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Die Stundenweide bringt’s

Lesezeit: 6 Minuten

Manche Milchviehbetriebe mit Grünland am Stall lassen ihre Kühe täglich einige Stunden weiden. Das ist gut für die Tiergesundheit und für das Image, wie eine aktuelle Studie zeigt.


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Weidegang wird von Verbrauchern als tiergerechte Haltung von Kühen wahrgenommen. Für Betriebe mit Hochleistungskühen stellen die schwankende Futtergrundlage auf der Weide und der wetterbedingt unregelmäßige Weidegang allerdings eine Herausforderung dar. Wetterextreme häufen sich und so kann z.B. nach Starkniederschlägen der Boden zu aufgeweicht oder bei Sonnenschein die Hitzebelastung für die Tiere zu hoch sein. Zusätzlich kann die Insektenbelastung dazu führen, dass Kühe lieber zurück in den Stall möchten, oder bei freier Wahl kaum oder nur kurz auf die Weide gehen.


Außerdem verfügt nicht jeder Betrieb über ausreichend arrondierte Flächen, die gut erreichbar sind. Daher wird manchmal die Strategie einer Halbtages- oder Stundenweide als Alternative gewählt. Dabei stellen sich folgende Fragen:


  • Lohnt sich der Aufwand?
  • Welche Effekte hat ein vierstündiger Weidegang (Stundenweide) auf die Bewegungsaktivität?
  • Gibt es möglicherweise negative Auswirkungen auf die Milchleistung?


Untersuchung in Praxisbetrieb


Antworten auf diese Fragen sollte eine Untersuchung auf einem Fleckviehbetrieb in einer niederschlagsreichen Region im Allgäu bringen. Dazu wurden zufällig ausgewählte Kühe mit Pedometern ausgestattet, die neben der Aktivität auch Liegezeiten aufzeichnen. Parallel dazu wurde die Milchleistung zweimal täglich erfasst.


Die Untersuchung gliederte sich in zwei Abschnitte:


  • Zuerst wurde die Stallsituation mit Weidegang auf einer Kurzrasenweide täglich von 10 bis 14 Uhr verglichen.
  • Dann wurde ein unregelmäßiger Weidegang getestet, bei dem die Kühe abwechselnd auf die Weide gehen konnten, zwischendurch aber im Stall bleiben mussten.


Viermal mehr Bewegung


Während der Stundenweide war die Bewegungsaktivität der Kühe mit 32 Minuten vier Mal höher als im selben Zeitraum im Stall, wo sie nur 8 Minuten liefen. Pro Tag liefen die Kühe bei Stallhaltung insgesamt 40 Minuten, bei Stundenweide 66 Minuten .


Während der Weidestunden lagen die Tiere insgesamt 56 Minuten weniger und kompensierten die geringeren Liegezeiten anschließend nur teilweise im Stall. Das lässt den Schluss zu, dass Kühe den vierstündigen Weidegang vor allem dazu nutzten, sich uneingeschränkt zu bewegen. Hieraus könnten Vorteile für die Klauen- und Stoffwechselgesundheit entstehen.


Bei ganzjähriger Stallhaltung kommt es zu signifikant gesteigerter Bewegungsaktivität, wenn auf dem Betonspaltenboden eine verformbare Gummiauflage installiert wird. Das lässt vermuten, dass nicht nur die Futtersuche für die Bewegungsaktivität verantwortlich ist, sondern auch die Bodenausführung. Ein verformbarer Untergrund entspricht den anatomischen und biomechanischen Voraussetzungen des Rindes. Beim Paarhuf übernehmen zwei Zehen die Lastaufnahme. Diese sind unterschiedlich lang, so wie die Finger und Zehen beim Menschen. Beim Rind beträgt der Längenunterschied durchschnittlich 2,5 mm.


Sicherer auf verformbarem Boden


Damit nun das Gewicht gleichmäßig auf beide Klauenhälften verteilt wird, muss diese auf verformbarem Boden einsinken. Dadurch entsteht auf natürliche Weise ein guter Formschluss und Rutschsicherheit und das Rind fühlt sich sicher bei der Fortbewegung.


