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Schweinemarkt: „Wir brauchen 2,50 € je kg SG!“

Die wirtschaftliche Lage bleibt für Schweinehalter angespannt. Willi Wittmann, Geschäftsführer der EG Südbayern, betont, dass die Notierungen weiter steigen müssen.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Notierungen für Ferkel und Mastschweine sind in den letzten Wochen stark angezogen. Angesichts der ebenfalls stark gestiegenen Produktionskosten, vor allem Futter und Energie, bleibt die wirtschaftliche Lage für viele Sauenhalter und Mäster aber angespannt.

Herr Wittmann, der Schweinemarkt istnicht wiederzuerkennen: Plus 36 € je Ferkel und 72 Cent je kg SG Aufschlag bei Mastschweinen in nur fünf Wochen, das gab es noch nie. Können die Landwirte die Sektkorken knallen lassen?

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Wittmann: Ganz klar nein. Denn nach fast zwei Jahren mit katastrophalen Preisen ist der Anstieg längst überfällig und bitternötig. Viele Betriebe stehen finanziell am Abgrund. Grund zur Freude gibt es noch nicht, weil die Futter- und Energiekosten noch deutlicher gestiegen sind als erwartet. Die aktuelle Notierung von 1,92 € je kg SG deckt die Kosten bei weitem nicht. Und von einer Entlohnung der Arbeit bzw. Deckung der Festkosten sind wir weit entfernt.

Welche Gründe sehen Sie für die Notierungs-Rallye?

Wittmann: Durch den Anstieg der Futterkosten auf weit über 40 € je dt musste der Schlachtschweinemarkt zwangsläufig reagieren. Der rasante Höhenflug des Vereinigungspreises war nur die logische Konsequenz. Wäre das nicht passiert, hätte kein Mäster mehr Ferkel eingestallt. Dann wäre die gesamte Veredelung vor die Wand gefahren und der ohnehin rasante Strukturwandel hätte sich nochmals beschleunigt. Der Lebensmitteleinzelhandel hätte dann mit Lieferengpässen rechnen müssen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob alle Supermarktregale weiterhin mit Ware hätten belegt werden können.

Weitere Gründe für die Festigung der Preise sind natürlich das zurückgehende Angebot an Ferkeln und Mastschweinen. Und auch die Corona-Lockerungen sowie die dadurch anziehende Nachfrage in der Gastronomie haben für die nötigen Impulse gesorgt.

Marktexperten werfen der roten Seite vor, die Notierungen in den Wochen vor der Preisrallye künstlich klein geredet zu haben. Wie haben Sie die Situation erlebt, ist der Vorwurf gerechtfertigt?

Wittmann: Da unsere Erzeugergemeinschaft direkt an zwei Schlachtbetrieben beteiligt ist, muss ich leider sagen, dass wir im Herbst und Winter wochenlang große Fleischmengen ins Tiefkühllager fahren mussten. Die Nachfrage war einfach mau, im Winter konnten wir die in Deutschland wöchentlich über 800.000 geschlachteten Schweine nicht unterbringen. Zum Jahresende lagen deutschlandweit rund 228.000 t Schweinefleisch in den hiesigen Tiefkühllägern. In normalen Jahren sind es 120.000 t.

Momentan wird das eingefrorene Schweinefleisch wieder ausgelagert, allerdings noch nicht in riesigen Mengen. Wenn das Wetter aber weiter mitspielt, wird sich die ausgelagerte Menge Woche für Woche erhöhen. Insbesondere der Hals und die Bäuche werden wegen der bevorstehenden Grillsaison stärker nachgefragt.

Der Handel warnt vor noch weiter steigenden Schweinepreisen. Welche Notierungen brauchen wir aktuell bei Ferkeln und Mastschweinen, damit sich die Produktion rechnet?

Wittmann: Durch den Anstieg der Kosten vor allem bei Futter und Energie benötigen wir derzeit mindestens 2,30 € je kg Schlachtgewicht (SG). Bei dieser Notierung erreichen wir aber nur beim Deckungsbeitrag 1 eine schwarze Null. Natürlich muss auch die Arbeit entlohnt werden, die Abschreibung gerechnet und auch ein Gewinn erzielt werden. Wenn wir alle Kosten berücksichtigen, müssen wir mindestens 2,50 € je kg SG erhalten. Erst dann werden Ferkelerzeuger und Mäster gerecht entlohnt.

Es wäre jetzt vernünftig und notwendig, die Notierungen in den nächsten Wochen in für alle Seiten überschaubaren Schritten weiter anzuheben. Weitere exorbitante Preissprünge sind kontraproduktiv, weil der Handel dann vielleicht mehr auf Ware aus dem Ausland setzt. Entscheidend ist am Ende, dass wir Stabilität in die Wertschöpfungskette bekommen. Man sieht ja im Rinderbereich, was möglich ist.

Im Sommer rechne ich nur noch mit 750.000 Schlachtschweinen pro Woche
Wittmann

Welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten Wochen bei den Notierungen und Produktionskosten?

Wittmann: Beim Futter und der Energie wird die weitere Entwicklung im Ukrainekrieg entscheidend sein. Und die hohen Mineraldüngerpreise werden dazu führen, dass weltweit weniger gedüngt wird und die Erntemengen kleiner als gewohnt ausfallen. Beim Fleischabsatz hängt viel von der weiteren Entwicklung rund um Corona ab. Der Export wird meiner Meinung nach weiter durch die ASP-Situation in Deutschland gedeckelt. Ein nennenswerter Export wird auf absehbare Zeit nur im EU-Binnenmarkt möglich sein.

