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Solarparks: Sprengstoff für die Landwirtschaft?

Lesezeit: 9 Minuten

Der Boom bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen spaltet die Landwirtschaft. Die Gegner warnen vor Flächenverlusten, die Befürworter sehen in Solarparks eine lukrative Einkommensquelle.

Wenn unsere Gemeinde noch mehr Solarparks genehmigt, dann haben wir Landwirte bald keine Perspektive mehr“, warnt Markus Walter, Bullenmäster aus Hilpoltstein im Landkreis Roth. Insgesamt sind in der fränkischen Kommune derzeit elf Photovoltaik (PV)-Freiflächenanlagen mit einer Gesamtfläche von 100 ha beantragt bzw. geplant – zusätzlich zu den bereits bestehenden vier Solarparks mit insgesamt 23 ha.

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Neben dem Flächenverlust sieht der Landwirt weitere Nachteile. So liegt ein geplanter Solarpark unmittelbar neben einem seiner Äcker mitten in einem großflächig drainierten Gebiet. „Die Anker für die Solarmodule werden die Drainagerohre so beschädigen, dass das Wasser in meiner Fläche nicht mehr ablaufen kann“, befürchtet Walter.

Fast nur Nichtlandwirte

Thomas Schmidt, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) im Landkreis Roth, bestätigt, dass der Solarpark-Boom in der Region immer mehr zu einer Gefahr für die aktiven Landwirte wird. „Es sind schon mehrere Bewirtschafter von größeren Pachtflächenverlusten betroffen“, klagt der Kreisobmann. Allein in seiner Heimatgemeinde Greding seien bereits mehr als 150 ha von PV-Anlagen überbaut.

Die Antragsteller der Solarparks sind laut Schmidt fast ausschließlich außerlandwirtschaftliche Investoren. Diese sollen Pachtpreise zwischen 2000 und 3000 €/ha zahlen, um sich geeignete Flächen zu sichern. Das werde nicht ohne Folgen für den Pachtmarkt bleiben, befürchtet der Landwirt.

Auch im sonnenreichen Baden-Württemberg sind jede Menge Solarparks geplant, darunter auch sehr große Anlagen. So möchte der regionale Energieversorger EnBW in Wilfingen im Landkreis Biberach auf einer 80 ha großen Fläche einen Solarpark errichten. In der Gemeinde Aulendorf im Landkreis Ravensburg plant der Graf zu Königsegg-Aulendorf mit dem Hamburger Solarpark-Investor Blue Elephant Energy eine PV-Anlage auf 40 ha.

Daneben gibt es in Oberschwaben jede Menge Planungen für PV-Freiflächenanlagen von 1 bis 10 ha. Allein in der Gemeinde Kißlegg im östlichen Landkreis Ravensburg liegen aktuell neun Anfragen von Solarpark-Interessenten vor. „Darunter sind auch einige Landwirte, die auf ihren Flächen selbst in PV-Freiflächenlagen investieren wollen“, berichtet Christoph Mozer, der bei der Gemeinde Kißlegg die Anfragen für Solarparks fachlich betreut.

„Goldgräberstimmung“im Norden und Osten

Der Freiflächen-Boom betrifft auch Nord- und Ostdeutschland. „In Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Brandenburg aquirieren aktuell Investoren Flächen für Solarparks“, berichtet Rechtsanwalt Mandus Fahje von der Kanzlei Geiersberger Glas & Partner in Schwerin. Ziel der Projektierer seien vor allem Anlagen mit einer Fläche ab 40, aber unter 100 ha, vorzugsweise mit geringen Bodenpunkten.

Angesicht der Vielzahl der geplanten Freiflächen-Anlagen könne man von einer Art Goldgräberstimmung sprechen, sagt Fahje. Allerdings werde wahrscheinlich nur ein Teil der Projekte die aufwendigen Genehmigungsverfahren überstehen. „Hierbei kommt es stark auf den Einzelfall und auch auf das Landesrecht an.“

Der Anwalt rät den Grundstückeigentümern, die Flächen nicht zu günstig zu verpachten und wegen der langen Pachtdauer von 20 bis 30 Jahren für Solarparkflächen einen Inflationsausgleich auszuhandeln. Vereinbart werde derzeit ein Mindestnutzungsentgelt ab etwa 3000 € pro ha und eine Beteiligung am Stromerlös von 6 bis 7%, soweit dieser Anteil den Pachtpreis übersteigt. „So haben auch die Verpächter etwas davon, wenn die Strompreise langfristig steigen, und zugleich einen Inflationsausgleich,“ so der Anwalt.

