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„Baden-Württemberg ist Vorbild für Bund und EU“

Lesezeit: 6 Minuten

Die Landwirte sind mit Klimawandel und immer schärferen gesetzlichen Auflagen konfrontiert. Südplus sprach mit Joachim Rukwied, dem Präsidenten des Baden-Württembergischen und Deutschen Bauernverbands, über Lösungsansätze.


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Herr Rukwied, aktuell wird in Brüssel über die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik bis 2030 beraten. Das Ziel ist, die Landwirtschaft ökologischer und klimafreundlicher auszurichten. Zeigt das Eckpunktegesetz in Baden-Württemberg nicht, dass die Landwirte schon auf diesem Weg sind?


Rukwied: Wir sind auf dem Weg dahin. Wir haben in Baden-Württemberg ausgehend von dem Volksbegehren einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Wir haben uns intensiv mit der Pflanzenschutz- und Düngemittelreduktion befasst. Die Ziele des Volksbegehrens sind richtig, aber die Maßnahmen sind die falschen, weil sie Existenzen gefährden. Wir haben mit dem Eckpunktegesetz erreicht, dass die Reduktionsziele des Landes nicht bindend für die Bauern sind und diese noch zweimal evaluiert werden. Außerdem ist in den meisten Schutzgebieten integrierter Pflanzenschutz weiterhin möglich. In den reinen Naturschutzgebieten können außerdem Ausnahmengenehmigungen für den Pflanzenschutz greifen. Das sehe ich auch als Vorbild für den Bund oder die EU, z.B. beim Aktionsprogramm Insektenschutz.


Die Landwirte bekommen den Klimawandel immer stärker zu spüren. Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert daher eine Anschubfinanzierung von 400 bis 500 Mio. € für eine Mehrgefahrenversicherung. Wie soll das Modell funktionieren?


Rukwied: Der DBV befasst sich mit dem Thema seit Jahren. Unsere Position ist, mit einer Anschubfinanzierung durch die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) eine Mehrgefahrenversicherung auf den Weg zu bringen, damit Landwirte auf freiwilliger Basis ihr unternehmerisches Risiko reduzieren können.


Die Anschubfinanzierung soll maßgeschneidert auf die Bundesländer sein, ähnlich wie das Baden-Württemberg bei der Frostversicherung im Obst- und Weinbau mit 15 Mio. € gemacht hat. Im Südwesten waren dieses Jahr bereits viele Flächen frostversichert. Weil wir lokal massive Frostschäden hatten, hat das vielen meiner Berufskollegen schon dieses Jahr geholfen.


Woher soll dieses Geld kommen?


Rukwied: Die 1. Säule der GAP muss als Einkommenssicherung erhalten bleiben. Wir wollen die nationale GAK aufstocken. Unter dem Aspekt Klimaveränderung, die die Landwirte massiv trifft, muss die Gesellschaft bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen, um die Landwirtschaft klimafester zu machen. Das ist gut investiertes Geld. Wenn die Anschubfinanzierung auf den Weg gebracht wird, werden wir künftig keine Ad-hoc-Hilfen mehr fordern.


Wie lässt sich verhindern, dass sich die Versicherungswirtschaft einen Teil der Zuschüsse einstreicht?


Rukwied: Einer der großen Versicherer von landwirtschaftlichen Kulturen ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Da sind die Bauern Mitglied und das ist Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb sehe ich dieses Argument als nicht tragend an. Weil alle Versicherer im Wettbewerb zueinanderstehen, bekommt die Versicherung mit dem besseren Angebot den Zuschlag.


Unter besonderem Druck stehen die Tierhalter. Im kleinstrukturierten Baden-Württemberg und Bayern wird das Verbot der betäubungslosen Kastration ab 2021 zu einem riesigen Strukturwandel führen. Hat die Sauenhaltung im Süden noch eine Chance?


Rukwied: Ich sehe eine große Gefahr, dass wir zukünftig einen weiteren und durch die Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung beschleunigten Rückgang der Schweine haltenden Betriebe in Deutschland und insbesondere in Süddeutschland haben werden. Durch diese Entscheidungen werden vor allem auch kleinere Betriebe, die man eigentlich haben will, ins Aus getrieben!


Die angekündigte Haltungskennzeichnung bei Rindern könnte die vielen Anbindebetriebe in Süddeutschland herauskegeln, wenn der Handel, wie angedeutet, deren Milch nicht mehr für seine Handelsmarken will. Wie stehen Sie zu diesem Thema?


