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Das Millionengrab Jessen

Lesezeit: 5 Minuten

Die Milchlieferanten der BMI müssen für Baufehler und Probleme in der Produktion der neuen Käserei in Jessen beim Milchgeld bluten. Selbst treue Mitglieder wollen jetzt die Reißleine ziehen.


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Die wirtschaftliche Belastung des Unternehmens wird bis zum Jahresende zu einem weiteren Rückgang des Milchpreises führen.“ Dieser Satz im Oktober-Rundschreiben traf die rund 1230 Milchlieferanten der Bayerischen Milchindustrie e.G. (BMI) ins Mark und hat wohl auch dem letzten klargemacht, dass die größte Genossenschaftsmolkerei Bayerns in einer Krise steckt.


Milchpreis unter 30 ct


Dass die BMI beim Milchgeld den umliegenden Molkereien seit langem hinterher hinkt, waren die Bauern aus Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt fast schon gewohnt. Gerade schien sie nach dem großen Rückstand von 5 bis 6 ct im Frühjahr 2018 wieder den Anschluss geschafft zu haben, da kam im September die Hiobsbotschaft von minus 2 ct auf 28,06 ct (4 % Fett). Andere Unternehmen hatten da mit 31 bis 32 ct die Talsohle erreicht, einzelne zogen bereits leicht an. „Wir sind geschockt, wütend und frustriert. Vor allem bei den Erzeugern, die der krisengeschüttelten Molkerei über lange Jahre die Treue gehalten haben, ist die Geduld aufgebraucht“, beschreibt ein Lieferant gegenüber Südplus die Stimmung. Große Betriebe hätten bereits gekündigt oder seien kurz davor.


Bei den Vorständen der Liefergruppen laufen die Telefone heiß. Für ostdeutsche Mitglieder sei die Lage prekär: „Manchen fehlen bereits liquide Mittel für den Futterzukauf. Sie müssen jede Woche zur Bank, um wieder Geld zu bekommen.“


Käserei in Jessen läuft nicht


Als Hauptgrund für die wirtschaftliche Misere geben die beiden Geschäftsführer Dr. Thomas Obersojer und Winfried Meier Probleme mit der neuen „Hightech-Käserei“ in Jessen an. Es habe massive Planungsfehler und Baumän-gel gegeben, die den 72 Mio.-€-Bau wum mindestens 38 Mio.€ verteuerten. Hinzu kämen Erlöseinbußen durch Anlaufschwierigkeiten und Störfälle in der täglichen Produktion. Der minderwertige Käse müsse unter Wert, z.B. als Schmelzkäse, verkauft werden. Und zuletzt stünden auch die Märkte für Pulver und Cheddar – ein Hauptprodukt in Jessen – unter Druck.


Wie ernst die Lage sein muss, zeigt vor allem der Zeitpunkt der offensiven Mitgliederinformation so kurz vor Jahresende. Dass jetzt viele Bauern von Kündigung sprechen, mag die beiden Geschäftsführer wenig überraschen. „Wir verstehen die Sorgen und Nöte unserer Milcherzeuger. Die Situation ist ernst, aber zu meistern!“, bekräftigen sie auf Anfrage von Südplus.


Man habe intern und extern alle Kräfte mobilisiert, damit die angestoßene Neuausrichtung erfolgreich sei. Schon 2020 werde man beim Milchpreis zu den Nachbarmolkereien aufschließen, so ihr Versprechen. Beide wissen: Wenn jetzt auch noch reihenweise Betriebe kündigen und ihr Kapital abziehen, wäre das der Supergau.


Internes Controlling versagt


Dass sie nicht offen und detailliert über die Vorgänge im Unternehmen informiert worden wären, können die Mitglieder und die gut 1000 Mitarbeiter der BMI-Geschäftsführung nicht vorwerfen. Unglaubwürdig ist für viele allerdings, dass die brenzlige Situation in Jessen nicht schon früher abzusehen war. Schließlich ging die Käserei bereits im Februar 2019 in Betrieb. „Ein neues Werk muss nach einem halben Jahr laufen. Hier hat das interne Controlling total versagt“, sagt ein Insider.


Die Geschäftsführer gestehen eigene Fehler ein, weisen aber auch darauf hin, wie komplex das Bauen im Bestand sei und dass manche Dinge erst bei der Ausführung zutage getreten seien.


Wer haftet für den Schaden?


Die grundsätzliche Entscheidung, in Jessen in eine Käserei mit einer Jahresproduktion von 50000 t im Jahr zu investieren, stellen die Bauern nicht infrage. „Nur warum müssen wir Milcherzeuger zuerst für das Missmanagement bluten? Das ist Betrug am Milchgeld“, entrüstet sich ein Aufsichtsratsmitglied, das anonym bleiben will.


Das Ehrenamt weise seit Jahren auf Einsparmöglichkeiten hin. Potenzial gebe es z.B. bei den Fracht- oder Personalkosten sowie bei der Rentabilität der Käsesparte.


Auch die Kritik an der Struktur der Zentralgenossenschaft, bestehend aus 28 Liefergenossenschaften, Molkereien und finanzierenden Mitgliedern als Gesellschafter, keimt aktuell wieder auf. Das Konstrukt sei zu undurchsichtig, zu schwerfällig und zu wenig effizient.


Sind harte Preisverhandlungen überhaupt möglich, wenn Geschäftspartner im Aufsichtsrat sitzen oder wichtige Kunden, wie etwa Hipp, Anteile halten, fragen sich jetzt viele. Selbstverständlich werde man mit allen Mitteln versuchen, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, versichern Obersojer und Meier. Doch das dauert vermutlich einige Zeit – vor allem, wenn es keinen für das Gesamtprojekt verantwortlichen Architekten gibt, wie in der Branche kolportiert wird.


Geplante Maßnahmen


Mit einem externen Beraterteam hat die Geschäftsführung ein umfangreiches Maßnahmenbündel geschnürt, das kurz-, mittel- und langfristig das operative Geschäft stützen soll. Im Rahmen dieser „Strategie 2025“ würden z.B. die Wettbewerbsstrategie, das Portfolio, die Unternehmensstruktur, die Leistungsfähigkeit der Standorte sowie alle internen Abläufe hinterfragt.


„Bei Käse denken wir an die Produktion von Spezialkäsesorten, wie wir sie schon vor der Schließung von Langenfeld hergestellt haben“, sagt Obersojer. Kurzfristig sehe man deutliche Sparpotenziale bei der Logistik. Bestimmte Frachten habe man neu ausgeschrieben, Lagerbestände reduziert, externe Dienstleistungen ausgesetzt.


Wie geht es weiter?


Kein Stein soll auf dem anderen bleiben, versicherte Obersojer im Gespräch mit Bauern. Dass der Oktober-Milchpreis stabil geblieben sei, zeige, dass erste Maßnahmen greifen. „Wir glauben nicht, dass die Probleme schnell zu lösen sind. Aber einen langen Leidensweg gehen wir nicht mit“, sagen dagegen Lieferanten. Davon, dass aktuell Molkereien in der Region eher Milch abstoßen als neue aufzunehmen, lassen sie sich nicht beirren. Farbe bekennen müssen sie aber schon bald. Denn die BMI-Geschäftsführer wollen in den nächsten Monaten Klarheit über die künftigen Milchmengen haben.


silvia.lehnert@topagrar.com

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