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Die Zwischenkalbezeit verlängern – das bringt’s!

Lesezeit: 7 Minuten

Früher sollte jede Kuh jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Doch immer mehr Betriebe verlängern die Zwischenkalbezeit ihrer Kühe – mit vielen positiven Effekten.


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Die 400 Tage Zwischenkalbezeit gelten seit jeher als Grenzwert für ein „gutes“ und ein „schlechtes“ Fruchtbarkeitsmanagement. Immer mehr Betriebe stellen dies infrage und verlängern die Zwischenkalbezeit (ZKZ) auf 500 Tage und mehr. Warum?


Mehr Zeit nach Besamung


Viele Argumente sprechen gegen die frühe Besamung:


  • Hochleistungskühe stecken noch mitten in der negativen Energiebilanz. Das hat Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit: Es gibt mehr inaktive Eierstöcke, Zysten und subklinische Entzündungen der Gebärmutter. Das erhöht die Behandlungskosten und den Besamungsaufwand.
  • In der Frühlaktation ist das Risiko für Produktionskrankheiten, wie z.B. Ketose, Labmagenverlagerung und Mastitis am höchsten. Hier fallen die höchsten Tierarztkosten an. Je kürzer die Laktation, desto länger ist der relative Anteil dieser Risikoperiode.
  • Je früher die Kuh tragend wird, desto eher muss sie wieder trockengestellt werden – häufig mit einer Leistung von über 20 kg. Das erhöht das Risiko von Euterentzündungen und erfordert zwingend den Einsatz von antibiotischen Trockenstellern.
  • Männliche Nutzkälber von Milchrassen erzielen sehr niedrige Preise und lassen sich oftmals nur ins Ausland vermarkten. Die weiblichen Kälber aufzuziehen, ist teuer.


Nur was für Holsteins?


„Das Thema verlängerte ZKZ und damit längere Laktationen ist ein aktuelles Thema, vor allem bei den Holsteins. Hauptsächlich Spitzenbetriebe besamen meist nur ausgewählte Kühe mit sehr hohen Milchleistungen inzwischen bewusst später“, berichtet Dr. Dieter Krogmeier vom Institut für Tierzucht an der LfL Bayern. Der Wissenschaftler ist Mitglied in der Arbeitsgruppe zur verlängerten Zwischenkalbezeit im ‚Netzwerk Fokus Tierwohl‘.


„Beim Fleckvieh und auch beim Braunvieh sprechen höhere Kälberpreise, höhere Schlachtkuhpreise und eine insgesamt geringere Milchleistung eher gegen dieses System“, so Krogmeier. „Allerdings müssen wir auch beim Fleckvieh auf die aktuelle gesellschaftliche Debatte zu den Tierwohlthemen wie Nutzungsdauer, Fruchtbarkeitsprobleme, Kälberaufzucht an der Mutter, weniger Rindfleischkonsum etc. reagieren. Weitere Diskussionen müssen aber fundierte betriebswirtschaftliche Berechnungen berücksichtigen.“


Für Fleckviehzüchterin Irina Primbs aus Bayern ist die Verlängerung der Zwischenkalbezeit – trotz merklicher Einbußen im Stierkälberverkauf – dennoch schon jetzt eine entscheidende Methode, den Betrieb weiterzuentwickeln (siehe Reportage S.39).


Flache Laktationskurve


Immer mehr Untersuchungen belegen inzwischen auch die positiven Auswirkungen einer verlängerten Zwischenkalbezeit auf Gesundheit, Fruchtbarkeit und Leistung der Kuh. Ein entscheidender Punkt dabei ist die Persistenz.


Damit hat sich auch eine aktuelle Studie der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt und 58868 Laktationen, überwiegend von Holsteinkühen, ausgewertet.


Die Datenanalyse zeigt, dass sich mit einer längeren besamungsfreien Zeit nach der Kalbung die Laktationskurve auf einem deutlich höheren Niveau halten lässt. Kühe mit einer sehr guten Persistenz schnitten zunächst in der 305-Tage-Leistung um ca. 300 kg schlechter ab, als Kühe mit sehr hohen Einsatzleistungen. Sie hatten jedoch eine längere Zwischenkalbezeit als Kühe mit niedriger Persistenz (429 vs. 407 Tage) und konnten so in der zweiten Laktationshälfte die fehlende Leistung aufholen (Übersicht 1, Seite 38). In der Laktationsleistung hatten sie am Ende sogar eine signifikant höhere Milchleistung von 396 kg. Besonders persistent zeigten sich die erstlaktierenden Kühe: Ihre Laktationskurven stiegen flacher an und konnten das Niveau halten. Am Ende der Laktation, ca. ab dem 300. Laktationstag, hatten sie sogar eine höhere Milchleistung als Mehrkalbskühe.


Höhere Milchleistung


Am interessantesten für den Landwirt ist jedoch, wieviel Milch jede einzelne Kuh im Schnitt pro Tag in den Milchtank bringt. Wurden die Tierdaten auf ein Kalenderjahr bezogen, unterschieden sich die Milchleistungen je Kuh tatsächlich kaum voneinander. Kühe, deren Laktation 100 Tage länger war (500 Tage ZKZ), hatten mit 10117 kg sogar einen deutlichen Vorteil gegenüber den Tieren mit normaler ZKZ. Diese erreichten bei einer Zwischenkalbezeit von 400 Tagen 9002 kg je Kuh und Jahr.


