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Die sechs Freiheiten einer Mutterkuh

Lesezeit: 8 Minuten

Wer seine Mutterkuhherde gut beobachtet, erhält zahlreiche Informationen über ihre Gesundheit und ihre Leistungsfähigkeit. Nehmen Sie diese Signale wahr und reagieren Sie im richtigen Moment.


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Am Anfang steht das bewusste Beobachten der Tiere, gefolgt von der Suche nach den Ursachen von Problemen und der Umsetzung konkreter Maßnahmen. Was sehe ich? Was bedeutet das? Ist es eine positive Information oder muss ich eingreifen?


Das systematische Fragen verhindert voreilige Schlüsse. Die Beobachtung erfolgt von der gesamten Herde hin zu einzelnen Gruppen, das heißt von den frischgekalbten Kühen zu den neugeborenen Kälbern und dann zum Einzeltier. Das Gesehene vergleicht der Tierhalter mit dem Verhalten und der Körperhaltung zufriedener, gesunder und leistungsfähiger Mutterkühe und Kälber.


Die sechs Freiheiten


An Mutterkühen auf der Weide lassen sich natürliche Verhaltensweisen und Bedürfnisse am besten beobachten. Auch die Bewegungsabläufe sind hier kaum eingeschränkt. Die Weide bietet den Tieren alle sechs Freiheiten, die sie für ihr Wohlbefinden benötigen: Licht, Luft, Ruhe, Raum, Futter und Wasser. Je mehr man der Kuh davon im Stall bietet, umso gesünder ist sie und umso mehr Freude macht die Arbeit mit den Rindern.


Gerade bei Neu- oder Umbauten von Ställen ist es ratsam, sich mit den Anforderungen, die eine Kuh und ihr Kalb an ihre Umgebung stellen, auseinanderzusetzen. Oft werden die Möglichkeiten nicht umfassend genutzt. Ziele in der Mutterkuhhaltung sind Mütter, die durch ansprechende Milchleistungen ihre Kälber optimal versorgen und dass diese wiederum durch eine gute Futterverwertung hohe Tageszunahmen verzeichnen. Arbeitseffizienz (Menschenwohl) und gesunde, stressfreie Tiere ohne Schmerzen (Tierwohl) stehen dabei stets im Mittelpunkt. Beobachten Tierhalter ihre Herde genau, können sie auch in dieser sehr naturnahen Haltungsform oft noch viel verborgenes Verbesserungspotenzial aufdecken.


Tierhalter sorgt für Tierwohl


Bei meiner Arbeit als Kuhsignaletrainer und Berater versuche ich, die Umgebung durch die Augen der Tiere zu betrachten. Das hilft, Risikoorte im Stall zu erkennen und Schwachstellen in der Haltung aufzudecken.


Versetzen Sie sich einmal in die Rolle ihres schwächsten Tieres und gehen Sie so durch den voll besetzten Stall. Sie werden erkennen, welche Stellen ein neu in die Herde integriertes Muttertier oder ein junges Kalb behindern oder gar verletzen können. Oder vielleicht erkennen Sie, wie unübersichtlich Ihr Stall ist, wenn Sie sich auf Tierhöhe – also auf ungefähr 60cm über dem Boden – begeben.


Die Übersicht im Stall ist wichtig, um möglichst viele Kuhsignale erkennen zu können. Es ist daher wertvoll, Hindernisse wie Seitenabtrennungen, Zwischenwände bei den Liegeboxen und Wände beim Kälberschlupf aus dem Stall zu schaffen. Dies kann sehr einfach erfolgen, indem z.B. jedes zweite Brett der Seitenabtrennung entfernt wird. So verbessern wir die Ruhe in der Herde, da sich die Tiere weniger erschrecken, wenn jemand unverhofft in ihre Beobachtungszone tritt.


Muttertier und Kalb sind entspannter, wenn sie sich im Blick haben. Außerdem verhindern Wände den Luftaustausch, den Lichteinfall und den Überblick des Tierhalters.


