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Eine Veredlungsregion erfindet sich neu

Lesezeit: 6 Minuten

Schwache Erlöse, ein hoher Flächendruck und ungewisse politische Rahmenbedingungen setzen den Veredlern in Hohenlohe arg zu. Wo liegen noch ungenutzte Chancen?


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Wettbewerbsfähige Betriebsstruk-turen, eine hohe Dichte schlagkräftiger Verarbeitungsunternehmen und eine gute Anbindung an lukrative Absatzmärkte. Kein Wunder, dass Hohenlohe in Baden-Württemberg jahrzehntelang als „die“ Veredlungsregion schlechthin galt.


Extremer Strukturwandel


Die Viehdichte ist heute im Vergleich der Landkreise zwar immer noch eine der höchsten (Übersicht 2), doch der Aderlass bei den Höfen war und ist gewaltig: Allein in den letzten zwei Jahren haben im Landkreis Schwäbisch Hall jährlich fast 10% der Milchviehhalter aufgegeben (Übersicht 1). Von 4650 Erzeugern Ende der 1970er Jahre sind heute noch 359 mit einer mittleren Kuhzahl von 53 Tieren übrig. „Da die Hälfte davon in Anbindehaltung wirtschaftet, wird diese Entwicklung weitergehen“, prognostiziert Werner Balbach, Leiter des Landwirtschaftsamtes.


Statt wie früher in großem Stil Ferkel zu exportieren, gelangen zunehmend Ferkel aus Ostdeutschland und Dänemark in die Region. Von den rund 78450 Sauenplätzen im Jahr 1999 sind heute noch 28155 in 216 Betrieben übrig (siehe Übersicht 1). „Der nächste Schub kommt jetzt, denn die neuen Vorgaben zu Abferkelung, Schwanzkupieren und Kastration machen auch größere Betriebe mit über 250 bis 300 Sauen oder 500 bis 1000 Mastplätzen vielfach nicht mehr mit“, sagt Helmut Bleher, Bauernverband Schwäbisch Hall. Nur bei Geflügel ist die Situation etwas stabiler. Der Ausstieg fällt durch die höheren Investitionen allerdings auch schwerer.


„Weltmeister“ beim Pachtpreis


Die gute Infrastruktur ist für die Bauern Fluch und Segen zugleich. Denn dadurch finden potenzielle Hofnachfolger attraktive Arbeitsplätze in der Industrie und die Pachtpreise erreichen Rekordhöhe. „Bei Preisen von 800 €/ha investieren wir nicht mehr in den Ackerbau“, sagt ein Putenmäster aus der Region.


Der Flächenfraß durch Industrie, Straßen und Wohnbebauung aber auch durch Biogasanlagen ist enorm. Allein durch den sechsspurigen Ausbau der A6 gehen auf einen Schlag rund 100 ha verloren. „Für kleinere und mittlere Betriebe sind die Aussichten auf Wachstum sehr gering“, sagt Bleher. Das Gros der Höfe bewirtschaftet derzeit zwischen 20 und 100 ha (s. Übersicht 3, Seite 12). Statt weiter in die Tierhaltung zu investieren, stellten sich viele Betriebe wieder breiter auf: „Der Trend zur Spezialisierung kehrt sich um. Mittlerweile bauen sich viele mit kleinen Biogasanlagen, Photovoltaik oder sonstigen Diversifizierungsmaßnahmen ein zweites Standbein auf“, sagt Dr. Wolfgang Eißen, Leiter des Landwirtschaftsamtes im Hohenlohekreis.


Kaum Investitionen


Wenn überhaupt noch in die Tierhaltung investiert wurde, dann in AFP-geförderte Tierwohlställe für Legehennen oder Hähnchenmast, nur vereinzelt für Schweine und Milchvieh. Putenmäster haben allenfalls längst genehmigte Ställe gebaut, um neuen Daumenschrauben, wie etwa der neuen TA Luft, zuvorzukommen. „Mit einem Selbstversorgungsgrad von 75% wäre am Markt noch Luft, aber heute einen neuen Stall genehmigt zu bekommen, ist beinahe unmöglich“, sagt Thomas Palm von der EZG Südhof Truthahn. Diese Marktanteile hole sich derweil das Ausland, vor allem Polen.


Und auch die Umstellung auf Bio war bisher aufgrund der Flächenknappheit und dem Mangel an Arbeitskräften lediglich für einzelne Milchvieh- und Legehennenhalter eine Option. Für Erzeuger von Bioheumilch, Biokalbfleisch, Biogewürze aber auch für regionales Biogetreide gäbe es sogar noch Luft am Markt: „Wir haben unsere Lagerkapazitäten gerade auf 8500 t erweitert, um noch Biolandbetriebe aufnehmen zu können“, sagt Anna Schmieg von der OBEG GmbH, die seit 30 Jahren in der Region Biogetreide erfasst und verarbeitet. Bei anderen Bioprodukten sieht es dagegen schwieriger aus: „Der Markt für Bioschweine ist nahe der Sättigung und die Preise passen nicht“, so Herbert Klein von der UEG Hohenlohe-Franken.