„Der Grund ist der geringere Anteil an unproduktiven Kühen im Jahr, das heißt, weniger trockenstehende Kühe und mehr Kühe in Milch“, erklärt Dr. Anke Römer, LFA Mecklenburg-Vorpommern. „Damit sind auch weniger Abkalbungen im Leben einer Kuh und damit weniger kritische Phasen verbunden.“


Die niedrigere Reproduktionsrate bietet das meiste Einsparpotenzial, denn der Milcherzeuger muss weniger Jungrinder aufziehen. Damit könnten Zukauffutter eingespart, statt Silomais Marktfrüchte angebaut und Teile des nicht benötigten Grünlandes anderweitig (z.B. Biogas) verwendet werden.


Die durch den geringeren Jungrinderbestand freigesetzten Arbeitskraftstunden können innerbetrieblich, z.B. in der Klauenpflege oder der Besamung, eingesetzt werden, wo häufig Dienstleister die Arbeiten verrichten. „Werden diese Maßnahmen konsequent umgesetzt, kann man Kosten von rund 100 € je Kuh des Bestandes und Jahr eingesparen“, berichtet Römer.


Kühe werden älter


Eine Studie der Universität Gießen wertete zudem den Einfluss einer verlängerten Zwischenkalbezeit auf das Abgangsalter und die Lebensleistung der Kühe aus. Über 27100 Kühe gingen in die Analyse ein. Die Wissenschaftler kamen zu einem klaren Ergebnis: „Eine frühe Besamung der Kühe nach der Kalbung rechnet sich nicht“, sagt Prof. Steffen Hoy. „Die freiwillige Wartezeit kann auf etwa 110 Tage verlängert werden. Die Kühe sollten dann etwa 150 Tage nach der letzten Abkalbung erneut tragend werden.“


Laut seinen Datenanalysen liegt die optimale ZKZ bei durchschnittlich 430 Tagen, in der Spanne von 412 bis 452 Tagen. Die Kühe erreichten in dieser Klasse mit 34119 kg Milch die beste Lebensleistung und mit 15,7 kg auch die beste Lebenstagsleistung (Übersicht 2). Eine sehr niedrige ZKZ (333 Tage) hat dramatische Auswirkungen auf das Abgangsalter: Diese Tiere gingen nach nur 2,7 Laktationen mit einer Lebensleistung von 20032 kg Milch ab. Die Lebenstagsleistung lag bei nur 12 kg/Tag.


Verlängerte sich die ZKZ, wurden die Kühe älter, die Lebenstagsleistung stieg. Erst oberhalb einer ZKZ von 430 Tagen nahm das Abgangsalter wieder ab: Kühe mit einer extrem langen ZKZ von über 550 Tagen gingen nach 2,7 langen Laktationen mit einer Lebensleistung von 30070 kg Milch und damit einer Lebenstagsleistung von 14,6 kg Milch ab.


Auswirkungen auf die Zucht?


Die positiven Effekte einer verlängerten Zwischenkalbezeit scheinen verlockend. Doch was passiert mit den Zuchtwerten, wenn sich immer mehr Landwirte dem System anschließen? Die 305-Tage-Leistung als wichtigste Maßzahl für das Leistungspotenzial hat sich etabliert. Doch dabei schneiden persistente Kühe mit flacher Laktationskurve eher schlecht ab.


Daher würden mit einer Verlängerung der ZKZ die Kühe weniger auf sehr hohe Einsatzleistungen und mehr auf Persistenz selektiert werden. „Damit könnte der Zuchtwert Leistungssteigerung, den es bereits bei der ökologischen Rinderzucht gibt, mehr an Bedeutung gewinnen“, meint Zuchtexperte Krogmeier. Dieser Zuchtwert bevorzugt Kühe, die in der 1. Laktation nicht extrem hoch einsetzen, sich aber in den Folgelaktationen steigern.


Auch der Fruchtbarkeitswert könnte von der Verlängerung der Zwischenkalbezeit beeinflusst werden. Dieser be-inhaltet neben tierärztlichen Diagnosen aus dem Fruchtbarkeitsbereich, die Rastzeit, die Non-Return-Rate (NRR) und die Verzögerungszeit, das ist die Zeit von der 1. Besamung bis zur Trächtigkeit. Während ein späteres Besamen nach der Kalbung einerseits die Rastzeit und damit auch die Verzögerungszeit verlängert und den Zuchtwert möglicherweise negativ beeinflussen könnte, würde andererseits die NRR profitieren, da die Kuh hormonell stabiler ist und besser aufnimmt.


„Auch die Auswirkungen auf weitere Zuchtwertschätzungen, wie z.B. die Nutzungsdauer, müssten geprüft werden“, meint Krogmeier. Er betont aber: „Da das Thema bisher noch keine wirkliche Breitenwirkung hat, sind derzeit keine Reaktionen vonseiten der Zuchtwertschätzung geplant.“


Felicitas Greil klaus.dorsch@topagrar.com

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