Ohne Respekt und gleichzeitiges Vertrauen der Rinder in den Tierhalter ist ruhiges und sicheres Arbeiten kaum möglich. Respektlosigkeit von Tieren entsteht häufig dadurch, dass man sie aus der Hand füttert oder sie oft streichelt. Bleiben Futter oder Streicheleinheiten aus, bedrängen die ansonsten friedlichen Tiere den Tierhalter schnell einmal. Dadurch kann es zu Unfällen kommen.


Auch fehlendes Vertrauen gegenüber dem Menschen ist ein kritisches Kuhsignal. Durch grobes, ungeduldiges und unüberlegtes Verhalten im Stall entsteht eine große Distanz zwischen Halter und Tieren. Das Betreten der Fluchtzone eines Tieres führt im engen Stall zu Angst, die in Panik übergehen kann. Dann ist die Sicherheit aller in Gefahr!


Nähe und Distanz zu den Tieren im richtigen Maß trifft man nicht in jedem Stall an. Für eine zügige Arbeit mit den Tieren ist dies aber eine wichtige Voraussetzung. Kritische Tiersignale wie ein Kopf, der oberhalb der Rückenlinie ist, weit aufgerissene Augen, Schwanzwedeln, unregelmäßiges Kotabsetzen, am Boden Scharren, schnelles Atmen bis hin zu Schwitzen weisen auf nervöse Tiere hin. Durch sachgemäßes Bewegen und Treiben der Tiere kann der Landwirt ihre Anspannung reduzieren.


Hunde aus dem Stall


Mutterkühe nehmen Hunde als ernsthafte Bedrohung war, gerade in der Zeit um das Abkalben. Extrem ausgeprägt ist dieser Instinkt in Regionen, wo sich auch Wölfe aufhalten. Dort dulden Mütter mit jungen Kälbern keine Hunde. Mutterkühe, die mit Hunden nicht vertraut sind, können in Anwesenheit von Hunden auch für den Menschen zu einer Gefahr werden. Denken Sie deshalb immer an die Herde, bevor Sie sich etwas Neues, für die Tiere Unbekanntes, anschaffen.


Ruhige Tiere, die sich sicher bewegen, sind positive Signale. Oft werden Kälber vom Bullen oder auch von älteren Artgenossen bedrängt und in Engstellen gedrückt. Umso wichtiger ist es, diesen Tieren breite Gänge ohne Hindernisse anzubieten.


Hervorstehende kleine Eisenteile, nicht mehr benötigte Kratzbürsten, Abschrankungen und weitere Engpässe im Stall können zu Verletzungen führen. Oft werden dabei Rippenquetschungen und -brüche beobachtet. Diese kritischen Signale erkennt man meist erst auf der Schlachtbank. Die Schmerzen, die durch Verletzungen entstehen, können die Tiere in ihrem Verhalten sehr stark einschränken.


Hohe Stufen, beispielsweise vom vertieften Kälberschlupf in den Liegebereich der Mütter, können für kleine Kälber zum unüberwindbaren Hindernis werden. Drängen sich die Tiere gegenseitig in eine Sackgasse, ist ein Entkommen ohne Schmerzen oft nicht möglich.


Rutschende Kühe und Kälber zeigen Schwachstellen in der Bodenbeschaffung. Auf griffigen Böden können schwache Kälber einfacher ausweichen und fliehen. In Ställen mit knapper Futterversorgung der Tiere kommt es zu deutlich mehr Rangkämpfen und ernsthaften Rangeleien. Die rangniederen und gleichzeitig die wichtigsten Tiere im Stall leiden am stärksten darunter.


