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Energie: Gewinn für Bauern und Gemeinde

Lesezeit: 8 Minuten

In Fuchstal (Landkreis Landsberg/Lech) betreiben Landwirte eine Biogasanlage und eine Hackschnitzelheizung. Sie verkaufen Wärme an die Gemeinde, diese übernimmt die Verteilung. Ein starkes Modell für Post-EEG-Anlagen.


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Erwin Karg ist kein Freund von langen Debatten und groß angelegten Konzepten. „Klein anfangen und erfolgreich wachsen“, ist das Motto des umtriebigen Bürgermeisters der Gemeinde Fuchstal (Landkreis Landsberg/Lech). Das betrifft auch die Energieversorgung: „Wenn Wissenschaftler in einer Studie zwei Jahre lang ein Zukunftskonzept erstellen, dessen Umsetzung eine Kommune dann 20 Mio. € kostet, packt das niemand an“, sagt er.


Wie es auch anders geht, zeigt die erfolgreiche Energiewende seiner Gemeinde. Der Zufall brachte hier zwei Partner zusammen: Auf der einen Seite die Gemeindeverwaltung, die für die Mittelschule im Ort Leeder im Jahr 2008 einen Ersatz für die alte Ölheizung suchte. Und auf der anderen Seite die Landwirte Werner Ruf und Roland Gröber, die seit 2005 gemeinsam Biogas erzeugen und damals händeringend nach einem Abnehmer für die Wärme suchten. „Wir wollten ursprünglich Wärme an einen Pellethersteller liefern und hatten einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen“, blickt Ruf zurück.


Doch nach drei Jahren nahm der Produzent immer noch nichts ab. „Darum haben wir beim Bürgermeister vorgesprochen und ihm das Angebot zur Wärmelieferung gemacht“, erklärt er.


Das war der Grundstein für eine Partnerschaft, die bis heute mit viel Vertrauen auf beiden Seiten standhält.


Partner auf Augenhöhe


Vertrauen war auch schon im Jahr 2008 nötig: Ein Kostenvoranschlag zum Bau eines Wärmenetzes von der Anlage der Biogas Gröber-Ruf GmbH & Co. KG zur Mittelschule einschließlich Wärmeübergabe usw. ergab eine Investitionssumme von 300000 €. „Das ist viel Geld für eine Gemeinde, zumal es keine Erfahrungswerte zur Wärmelieferung gab“, sagt Karg.


Die guten Erfahrungen einer weiteren Biogasanlage mit der Wärmelieferung an ein Seniorenheim überzeugte die Gemeinde, die daraufhin die Investition stemmte. Und die Landwirte sagten im Gegenzug zu, die Wärme zu dem vereinbarten Preis zu liefern.


Wärmenetz wächst


Der Mut zahlte sich aus: Schon nach einem Jahr stellten die Anlagenbetreiber fest, dass sie nur die Hälfte der kalkulierten Wärmemenge benötigen. Darum kamen weitere Wärmeabnehmer dazu wie Kindergarten, Sportlerheim, Neubaugebiete und eine weitere Schule.


Parallel dazu bauten die Landwirte auch die Biogasanlage aus. „Wir können jetzt 600 kW Wärme dauerhaft liefern“, sagt Ruf. „Das beobachten wir überall: Viele Biogasanlagenbetreiber nutzen die Wärme erst in Trocknungsanlagen, dann kommt das erste kleine Wärmenetz, das dann stetig wächst“, erklärt Winfried Magg, der als Techniker und Rohrleitungsbauer bei diesem Projekt mitwirkt. Zur Absicherung der Wärmelieferung wurden vier Flüssiggasthermen mit je 100 KW Wärmeleistung installiert. Sie sollen durch die größere Heiz- und Verteilnetzzentrale abgelöst werden. „Für eine Übergangslösung war dies am einfachsten und schnellsten zu realisieren und mit den vergleichbar geringsten Investitionskosten verbunden“, sagt Magg.