Solarstrom kann mithalten

Doch was sind die Gründe für diesen Boom? Entscheidend dürfte sein, dass die Stromerzeugungskosten auf Solarparks mittlerweile wettbewerbsfähig sind. Während sich die Erzeugungskosten zwischen 4 und 7 ct/kWh bewegen, sind die Strompreise für die Verbraucher bzw. die Preise an der Börse auf deutlich höherem Niveau angelangt, wovon auch die Investoren profitieren.

Bei der letzten Ausschreibung im Rahmen des Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) ergab sich im Mittel zwar nur ein Wert von ca. 5,2 ct/kWh. Durch den Verkauf des Stromes an der Börse können die Investoren aber die feste Vergütung noch aufbessern (siehe Beitrag „Solaranlagen auf dem Acker: kein Selbstläufer“ ab Seite 32).

Zudem treibt die neue Bundesregierung wegen der Klima- und Energiewende den Ausbau der erneuerbaren Energien voran, so auch die Stromerzeugung aus Photovoltaik. Zu den 60 GW aus Photovoltaik, die bis Ende 2021 installiert waren, sollen laut aktuellem Entwurf des EEG bis 2030 weitere 155 GW dazukommen. Der Zubau soll je zur Hälfte auf Dachanlagen und Freiflächenanlagen stattfinden.

Weitere 77000 ha Solarparks

Da auf 1 ha Land etwa 1 MW Leistung installiert werden kann, würde das eine zusätzliche Fläche von etwa 77000 ha bedeuten, die in den nächsten acht Jahren mit PV-Freiflächenanlagen zugebaut werden müssten. ▶

Etliche Bundesländer haben bereits die Vorgaben, in denen Freiflächen über das EEG förderfähig sind, gelockert. So sind in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Hessen, Niedersachsen und Sachsen neben den 200 m breiten Korridoren entlang von Autobahnen und Schienen auch eine bestimmte Anzahl an EEG-Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten möglich.

Niedersachsen hat sich sogar konkrete Ausbauziele gesetzt. Bis 2040 will die Landesregierung laut Landvolk auf 15000 ha Freiflächenanlagen errichten. Dass sie Ende letzten Jahres auch vorgeschlagen hat, das Verbot von Solarparks in den „Vorbehaltsgebieten Landwirtschaft“ aufzuweichen, kritisiert der dortige Landvolkverband heftig, zumal außerhalb der Vorranggebiete mehr als 600000 ha zur Verfügung stehen.

Wegen der massiven Ausbaupläne will das Landvolk verhindern, dass die Landwirte, die auf diese Flächen angewiesen sind, „von Solarpanels erdrückt werden“. Die Landesregierung müsse im Rahmen des Raumordnungsprogramm mit einer detaillierten Flächenplanung die Betroffenheit landwirtschaftlicher Betriebe und deren Flächenbedarf ermitteln, so die Forderung des Berufsstands.

„Wir halten die Welle nicht auf“

Dr. Holger Hennies, Präsident des Niedersächsischen Landvolks spricht sich dafür aus, PV auf Agrarflächen regional vor Ort und gemeinschaftlich anzugehen. „Wir halten die Welle nicht auf, aber wir wollen den Verlauf mitgestalten“, lautet das Fazit des Präsidenten.

Ähnlich sieht man es beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) in Münster. Nachdem der WLV den Bau von PV-Freiflächenanlagen zunächst abgelehnt hat, startete er wegen der rasch steigenden Nachfrage nach PV-Freiflächenanlagen Ende letzten Jahres ein Beratungsangebot für seine Mitglieder. Denn bisher gingen die Aktivitäten vor allem von außerlandwirtschaftlichen Investoren aus, die nach geeigneten Flächen suchen, um sich dann vertraglich den Zugriff da-rauf zu sichern.

Thomas Schoppe, Projektleiter beim WLV land.solar beobachtet, dass sich jetzt auch immer mehr Landwirte fragen, ob sie nicht selber eine solche Anlage bauen und sich damit ein weiteres Standbein aufbauen können. Der WLV land.solar berät im Rahmen seines Dienstleistungsangebotes zu Machbarkeitskriterien, Planung und Projektierung von Freiflächenanlagen.