Positive Impulse dürfte der Markt durch das weiterhin deutlich zurückpendelnde Angebot bekommen. Viele deutsche Sauenhalter haben aufgehört, und aus den Niederlanden und Dänemark werden seit dem 4. Quartal 2021 spürbar weniger Ferkel importiert. Die Importe dürften in den nächsten Jahren sogar weiter schrumpfen. Bis Mitte dieses Jahres rechne ich höchstens noch mit 750.000 Schlachtschweinen pro Woche. Und bis Jahresende wird die Menge auf höchstens 700.000 Schweine pro Woche sinken. Insofern glaube ich, dass wir auf der Angebotsseite mehr und mehr in einen Verkäufermarkt kommen.

Ihre Mitglieder vermarkten alle Schweine an die Vion-Schlachthöfe Landshut und Vilshofen, an denen die EG Südbayern beteiligt ist. Welche Vorteile bringt das den Landwirten?

Wittmann:Durch unsere Beteiligung haben wir als Erzeugergemeinschaft ein Mitspracherecht in Bezug auf die Gestaltung der Abrechnungsmasken, der Systemgrenzen, die Bezahlung usw. Die bäuerliche Seite sitzt bei Änderungen mit am Tisch. Weitere Vorteile sehe ich durch die Umstellung auf einen Wochenpreis. Die Mittwochs-Notierung gilt bei uns immer rückwirkend vom Wochenanfang bis Wochenende. Dadurch haben wir deutlich weniger Preisspekulationen, weil die Bauern die Schweine in einem steigenden Markt nicht so stark zurückhalten.

Vorteile haben unsere Mitglieder auch beim Thema Abnahmesicherheit. In der für alle Seiten schwierigen Coronazeit haben wir durchgehend die Schweine unserer Mitglieder geschlachtet, sodass die Mäster sofort neue Ferkel einstallen konnten. Das hat für deutlich weniger Verwerfungen gesorgt. Zusätzlich profitieren unsere Mitglieder von den Ausschüttungsergebnissen der Schlachtbetriebe an die Erzeugergemeinschaft. Die ausgezahlte Dividende liegt deutlich über den banküblichen Anlageangeboten.

Ich bin zuversichtlich, dass wir längerfristig ein hohes Preisniveau haben werden.
Wittmann

Mäster, die kein Futter mehr haben, überlegen, die Ställe bis zur neuen Ernte leer stehen zu lassen. Müssen die Sauenhalter in den kommenden Wochen wieder mit Preisdruck bei Ferkeln rechnen?

Wittmann: Grundsätzlich muss man sagen, dass ein leerer Stall kein Geld verdient. Und wer immer nur auf den richtigen Einstallzeitpunkt spekuliert, verliert unter Umständen sehr viel Geld. Das sieht man ja in der aktuellen Phase. Mäster, die zu spät eingestallt haben, zahlen nun deutlich mehr für die Ferkel.

Natürlich ist es schwierig einzuschätzen, wie der Markt in vier Monaten aussieht. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir längerfristig ein hohes Preisniveau haben werden. Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, neue Ferkel einzustallen. In diesem Zusammenhang sollte man auch einmal über den Düngewert nachdenken, den die Schweine mit der Gülle quasi frei Haus liefern. Im Süden Deutschlands kalkulieren wir mit 20 € je m3.

Einzelne Schlachter rechnen künftig mit einem um 50 bis 100 % höheren Endverbraucherpreis für Schweinefleisch. Von welchem Preisniveau gehen Sie aus?

Wittmann: Die Endverbraucherpreise weiter steigen müssen, weil der Lebensmitteleinzelhandel mit Sicherheit nichts von seiner Marge abgeben will. Mit einer Verdoppelung der Preise rechne ich nicht, eher mit 50 % Aufschlag.

Beim Rindfleisch sind die Preise auf einem Allzeithoch. Schlachtbetriebe und Lebensmitteleinzelhandel warnen bereits vor einer Überhitzung. Der LEH kauft bereits günstigere Ware aus dem Ausland, weil die Verbraucher die Kostensteigerungen angeblich nicht mehr akzeptieren. Sehen Sie diese Gefahr auch beim Schweinefleisch?

Wittmann: Der Lebensmitteleinzelhandel hat sich für das laufende Jahr klar zu 5xD bekannt. Insofern sehe ich bis Jahresende trotz stark steigender Einkaufspreise wenig Probleme. Langfristig müssen wir sehen, ob wir im LEH wirklich einen Marktpartner auf Augenhöhe haben, der auf deutsche Fleisch- und Wurstwaren setzt.

Der Anteil Schweine aus Haltungsform 1 wird bei uns künftig bei 40 bis 45 % liegen.
Wittmann

Wir haben einerseits den Trend zu mehr Tierwohl, andererseits die Sorge um die Versorgungssicherheit durch den Ukrainekrieg. Wird ITW und die Haltungsformkennzeichnung weiter an Bedeutung gewinnen?

Wittmann: Die Initiative Tierwohl wird sich mittelfristig weiter gut entwickeln, die Nachfrage nimmt zu und die Schlachter schließen Tierwohlverträge mit den Bauern ab, um sich die Rohstoffe zu sichern. Offen ist derzeit, ob wir angesichts der enormen Preissteigerungen infolge des Krieges in der Ukraine zwischendurch einen Gang zurückschalten müssen. Das könnte geschehen, wenn die Inflation weiter galoppiert und das Leben für die Verbraucher immer teurer wird.

Als Verantwortlicher unserer Erzeugergemeinschaft kann ich sicher sagen, dass wir auch weiterhin Schweine aus Haltungsform 1 vermarkten werden. Den Anteil am Gesamtabsatz sehe ich in den nächsten Jahren bei mindestens 40 bis 45 %.

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