Rukwied: Ein Ausschließen der Milchviehhalter mit Anbindehaltung seitens des Lebensmitteleinzelhandels ist nicht akzeptabel. Auf lange Sicht müssen wir diese Tierhaltung aber weiterentwickeln. Eine ganzjährige Anbindehaltung ist perspektivisch gesehen, wenn wir ins Jahr 2035 oder 2040 gehen, für mich keine Form einer zukünftigen Tierhaltung, weder für das Tier noch für den Landwirt oder die Landwirtin.


Möglicherweise erfassen einige Molkereien diese Milch bald schon separat.


Rukwied: Da sage ich klar Nein. So kann man mit den Landwirten nicht umgehen. Ich kann nicht von heute auf morgen sagen: Du musst jetzt in den Stall investieren, sonst nehmen wir deine Milch nicht mehr ab.


Die Zuckerrübenanbauflächen in Süddeutschland sind rückläufig. Haben die süddeutschen Rübenanbauer mit der Südzucker AG langfristig eine Chance, sich auf den internationalen Märkten zu behaupten? ▶


Rukwied: Ja, die süddeutschen Zuckerrübenanbauer und die Südzucker AG haben langfristig eine Chance, sich auf den Märkten zu halten. Im Gegensatz zu vielen europäischen Wettbewerbern hat die Südzucker AG Restrukturierungsschritte umgesetzt und damit auch eine Grundlage für die Zukunft im Sektor Zucker geschaffen. Die Südzucker AG ist ein breit aufgestelltes Unternehmen, das beispielsweise in den Bereichen Ethanol und Frucht zusätzlich tätig ist.


Wie sieht es mit der Wettbewerbsfähigkeit der Anbauer aus?


Rukwied: Unser größtes Problem ist, dass wir keine Wettbewerbsgleichheit in der EU haben. Es ist ein Unding, dass einige Mitgliedsstaaten der EU, z.B. Polen und Spanien, nach wir vor gekoppelte Zahlungen leisten und gleichzeitig die Produktion ausgebaut haben. Bis jetzt hat die Kommission nicht gehandelt, obwohl das ein signifikanter Nachteil für Deutschland ist. Ein weiterer ist die Neonikotinoid-Beizung. Elf Mitgliedsstaaten haben eine Notfallzulassung, wir haben sie nicht. Wenn wir den Rübenanbau erhalten wollen, brauchen wir die Unterstützung der Politik.


Um das Werk in Offenau zu halten, müssten die Anbauer in Baden-Württemberg 4000 bis 5000 ha mehr Rüben anbauen. Ist dies realistisch?


Rukwied: Die Restrukturierung innerhalb der Südzucker ist abgeschlossen. Derzeit steht kein Werk zur Disposition. Wir haben aber innerhalb der Südzucker eine unterschiedliche Auslastung der Zuckerfabriken.


Aus baden-württembergischer Sicht müssen wir uns gemeinsam als Rübenanbauer anstrengen, die Auslastung des Werkes in Offenau zu erhöhen. Um auf eine ähnliche Auslastung zu kommen wie unsere Nachbarwerke, brauchen wir eine Ausdehnung der Rübenanbaufläche um 4000 bis 5000 ha.


Sie arbeiten als Präsident des Landesbauernverbands Baden-Württemberg seit 2011 relativ reibungslos mit der grün-geführten Landesregierung zusammen. Welche Strategie ist nach Ihrer Erfahrung am erfolgreichsten?


Rukwied: Ein Verband kann nur dann die Politik zu Entscheidungen bewegen, wenn er mit allen politischen Parteien im Austausch ist. Dazu gehört, dass man intern hart diskutiert, aber ordentlich miteinander umgeht.


In Baden-Württemberg ist uns das in den letzten Jahren gelungen. So konnten wir das Volksbegehren wieder in eine andere Richtung bringen. Das Ziel muss sein, Lösungen herbeizuführen, die der Landwirtschaft eine Zukunft ermöglichen, die aber auch den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Nur wenn wir diesen Weg gehen, haben wir weiterhin Gehör in der Politik.


In Baden-Württemberg ist uns das in den letzten Jahren gelungen. So konnten wir das Volksbegehren wieder in eine andere Richtung bringen. Das Ziel muss sein, Lösungen herbeizuführen, die der Landwirtschaft eine Zukunft ermöglichen, die aber auch den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Nur wenn wir diesen Weg gehen, haben wir weiterhin Gehör in der Politik.


Das Interview ist der zweite Teil eines Gesprächs, das die top agrar-Redakteure Matthias Schulze Steinmann, Stefanie Awater und Klaus Dorsch führten. Den ersten Teil des Interviews finden Sie in der November-Ausgabe von top agrar ab Seite 34.


klaus.dorsch@topagrar.com

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