Bauernverbände beziehen Stellung

Mittlerweile haben mehrere Landesbauernverbände, so auch der Bayerische Bauernverband, der Landesbauernverband Baden-Württemberg und das Niedersächsische Landvolk, Positionspapiere zu PV-Freiflächenanlagen verabschiedet. Die dort aufgeführten Leitlinien laufen fast immer auf die gleichen Forderungen hinaus:

  • Basis für die Bereitstellung regenerativer Energien müsse die regionale Wertschöpfung sein. Nur dann sei eine breite Akzeptanz in der Landwirtschaft und Bevölkerung gewährleistet.
  • Um den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen, sei ein sinnvoller Mix aus konstanter und regelbarer Energieerzeugung anzustreben. Neben dem Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik sei auch die Energieerzeugung aus Biomasse zu beachten.
  • PV-Anlagen auf Dächern und auf Flächen, die nicht für die Landwirtschaft brauchbar sind, z.B. Parkplätze, Gewerbeflächen und Konversionsflächen, müssten Vorrang für die Energieerzeugung haben.
  • Auf Freiflächen sollten Agri-Photovoltaik-Anlagen, die gleichzeitig die landwirtschaftliche Erzeugung und die Produktion von Strom ermöglichen, bevorzugt werden.
  • Um die Akzeptanz der PV-Freiflächenanlagen zu gewährleisten, sollten Anlagen hauptsächlich von Landwirten und/oder Bürgern umgesetzt werden.
  • Die regionalen agrarstrukturellen Belange der Bauernfamilien seien zu berücksichtigen. Der Ausbau dürfe nicht dazu führen, dass der Flächenverlust den Betrieben die Grundlagen der Bewirtschaftung entziehe. Dazu zählen für die für den Tierbestand notwendigen Futter- und Düngeflächen.
  • Acker und Grünland mit wertvollen Böden und guter Agrarstruktur dürften nicht der Solarnutzung dienen.
  • Dazu bedürfe es angepasster Planungsgrenzen, die von Regionalverbänden, Landkreisen und Kommunen in der Region definiert werden.

Doch nicht bei allen Landkreisen und Gemeinden stoßen diese Forderungen auf offene Ohren. „Mein Eindruck ist, dass manche Gemeinden Investorenprojekten sogar den Vorzug geben vor Solarparks, die Landwirte alleine oder zusammen mit Bürgern betreiben wollen“, so Projektierer Johannes Heinzler, der aktuell im südlichen Baden-Württemberg 14 Bebauungspläne für PV-Freiflächenanlagen betreut.

Investoren nicht erwünscht

Etwas positiver ist die Einschätzung von Franz Schönberger, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Allgäu-Oberschwaben. „Die Landkreise und Gemeinden haben es in der Hand, welche Anlagen sie zulassen. Ich erlebe die Bürgermeister als bedacht, weil sie die Landwirte nicht verprellen wollen“, sagt der Kreislandwirt. „Das alles Entscheidende bei Freiflächenanlagen ist, dass keine Investoren zum Zug kommen und die Bewirtschafter geschützt werden.“

Ein wichtiger Faktor, ob eine Gemeinde einen Solarpark genehmigt oder nicht, ist die Akzeptanz der Bevölkerung. Denn Freiflächenanlagen werden – noch stärker als Windkraftanlagen –als negative Einwirkung auf den ländlichen Raum empfunden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Lukas Neumaier, die er im Rahmen seiner Bachelorarbeit an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf durchgeführt hat. Besteht die Möglichkeit, sich an einem Solarpark zu beteiligen, verbessert das die Akzeptanz deutlich, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage.

Zustimmung für BürgerParks

Reinhard Kirchner von der Wust-Wind & Sonne Gmbh & Co.KG bestätigt das: „Bei Bürgeranlagen zieht die Bevölkerung in der Regel besser mit.“ Der Projektentwickler aus Markt Erlbach hat in Nordbayern bereits über 40 Bürgerenergieprojekte umgesetzt, so kürzlich auch den Bürgerenergiepark in Röbersdorf mit 5,1 MW, an der ein Landwirt und 20 Bürger aus der Region beteiligt sind.

Die Beteiligungsmöglichkeit der Bürger wird auch für die Gemeinde Kißlegg im württembergischen Allgäu ein wichtiger Faktor sein, mit der sie die aktuellen und künftigen Projektanfragen bewerten bzw. priorisieren will, berichtet der für Solarparks zuständige Sachbearbeiter Christoph Mozer. Die Kommune entwickelt dazu aktuell einen Kriterienkatalog.

Weitere Entscheidungskriterien werden voraussichtlich Auswirkungen auf das Landschaftsbild bzw. die Sichtbarkeit sein, die Ausgestaltung der Anlage, die bisherige Flächennutzung und die Flächenverfügbarkeit, der Natur- Arten- und Gewässerschutz sowie die Eigenstromnutzung.

Zudem müsse die Gemeinde für sich klären, welche Anlagengröße sie überhaupt zulassen will und welchen Zubau sie pro Jahr haben will.

Ihr Kontakt zur Redaktion:klaus.dorsch@topagrar.com

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