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Drückt der Handel den Anbindehaltern die Luft ab?

Lesezeit: 5 Minuten

Der Lebensmitteleinzelhandel plant, keine Milchprodukte aus ganzjähriger Anbindehaltung mehr zu vermarkten. Süddeutsche Molkereien befürchten ein Fiasko, sollte dies ohne Übergangsphase kommen.


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Die Anbindehaltung von Milch-kühen steht auf der Kippe. Dabei ist diese Haltungsform in Süddeutschland keine Randerscheinung, sondern noch weit verbreitet. Rund 50% der bayerischen und 20% der baden-württembergischen Milchviehbetriebe haben nach Schätzungen von Experten ihre Kühe noch angebunden. Bezogen auf die Menge entspricht das etwa 25% der bayerischen und 10% der baden-württembergischen Milcherzeugung.


12000 Anbindehalter im Süden


Von diesen Betrieben kombinieren etwa 20% die Anbindehaltung mit einem Laufhof oder Weidegang. In absoluten Zahlen bedeutet das: In Süddeutschland halten rund 12000 Milcherzeuger Kühe in ganzjähriger Anbindung, davon 10000 in Bayern.


Kein Wunder, dass die Pläne des Lebensmitteleinzelhandels (LEH), für seine Handelsmarken kein Fleisch und keine Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung mehr zu verwenden, die Milchbauern und Molkereien im Süden in große Aufregung versetzen. Würde der LEH sein Vorhaben so umsetzen, käme dies nach Ansicht der Genossenschaftsverbände einem Vermarktungsverbot für diese Betriebe gleich – mit weitreichenden Folgen.


Auch wenn die Vertreter des Handels bisher noch keine Fristen gesetzt haben, bereiten die derzeitigen Aktivitäten des Handels den Molkereien große Sorgen. So hat der LEH bereits einen Antrag bei der Initiative Tierwohl (ITW) gestellt, ein Programm für ITW Rind zu entwickeln. Dieses soll der Haltungsstufe 2 der vierstufigen Kennzeichnung des Handels entsprechen und neben Vorgaben zur Haltung, z.B. dem Verbot der ganzjährigen Anbindung, ein Monitoring für den Antibiotikaeinsatz und die Schlachtbefunddaten vorsehen.


Weil sich die ITW bisher nur mit den Haltungskriterien von Schweinen und Geflügel beschäftigt hat, soll QM-Milch ein Zusatzmodul QM-Plus entwickeln, das die entsprechenden Kriterien für Haltungsstufe 2 für Rinder festschreibt.


Die Teilnahme an diesem Programm soll zwar freiwillig sein und über Marktpreise finanziert werden. Allerdings haben Vertreter des LEH bereits geäußert, dass Stufe 2 künftig der Standard für das Basissortiment im Handel werden soll, wozu auch die Handelsmarken zählen.


„Bis zu 10 ct/kg weniger“


Sollte es so weit kommen, wären die Molkereien gezwungen, Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung getrennt zu erfassen, zu verarbeiten und zu vermarkten. Dies würde laut einem Positionspapier der genossenschaftlichen Milchwirtschaft zu Mehrkosten in der Erfassung und Verarbeitung von bis zu 10 ct/kg Milch führen. Hinzu kämen geringere Erlöse. Denn die Anbindemilch wäre dann nur noch für bestimmte Absatzkanäle, wie den Spotmarkt, geeignet.


Laut Positionspapier dürften die höheren Gesamtkosten in den Molkereien auch die Auszahlungsleistung für Milch aus Laufställen vermindern. Das gilt vor allem für die Milchverarbeiter, die noch einen hohen Milchanteil aus Anbindehaltung erfassen. In vielen bayerischen Molkereien, z.B. bei den Privatmolkereien Bauer und Alpenhain oder bei der genossenschaftlich organisierten Goldsteig Käsereien GmbH liegt dieser Anteil noch bei 25 bzw. 30%.


Ist Kombihaltung die Lösung?


Anbindebetriebe, die nicht in einen Laufstall investieren können oder wollen, hätten noch die Möglichkeit, die Anbindehaltung mit einem Laufhof oder Weidegang zu kombinieren, um so eine getrennte Erfassung und hohe Preisabschläge zu vermeiden. Dazu werden nach Einschätzung von Molkereivertretern aber mindestens 120 Tage Auslauf nötig sein.


Viele Molkereien bezahlen deshalb die Umstellungsberatung für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung auf Kombinationshaltung. Für Lieferanten der Molkerei Alpenhain ist die Beratung sogar verbindlich durchzuführen. „Wir können uns aktuell vor Anfragen kaum retten“, bestätigt Bauberater Georg Sachsenhammer vom LKV Bayern. Sein Fazit: „Viele Betriebe könnten umstellen, warten aber ab, bis es ernst wird.“


Die meisten Molkereivertreter sehen die Kombihaltung skeptischer. Für viele Betriebe scheide diese Möglichkeit wegen der beengten Hof- oder Ortslage aus, zumal bei der Einrichtung eines Laufhofes auch noch emissionsschutzrechtliche Probleme drohen. Zudem sei diese Variante auch für die vielen Nebenerwerbslandwirte keine Option, weil der Zeitaufwand steige.


Sollte der Lebensmitteleinzelhandel Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung zu schnell aus seinem Basissortiment ausschließen, müssten viele dieser kleinstrukturierten und politisch erwünschten Betriebe die Milcherzeugung einstellen. Die Folge wäre ein brutaler Strukturbruch in der süddeutschen Milchwirtschaft.


„Wir brauchen mehr Zeit“


In der Milchwirtschaft herrscht deshalb Einigkeit in der Forderung, den Anbindehaltern mehr Zeit für den Umstieg auf den Laufhof oder die Kombihaltung bzw. für den Ausstieg aus der Milchviehhaltung zu gewähren.


So hat die Schwarzwaldmilch den Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung ab 1.1.2030 in ihren Milchlieferbedingungen verbindlich festgelegt. Danach wird von diesen Betrieben keine Milch mehr erfasst. „Bis dahin haben alle Betriebe in Freilauf bzw. Kombihaltung investiert oder aufgegeben“, so Heinz Kaiser, Geschäftsleiter Landwirtschaft/Produktion-/Logistik der Genossenschaftsmolkerei. Käme das Ver-bot früher, wären Existenzen gefährdet.


Einige bayerische Privatmolkereien, wie Hochland peilen einen deutlich früheren Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung bzw. eine getrennte Erfassung dieser Milch an. Allerdings tun sich Privatmolkereien leichter, ihre Milchkaufverträge in dieser Richtung anzupassen. Genossenschaftliche Molkereien sind jedoch verpflichtet, die Milch ihrer Mitglieder zu erfassen. Sie fordern deshalb eine Übergangsfrist von mindestens fünf Jahren.


Klaus Dorsch, Silvia Lehnert


klaus.dorsch@topagrar.com

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