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Bauern und Bürger stoppen Flächenfraß

Lesezeit: 5 Minuten

Eine unterfränkische Gemeinde will Hunderte von Hektar für den Ausgleich von Baugebieten sichern. Die Landwirte im Ort lassen sich das nicht gefallen – und kippen das Vorhaben.


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Hart am Rand der Illegalität bewegte sich die unterfränkische Gemeinde Iphofen, als sie sich Ende 2019 ein Vorkaufsrecht an rund 60 ha Wiesen sichern wollte, die sogenannten Holzwiesen. Das Grünland sollte als Ausgleichsfläche für zukünftige Bau- und Industriegebiete herhalten.


Die Landwirte waren besorgt. Doch richtig alarmiert waren sie, als sie kurz vor Weihnachten das Amtsblatt der Gemeinde in den Händen hielten. Demnach hatte es die Gemeinde nicht nur auf die 60 ha „Holzwiesen“ abgesehen, sondern auch auf viele weitere Flächen in den umliegenden Dörfern, die zu der Gemeinde gehören.


Schweinemäster Stefan Eichinger schätzt: „Insgesamt wollte sich die Gemeinde ein Vorkaufsrecht auf rund 200 bis 300 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche sichern.“


Gülle unerwünscht


Unter sich munkelten Landwirte im Ort, dass die Gemeinde eigentlich die Gülleausbringung auf den meist zweischnittigen Wiesen unterbinden wollte. Denn sowohl die Holzwiesen als auch die weiteren Flächen werden auch von Wanderern genutzt. Wollte die Gemeinde am Ende nur erreichen, dass man die Bewirtschafter durch einen Eigentümerwechsel zu einer extensiven Bewirtschaftung zwingt? Für die viehhaltenden Betriebe, die aufgrund der anstehenden Düngerechtsreform ohnehin unter Flächendruck stehen, wäre es ein weiterer Rückschlag gewesen.


Ob die Gemeinde rechtlich mit ihren Plänen durchgekommen wäre, ist zweifelhaft. Das Hauptproblem: Eigentlich müssen die betroffenen Flächen laut Baugesetzbuch in einem „räumlichen Zusammenhang“ mit den geplanten Baugebieten stehen, für die sie als Ausgleichsfläche dienen sollen.


Das war aber schon bei den Holzwiesen nicht der Fall. Spätestens, als herauskam, dass das Vorkaufsrecht auch für Flächen in entlegenen Ortsteilen hätte gelten sollen, war klar, dass der normalerweise zitierte § 25 des Baugesetzbuches (BauGB) hier nicht greift.


„Zum Scheitern verurteilt“


Stattdessen wollte die Gemeinde wohl das „Allgemeine Vorkaufsrecht“ (§ 24 BauGB) nutzen, nach dem die Ausgleichsflächen „auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs“ liegen können. Doch das ist nur in wenigen und eng umrissenen Ausnahmefällen möglich. Darauf verweist Rechtsanwalt Leopold Thum von der Kanzlei Messerschmidt und Kollegen in München.


„Soweit der Flächennutzungsplan von Iphofen keine Wohnbereiche dort beinhaltet, wo die Gemeinde hektarweise Ausgleichsflächen sichern wollte, greift auch Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 dieses Paragraphen nicht“, verweist Thum auf ein konkretes Beispiel.


„Der § 24 BauGB steht der Gemeinde Iphofen nicht als Wundermittel zur Sicherung von Privatgrundstücken für Ausgleichsflächen zugunsten jedweder gemeindlicher Bauleitplanung zur Verfügung“, so der Fachanwalt für Agrarrecht. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass die Gemeinde versuche, über § 24 BauGB ein Vorkaufsrecht geltend zu machen. So wie die Gemeinde das scheinbar vorhatte, sei das aber bei entschiedener Gegenwehr zum Scheitern verurteilt.


Wähler statt Gerichte


So oder so war für die Landwirte aber klar, dass sie lieber die anstehenden Kommunalwahlen nutzen wollten, um Druck auf den Stadtrat zu machen. „Das können wir gemeinsam machen, rechtliche Auseinandersetzungen hätte hingegen jeder für sich führen müssen“, argumentiert der Iphöfer Landwirt Rainer Schiffmeyer.


Zunächst zogen die Landwirte die Flächeneigentümer auf ihre Seite. Allein auf den 60 ha Holzwiesen stehen sechs Bewirtschaftern über 120 Eigentümern gegenüber. Die Landwirte erklärten ihren Verpächtern, dass ein Vorkaufsrecht der Gemeinde zu einem Wertverlust der Flächen führen würde.


Die Gemeinde hatte für ihr Vorkaufsrecht damit geworben, dass sie verhindern wolle, dass andere Gemeinden bzw. Investoren Flächen in der Iphöfer Flur erwerben. Und sie wolle durch eine Beschränkung der Gülleausbringung auf in ihrem Besitz befindlichen Flächen die Ökologie und Artenvielfalt verbessern.


„Beide Begründungen waren aber nur ein Vorwand, mit dem die Stadt den Eindruck vermitteln wollte, sie würde sich schützend vor die Eigentümer stellen“, ist Schiffmeyer überzeugt.


Voller Erfolg


Die Aktion der Landwirte war ein voller Erfolg. Rund 50 Teilnehmer hatte die Gemeinde für eine Veranstaltung zu dem Thema im Januar erwartet – über 200 kamen und machten ihrem Unmut Luft.


Zudem stellten die Landwirte eine eigene Bürgerliste für die Kommunalwahl im März auf, ebenfalls mit überraschendem Erfolg: Eigentlich hatten sie bezweifelt, dass die erforderlichen 80 Unterschriften für die Zulassung der Liste zusammenkommen. „Schließlich müssen die Leute dafür eigens ins Rathaus kommen“, beschreibt Eichinger den Aufwand. Letztlich sammelte man aber 120 Unterschriften und brachte einen Kandidaten in den Stadtrat. „Das hat uns gezeigt, dass die Themen der Bauern die Leute wirklich bewegen“, freut sich Listen-Organisator Eichinger.


Einen großen Erfolg konnten die Bauern schon vor der Wahl verbuchen: Bürgermeister Josef Mend (Freie Wähler) hat in der Stadtratssitzung Anfang Februar, bei der 50 Grundstückseigentümer anwesend waren, vorgeschlagen, das geplante Vorkaufsrecht abzulehnen. Dem stimmte der Stadtrat ohne Diskussion einstimmig zu. Die Landwirte hoffen, dass das Thema damit langfristig vom Tisch ist.


claus.mayer@topagrar.com

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