Die Studie auf dem Praxisbetrieb zeigte, dass bereits eine Stundenweide zu markanten Aktivitätssteigerungen führen kann, die Vorteile für das Wohlbefinden der Tiere erwarten lassen. Im Hinblick auf die Klauengesundheit leistet auch das Gras einen positiven Beitrag, weil die Klauen automatisch gereinigt werden, sogar im Zwischenklauenspalt. Dadurch reduziert sich die Belastung der Klauen durch die Verschmutzung mit Gülle.


Außerdem fördert Bewegung den Klauenmechanismus, der wichtig ist für die Durchblutung und Nährstoffversorgung der Klauen. Bewegung und Muskelaktivität tragen weiterhin dazu bei, negative Folgen von Ketose bei Hochleistungskühen zu verringern, weil Ketonkörper bei Aktivität in der Muskulatur abgebaut werden. Der Weideaufenthalt ermöglicht den Tieren Klimareize und der Sonnenstrahlung wird ein positiver Effekt auf die Keimbelastung zugeschrieben.


Milchleistung bleibt gleich


Bei temporärem Weidegang sind Nachteile wie Hitzestress oder hoher Parasitendruck weniger relevant. Empfehlungen, Weideflächen rotierend mit mehrwöchigen Pausen einzusetzen und nasse Weideflächen zu meiden sind leichter umsetzbar, wenn die Weide nur stundenweise angeboten wird.


Die Milchleistung veränderte sich während des Untersuchungszeitraum nicht. Sie blieb bei durchschnittlich knapp über 30 Litern pro Kuh und Tag. Allerdings wurde während der Tage mit den vier Stunden Weidegang die Ration einer Kuh ausgehend von 16,7 kg FM Weidegrasaufnahme (entspricht 3 kg TM) mit 1,8 kg Weizenkleie ergänzt und die anderen Komponentenanteile angepasst. Die Kühe erhielten eine Teilmischration aus Grassilage, Energiemix, Eiweißmix, Heu, Stroh, Grascobs, Mineralfutter und Wasser. Zusätzlich konnten sie tierindividuell Kraftfutter an zwei Stationen im Stall abrufen.


Die Unterschiede zur regelmäßigen Stallhaltung und zu konstantem Weidegang waren nur gering. Es fiel lediglich auf, dass bei unregelmäßigem Weidegang an Stalltagen durchschnittlich die längsten Liegezeiten in Kombination mit den kürzesten Steh- und Laufzeiten gemessen wurden.


Folglich waren die Tiere auf den ganzen Tag gesehen nicht besonders unruhig, obwohl ihre Erwartung auf Weidegang nicht erfüllt wurde. Es könnte aber sein, dass die etwas kürzeren Liegezeiten auf der Weide an den Stalltagen dazwischen kompensiert wurden.


Positive Effekte


Eine so deutliche Aktivitätssteigerung lässt positive Effekte auf die Klauen- und Stoffwechselgesundheit erwarten. Denn der vierstündige Weidegang führte zu einem Plus an Fortbewegung von fast einer halben Stunde täglich – über 65%.


Die schwankende Futtergrundlage auf der Weide konnte ausgeglichen werden und wirkte sich nicht negativ auf die Milchleistung aus. Stundenweide erbrachte innerhalb der vorliegenden Untersuchung der Tagesgemelke also keine Hinweise auf einen Zielkonflikt, hochleistende Kühe mit einer adäquaten Futtergrundlage zu versorgen und dennoch Weidegang zu ermöglichen.


Keine kurzfristigen Nachteile


Fiel der Weidegang aus, wie es in der Untersuchung simuliert wurde und in niederschlagsreichen Regionen immer wieder mal vorkommen kann, veränderte sich das Tierverhalten auf den Tag gesehen kaum und waren keine kurzfristigen Nachteile zu erkennen.


Unterm Strich kann also davon ausgegangen werden, dass der Aufwand einer Stundenweide sich lohnen kann, weil positive Auswirkungen auf das Tierwohl erwartet werden dürfen. Außerdem repräsentiert Weidegang für Verbraucher den Goldstandard einer artgerechten Nutztierhaltung.


Die Sichtbarkeit von Weidetieren leistet folglich auch einen Beitrag zur Akzeptanz und Wertschätzung der Milchkuhhaltung. Auch in niederschlagsreichen Gegenden und bei wenigen arrondierten Grünlandflächen könnte die Stundenweide somit einen guten Kompromiss darstellen.


klaus.dorsch@topagrar.com

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