Hat der Regionalmarkt Luft?


Doch welche Perspektiven hat das Gros der Betriebe in der Gunstregion? „Uns bleibt nur, den Markt für unsere Produkte intensiver zu bearbeiten und auszuweiten“, bringt Herbert Klein von der UEG Hohenlohe-Franken die aktuelle Diskussion auf den Punkt.


Dazu müsse z.B. das Qualitätszeichen Baden-Württemberg (QZBW) neu belebt und für Tierwohl- und Regionalfleischprogramme langfristig gesicherte Festpreise mit deutlich höheren Zuschlägen als bisher gezahlt werden. „Wir müssen weg von den Notierungen!“ fordert der Viehvermarkter.


Auch Vion sieht die laufenden Regionalfleischprogramme, etwa von Edeka oder Kaufland, als echte Perspektive für die Veredler, aber auch für den eigenen Schlachthof in Crailsheim an.


Mehr Wertschöpfungstiefe


Beim Lebensmitteleinzelhandel und der Direktvermarktung dürfe man mit der Regionalvermarktung aber nicht stehen bleiben, so der Tenor in der Branche. Vielmehr gelte es jetzt, die Gastronomie, den Fleischhandel und Großküchen ins Visier zu nehmen. Um dieses Thema soll sich auch die neue „Bio-Musterregion Hohenlohe“ in erster Linie kümmern: „Wir wollen mehr regionale Bioprodukte in Kantinen, Schulen und Kitas unterbringen“, sagt Projektleiterin Franziska Frey. Praktiker seien hier bereits mit im Boot.


„Wir müssen es schaffen, in lukrativeren Märkten eine Nachfrage für unser regionales Fleisch zu schaffen und vor allem die unedlen Teile in Wert zu setzen. Nur so können wir uns gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland behaupten“, sagt Thomas Palm. In mehr Wertschöpfungstiefe sieht auch Rudolf Bühler von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) neue Chancen: „Wir wachsen zwar noch jährlich um 5 bis 10%, aber die großen Wachstumssprünge sind vorbei. Jetzt fokussieren wir uns auf die Verarbeitung des ganzen Tieres „from nose to tail“. Das ist die große Herausforderung der Zukunft.“ Beispiele dafür seien z.B. Salami aus Hohenlohe oder eine neue Fruchtmolke aus Heumilch der Dorfkäserei Geifertshofen.


Hilft eine Marke Hohenlohe?


Derzeit bereiten verschiedene Organisationen – unter anderem die BESH – eine Dachmarke „Original Hohenlohe“ vor. Ziel sei laut Bühler damit sicherzustellen, dass in Hohenloher Produkten „auch Hohenlohe drin ist.“


Das Projekt ist allerdings umstritten. „Eine solche Wort-Bild-Marke macht nur Sinn, wenn sie von einer breiten Trägerschaft unterstützt wird und niemanden in der Region ausschließt“, sagt Bleher. Auch die Verarbeiter sind kritisch: „Für uns bedeutet Regionalität in erster Linie kurze Wege. Ein zu eng gefasster Regionalbegriff hilft uns in der Vermarktung nicht weiter, da wir rund um unseren Standort, und das heißt auch über Hohenlohe hinaus, Biogetreide erfassen. Zudem wäre der Aufwand für die Trennung der Getreideströme zu hoch“, sagt Anna Schmieg, Geschäftsführerin der OBEG GmbH in Schrozberg. Die regionalen Molkereien und Schlachthöfe sehen das ähnlich, schließlich sind sie zur Rohstoffsicherung schon seit Jahren gezwungen, ihr Einzugsgebiet stetig zu erweitern.


Wie geht es weiter?


Aktuell ist in der Region viel in Bewegung. Die Motivation der Akteure ist mindestens ebenso hoch wie der Handlungsdruck. Allen ist klar, dass Erfolge am Markt Zeit brauchen. Das zeigt nicht zuletzt das 30-jährige Engagement der BESH in der Regionalvermarktung. Viel stärker wiegen die Sorgen um das laufende Volksbegehren in Baden-Württemberg. Dr. Eißen: „Der Gesetzentwurf des Volksbegehren konterkariert all unsere Anstrengungen, die regionale Nahrungsmittelproduktion im Markt nach vorne zu bringen.“ “


silvia.lehnert@topagrar.com


Lesen Sie ab Seite 14, wie Hohenloher Betriebe ihre Zukunftschancen sehen.▶

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