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Die gelben Engel der Bauernfamilien

Lesezeit: 4 Minuten

In landwirtschaftlichen Familien kommt oft ein Problem zum anderen. Landwirtschaftliche Familienberater hören zu und unterstützen – bei betrieblichen und familiären Konflikten.


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Man könnte sagen, dass jahrelang Sand im Getriebe war. Es hat geknarzt – an vielen Stellen. Der Bau des neuen Milchviehstalls hat den Betrieb finanziell schwer belastet, die Streitigkeiten innerhalb der Familie haben immer weiter zugenommen und irgendwann standen Manfred und Elisabeth W. vor den Scherben ihrer Ehe.


Mit solchen Problemen muss die Familie nicht allein bleiben. Betriebsentwicklung und Ehekonflikte sind häufig Thema, wenn Landwirtschaftliche Familienberatungen zu Rate gezogen werden. „In bäuerlichen Familien ist die Problemkonstellation oft komplex“, berichtet Eva-Maria Schüle aus ihrer Erfahrung als Familienberaterin bei „Familie & Betrieb“ in St. Ulrich bei Freiburg. „Die Grenzen sind fließend. Parallel zu wirtschaftlich und betrieblich bedingten Problemen sind oft Partnerschafts- und Ehekonflikte wie auch Generationenkonflikte zu bearbeiten.“


Die Beratungsteams in St. Ulrich, Meßkirch und Neckarelz haben im Jahr 2019 insgesamt etwas mehr als 250 Familien bzw. Betriebe betreut.


Ein Fall, mehrere Probleme


Ein Blick auf die Beratungsfälle nach Problemtypen macht deutlich, dass es pro Betrieb oder Familie häufig nicht nur ein Problem zu lösen gibt, denn die Summe liegt hier bei über 580 Fällen. Zur betrieblichen Problemstellung kommen familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Probleme – oder umgekehrt. Wachstumsschritte im Betrieb verursachen Belastungen und Stress. Daraus resultieren Konflikte innerhalb der Familien.


Die Landwirtschaftliche Familienberatung in Bayern hat im Jahr 2018 knapp 500 Familien geholfen, 514-mal waren familiäre Probleme Thema, über 240-mal betriebliche Problemen. In 199 Fällen hat es zwischen den Generationen geknirscht.


Im übertragenen Sinne ist die Familienberatung die Getriebespülung, die den Sand entfernt und dabei hilft, dass wieder alles reibungslos ineinander- greift. Die ehren- und hauptamtlichen Beraterinnen und Berater sind gut ausgebildet und stammen oft selbst aus der Landwirtschaft (siehe Übersicht auf Seite 49). Sie können sich in die Probleme der Bauernfamilien hineinversetzen und geben in vertraulichen Gesprächen Hilfe zur Selbsthilfe. Häufig begleiten sie Familien über einen langen Zeitraum und werden zu Vertrauten.


Probleme der Generationen


Betrachtet man die Beratungsfälle im Jahr 2018 in Bayern nach den jeweiligen Problemen, so sind es die „Klassiker“, die auf den Höfen für Unruhe sorgen: Generationenkonflikte, Ehekonflikte, Hofübergabe und familiäre Verstrickungen. Hinzu kommen Depressionen, psychische Störungen, Ängste und Arbeitsüberlastung.


Das hat sich in den letzten Jahren nicht geändert. Die Themen, die in Bauernfamilien zu Streit und Verzweiflung führen, waren vor zehn Jahren die gleichen wie heute. „Was als Belastung dazukommt, ist der gesellschaftliche Druck“, sagt Fritz Kroder von der Landwirtschaftlichen Familienberatung in Bamberg. „In bereits belasteten Familien wirft fehlende Wertschätzung die Frage auf, ob überhaupt noch etwas richtig gemacht wird.“


Auch Männer suchen Hilfe


Wie auch immer die Probleme aussehen – wichtig ist, dass sich niemand scheut, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Tatsächlich ist die Hemmschwelle in den letzten Jahren gesunken. „Viele Betroffene erkennen ihre Probleme und suchen sich Hilfe“, sagt Fritz Kroder. „Auch die Männer melden sich inzwischen bei uns. 2018 waren es 40 % Männer, die den Erstkontakt zu uns aufgenommen haben.“


Inzwischen, so berichten die Berater, wenden sich viele Familien auch schon an sie, bevor ein Konflikt aufkeimt, z.B. vor der Eheschließung oder einer Hofübergabe. In Kooperation mit dem Bildungshaus Kloster St. Ulrich bietet Familie & Betrieb auch Seminare und Veranstaltungen zur außerfamiliären Hofübergabe an. „Die Familien befinden sich in einer Übergangsphase und wollen weiterhin gut zusammenleben“, sagt Eva-Maria Schüle. „Da ist es für sie auch oft selbstverständlich, dass sie sich Beratung suchen.“


In Bayern sind die Kirchen Träger der Familienberatungen. Zusätzlich bezuschusst das Land jede Beratungsstunde. „Hin und wieder bekommen wir auch Spenden“, erklärt Fritz Kroder. Die Familien selbst müssen so keine Kosten für die Beratung tragen.


Eigenanteil festlegen


In Baden-Württemberg sind die Kosten von Stelle zu Stelle unterschiedlich hoch. Die Beratungsstelle in St. Ulrich wird von der Katholischen Landvolkbewegung der Erzdiözese Freiburg getragen, Kosten teils aus kirchlichen, teils aus staatlichen Mitteln gedeckt. Die Familien vereinbaren ihren Eigenbeitrag in angemessener Höhe. Der Kostenbeitrag beläuft sich so in der Regel auf 5 bis 50 € pro Beratungsstunde bei Gesprächen in der Geschäftsstelle.


Auch Manfred und Elisabeth W. haben sich nach langem Hin und Her Unterstützung gesucht. Mit insgesamt zehn Beratungsstunden liegen sie im „Durchschnitt“. Die meisten Familien benötigen im Schnitt zwischen 5 und 25 Beratungsstunden.


Die zehn Stunden hätten sich nicht nur gelohnt, sagt das Ehepaar W., sondern haben ihre Ehe gerettet und wieder zu einem besseren Miteinander verholfen. „Wir hatten ein enges Verhältnis zu unserem Berater, das haben wir sehr geschätzt“, erklären die Betriebsleiter. „Es war wichtig, dass uns jemand wieder Struktur gegeben hat, ein Geländer, an dem wir uns entlanghangeln konnten.“ ▶


anja.rose@topagrar.com

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