Spielzeuge für Jungtiere


Wenn Kälber auf der Weide unterwegs sind, dann rennen sie meistens. Dies ist ein Zeichen von Lebensfreude und Gesundheit. Ihr Bewegungsdrang ist riesig. Tiere, insbesondere Jungtiere, bauen Spannungen und Stress durch Bewegung ab. Es macht daher Sinn, Jungtiere mit Spielzeug zu beschäftigen. Dies können aufgehängte Gegenstände, wie Bälle oder leere Behälter, sein. Von Vorteil ist, diese Sachen im Kälberschlupf außerhalb des Liegebereichs zu montieren. So können die einen Kälber in Ruhe liegen, während sich die anderen im Laufhof oder im Fressbereich mit Spielen beschäftigen.


Neben ausreichend Bewegung ist es wichtig, dass die Mütter und ihre Jungtiere genug Wasser und Futter aufnehmen. Dafür muss die Quelle sauber und gut erreichbar sein. Ganz wesentlich hängt der Wasserkonsum auch von einer ausreichenden Durchflussmenge ab. Die schwachen Tiere leiden zuerst darunter, wenn sie nicht genug Wasser bekommen. Sind Tränken für die kleinen Kälber schwer zugänglich und zu hoch montiert, sinkt ihre Wasseraufnahme. Damit geht auch der Futterverzehr zurück. Das bedeutet oft, dass die Schleimhäute von Lunge und Darm leicht austrocknen.


Die erste Barriere für Krankheitserreger ist somit geschwächt und die Gefahr von Infektionen nimmt zu. Leicht zu reinigende Tränken an optimaler Position bringen das günstigste Futter in ausreichender Menge an die Tiere und tragen zu ihrer Gesunderhaltung bei.


Stimmen Die Abmessungen?


Die Maße des Fressplatzes entsprechen oft nicht den Größenverhältnissen der Kälber. Im Schlupf darf der untere Rand des Fressgitterquerrohres nicht mehr als 45cm über dem Boden sein. Sonst wird es für kleine Tiere schwierig, das Futter zu erreichen.


Wenn gleichzeitig die Mauer zwischen Futtertisch und Fressbereich über 15cm breit ist, gelangen die Tiere noch schwerer ans Futter. In vielen Ställen stimmen schon die Maße der Fressplatzgestaltung für die Muttertiere nicht. Dann fällt es kaum auf, dass auch die Kälber nur eingeschränkt ans Futter kommen.


Wie bei Milchvieh hat die Liegefläche in der Mutterkuhhaltung eine große Bedeutung für die Gesundheit und Leistung. Im Liegen produziert die Kuh mehr Milch und das Kalb verzeichnet bessere Tageszunahmen. Auch die Euteraufhängung und das Fundament, das heißt Klauen und Gelenke, werden beim Liegen entlastet. In gut durchlüfteten Ställen können die Klauen in dieser Zeit abtrocknen. Das beugt Klauenfäule und Mortellaro vor.


Signale für schlechte Liegeflächen


Folgende kritische Kuhsignale können Hinweise auf einen ungenügenden Liegebereich geben:


  • viele stehende Kühe (15Minuten nach dem Fressen liegen weniger als 80%),
  • zögerndes Abliegen,
  • rutschende Kühe beim Aufstehen,
  • das Tier liegt stark seitlich oder ragt über die Liegekante hinaus,
  • Zitzenverletzungen,
  • geschwollene Rippen,
  • Haarabschürfungen,
  • verdickte Karpal-, Euter- und Sprunggelenke.


Rund um den Liegebereich sollen –soweit technisch möglich – keine oder nur ganz niedrige Wände errichtet werden. Es gilt zu beachten, dass nicht nur frische Luft in den Stall, sondern dass auch die mit Schadgasen, Wärme und Feuchtigkeit versetzte Luft von den Tieren weggeführt werden muss.


Krankheitserreger lieben Wärme und Feuchtigkeit. Die Luft, die ungehindert durch den Stall strömt, und Tageslicht sind gratis. Das sollte der Tierhalter nutzen. Allein das Entfernen der Fenster kann die Bedingungen verbessern.


Nehmen Sie sich für Ihren Stall folgenden Grundsatz zu Herzen: „Hinschauen, nachdenken, handeln!“


Nadine Maier


silvia.lehnert@topagrar.com

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