktmisere der Jahre 2021 und 2022 am Schlachtschweinemarkt und vor allem am Ferkelmarkt dürften die Entwicklung noch verschärfen. Die Maizählung 2022 weist für Baden-Württemberg bei den Zuchtsauen ein Minus von 7,9 % und bei den Mastschweinen einen Rückgang von 12,9 % aus. In Bayern ist der Bestandsabbau mit 15,1 % bei den Zuchtsauen und 11,6 % bei den Mastschweinen noch dramatischer.

Im Mai 2022 wurden in Baden-Württemberg nur noch 1.700 Schweinehalter und 700 Ferkelerzeuger gezählt. In Bayern sind es noch 4100 Schweinehalter, davon 1.400 Ferkelerzeuger.

Für die Novemberzählung 2022 sind angesichts leerstehender Mastställe und der Aufgabe auch großer Sauenbetriebe sogar noch stärkere Rückgänge zu befürchten. Die Aufgabewelle dürfte sich bis ins nächste Jahr hineinziehen, da viele Betriebe wohl erst zum Jahresende aufhören wollen.

Bei einer linearen Fortschreibung des Trends würden bis 2030 in Bayern nur noch 80.000 (-56 % gegenüber 2021) und in Baden-Württemberg nur noch 45.000 (-63 %) Zuchtsauen stehen. An Mastplätzen blieben in Baden-Württemberg nur noch 640.000 (-25 %) und in Bayern bei optimistischem Szenario 1,75 Mio. (-4 %). Setzt sich jedoch der Trend seit 2017 fort, blieben dort nur noch 1,1 Mio. Stück (-41 %) übrig.

Dies sind zunächst nur theoretische Zahlen. Der Trend zeigt allerdings deutlich, in welche Richtung sich die Schweinehaltung im Süden entwickeln wird.

Nettoimporteur von Ferkeln

In den 1990er Jahren war Baden-Württemberg mit jährlich rund 2 Mio. exportierten Ferkeln bei einer Erzeugung von jährlich rund 5 Mio. Ferkeln der größte deutsche Ferkelexporteur. 2010 wurden noch rund 4,1 Mio. Ferkel und 2021 nur noch rund 2,65 Mio. Ferkel erzeugt (36 % weniger als 2010).

Nach wie vor gehen Ferkel in andere Regionen, z.B. nach Bayern. Gleichzeitig kommen aber auch Importe aus Ost- und Norddeutschland sowie Dänemark ins Land. Im Saldo hat der Ferkelüberschuss weiter abgenommen. 2021 wurden nur noch etwa so viel Ferkel erzeugt wie dort auch gemästet wurden. In den nächsten Jahren wird das Land wohl zu einem Nettoimporteur werden. Im Vorjahr lag der Selbstversorgungsgrad mit Ferkeln noch bei ca. 104 %.

Wegen der Regionalprogramme sind die Preise im Süden höher als im Norden

Auch Bayern war Anfang der 2000er Jahre noch Exporteur von Ferkeln. Von 6,6 Mio. erzeugten Ferkeln exportierte der Freistaat rund 1 Mio. Stück. Bis 2010 sank die Erzeugung auf 5,9 Mio. Ferkel und Bayern wurde zum Nettoimporteur.

Durch die stabile Mast wuchs das Ferkeldefizit, sodass 2018 in der Spitze fast 1,9 Mio. Ferkel importiert werden mussten. Obwohl die Ferkelerzeugung bis 2021 auf rund 4 Mio. Ferkel zurückgegangen ist, hat sich der Zufuhrbedarf durch den zuletzt überproportionalen Rückgang der Mast wieder auf 1,4 Mio. Ferkel reduziert. Der Selbstversorgungsgrad mit Ferkeln betrug 2021 nur noch ca. 74%.

Reicht das Angebot?

In Süddeutschland spielen regionale Vermarktungsprogramme für Schweine eine große Rolle. Aber sind demnächst überhaupt noch genug Tiere für die süddeutschen Markenfleischprogramme vorhanden?

Verschiedene Qualitäts- und Regionalprogramme in beiden Ländern setzen auf die Herkunft der Ferkel und Schweine aus dem eigenen Bundesland oder zumindest aus Süddeutschland. Die wichtigsten sind „Geprüfte Qualität Bayern“ (GQB), „Süddeutsches Schweinefleisch“ der Müller-Gruppe und das „Gutfleisch-Programm“ der Edeka Südwest.

Hinzu kommen verschiedene Programme, die das Qualitätszeichen Baden-Württemberg „QZBW“ nutzen. Dazu zählen „Hofglück“ der Edeka Südwest, „Schwäbisch Hällisches Qualitäts-Schweinfleisch g.g.A.“ der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, das Rewe Landbauernschwein etc. Die jährlichen Stückzahlen liegen in Bayern derzeit bei rund 3 Mio. Schlachtschweinen, in Baden-Württemberg bei geschätzt 1,5 Mio. Schlachtschweinen.

Die Programme führen wegen diverser Zuschläge zu deutlich besseren Erlösen für die Schweinehalter. 2021 lagen die Durchschnittspreise der amtlichen Preisfeststellung für Schlachtschweine der Handelsklasse E bis P in Baden-Württemberg um 8 ct/kg und in Bayern um 3 ct/kg über dem Niveau im Norden. In Baden-Württemberg ist der Anteil der besser bezahlten Tierwohl-Programme mit zumeist GVO-freier Fütterung höher als in Bayern.

Kurzfristig Genug Tiere

Stellt man das derzeitige Angebot der im Süden erzeugten Ferkel und Schweine dem Bedarf für die genannten Programme gegenüber, reichen die Tiere noch aus. Wie dies in Zukunft aussieht, hängt einerseits von der weiteren Entwicklung der Ferkel- und Schweinezahlen im Süden und andererseits von der Nachfrage des LEH nach Programmtieren ab.

Derzeit schwankt die Nachfrage zwischen Stagnation und Rückgängen von 10 bis 12%. Grund sind vor allem die derzeit hohen Lebenshaltungskosten, wodurch viele Verbraucher eher zu günstigen Lebensmitteln im Discounter greifen. Wie sich die Nachfrage weiterentwickelt und wann bzw. ob sich die Verhältnisse wieder normalisieren, bleibt abzuwarten.

Sollten demnächst auch Gastronomie und Großverbraucher die regionale Herkunft von Fleisch stärker in den Fokus nehmen, könnte der Absatz weiter belebt werden.

Viele Metzgerschweine

Bei der Betrachtung dürfen die Schweine für die im Süden noch starke Metzgervermarktung nicht außer Acht gelassen werden. Diese ist, was die Auslobung der regionalen Herkunft betrifft, ebenfalls den Regionalprogrammen der Schlachtunternehmen und des Lebensmitteleinzelhandels gleichzustellen. Allerdings liegen hier keine belastbaren Zahlen vor. In den Übersichten oben wurde davon ausgegangen, dass der Bedarf der Metzger an regionalen Schweinen rund 50% der zuvor genannten Herkunftsprogramme ausmacht.

Knappheit in wenigen Jahren

Vor diesem Hintergrund und trotz des rückläufigen Schweinefleischverbrauchs dürften süddeutsche Ferkel relativ schnell zum begrenzenden Faktor für die regionalen Programme werden. Dies könnte bereits in den nächsten zwei bis drei Jahren der Fall sein.

Die Ferkelerzeugung als letztes und schwächstes Glied in der Wertschöpfungskette steht besonders unter Druck. Für die Sauenhalter sind derzeit praktisch keine Investitionen mehr möglich und sie schieben die gesetzlich notwendigen und anstehenden Baumaßnahmen vor sich her. Lösungen für eine angemessene Beteiligung der Ferkelerzeugung in der Wertschöpfungskette sind deshalb dringend notwendig, wenn auch künftig ausreichend Ferkel für die vielen Regionalprogramme zur Verfügung stehen sollen.

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Veranstaltungstipp:

Fachtagung von Müller-Fleisch, Thema: Der Weg zu einer nachhaltigen und zugleich wirtschaftlichen Schweinefleischerzeugung in Süddeutschland! Mittwoch, 19. Oktober 2022

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Das sagen Vermarkter

"Ferkel könnten schon 2023 knapp werden"

Die Erfahrungen wichtiger Ferkel- und Schlachtschweinevermarkter in Süddeutschland decken sich mit den Ergebnissen der Marktanalyse der LEL. „Wir haben aktuell noch reichlich Tiere zur Verfügung und können die Stückzahlen für GQB+ gut bedienen“, sagt Willi Wittmann, Vorstand der EG Südbayern. Bei Mästern für das GQB+-Programm, das neben der Herkunft Bayern die Teilnahme an der Initiative Tierwohl vorschreibt, habe es im letzten Jahr einen geringeren Strukturwandel gegeben, weil z.B. die Edeka Südbayern eine Preisuntergrenze eingezogen habe.

Burkhard Hock, Geschäftsführer der EG Franken-Schwaben, bestätigt das. Er sieht bei Mastschweinen noch ein ausreichendes Angebot für die Regionalprogramme. Auch die Nachfrage sei hier stabil. „Einige Abnehmer suchen sogar noch Lieferanten, sodass für Mäster die Chance besteht, in GQB+ einzusteigen“, berichtet der Vermarkter.

Josef Ebert, Geschäftsführer der Viehzentrale Südwest GmbH, sieht das skeptischer: „Die Verbraucher setzen in Zeiten der Inflation auf preiswerte Produkte. Ob sich höherpreisige Regionalprogramme am Markt behaupten können, muss abgewartet werden.“ Wie sich das auf das Ende 2023 auslaufende Gutfleisch-Programm der Edeka Südwest auswirke, müsse man sehen.

Einig sind sich die Vermarkter darin, dass die Ferkel aus der Region bald knapp werden könnten, wenn die Sauenbestände in gleichem Tempo zurückgehen wie bisher. „Wir haben allein im letzten Jahr 7500 Sauen verloren, sodass wir dieses Jahr 13% weniger Ferkel in der Vermarktung haben“, berichtet Willi Wittmann. „Wenn sich das so fortsetzt, könnten schon im nächsten Jahr Ferkel fehlen.“

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