Klare Schnittstellen


Das Konzept hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Aus Sicht der Beteiligten haben sich die klaren Schnittstellen bewährt:


  • Die Landwirte Gröber und Ruf erzeugen in ihrer Biogasanlage Strom und Wärme. Während sie den Strom ins Netz einspeisen und die gesetzlich festgelegte Stromvergütung erhalten, verkaufen sie die Wärme zu einem festen Preis an die Gemeinde. Abgerechnet wird am Wärmemengenzähler am Ende der Nahwärmeleitung. Damit tragen die Landwirte die Verluste bis zum Übergabepunkt, dahinter übernimmt diese die Gemeinde. Gleichzeitig erhalten sie für die abgegebene Wärme nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2004) den Bonus für die Kraft-Wärme-Kopplung in Höhe von umgerechnet 2 ct/kWh (elektrisch).
  • Die Biogaserzeuger bauen selbst keine Rohstoffe an, sondern konzentrieren sich vollständig auf den Betrieb der Anlage. Die Rohstoffe liefern 35 feste Lieferanten. „Wir haben sogar eine Warteliste, weil es sehr beliebt ist, überschüssige Biomasse wie Gras oder Zwischenfrüchte anzuliefern“, sagt Gröber. Der Substratmix besteht überwiegend aus Gras, Mais und Pferdemist. Demnächst soll auch die Durchwachsene Silphie dazukommen, mit der die ersten Flächen bestellt sind.
  • Die Gemeinde hat das Nahwärmenetz auf eigene Kosten gebaut und übernimmt die Verteilung und die Abrechnung der Wärme. „Wir verkaufen die Wärme an die Kunden mit einem Aufschlag, mit dem wir die Infrastruktur finanzieren“, erläutert Karg.


Für die Landwirte hat sich die Kooperation mit der Gemeinde als hilfreich erwiesen: Die Bürger schenken der örtlichen Kommune mehr Vertrauen als zwei Privatpersonen. Außerdem ist die Verwaltung erfahren in der Energieversorgung. Und schließlich kann die Gemeinde z.B. mit Auflagen wie einem Anschlusszwang an das Nahwärmenetz in Neubaugebieten dafür sorgen, dass die Belegungsdichte des Netzes steigt. „Das hätten wir als Privatperson niemals durchsetzen können“, ist Ruf überzeugt.


Neuer Hackschnitzelkessel


Aufgrund der guten Zusammenarbeit haben die Landwirte im Jahr 2020 auf dem Standort der Biogasanlage massiv investiert. Wichtigste Erweiterung ist eine Halle für einen Hackschnitzelkessel mit 900 kW, einem Pufferspeicher, Hackschnitzellager sowie Trocknungsboxen. Darin sollen im Sommer die Hackschnitzel getrocknet werden, um die Wärme auch in der warmen Jahreszeit sinnvoll nutzen zu können. Das Holz soll aus dem 140 ha großen Gemeindewald stammen. „Die Holzheizung ist unsere Absicherung für kalte Tage im Winter“, sagt Ruf. Zudem ist die Biogasanlage jetzt 15 Jahre alt, womit die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen steigt. Der Heizkessel ist damit auch eine weitere Absicherung.


Die Trocknungsboxen sind mit befahrbaren Schlitzblechen ausgelegt, bei denen warme Luft von unten durch das Trocknungsgut strömt. Sie sind so konzipiert, dass die Landwirte neben Holz auch Getreide, Körnermais oder Heu trocknen können.


Die Gemeinde dagegen hat das vorhandene Wärmenetz verstärkt, um mehr Kunden anschließen zu können. „Wir hatten auch überlegt, ob wir die Hackschnitzelheizung selbst bauen sollen. Aber wir hätten das Gelände, die Halle und Personal stellen müssen. Daher ist die Arbeitsteilung, wie wir es jetzt machen, günstiger“, sagt Karg. Zudem ist es von der Einbindung des Kessels in das vorhandene Wärmenetz optimal, wenn alle Wärmequellen an einem Ort konzentriert sind.


Pufferspeicher installiert


Die Wärmeversorgung ist damit jetzt umgestaltet: Die Abwärme aus den Biogas-Blockheizkraftwerken gelangt zunächst in einen 30 m³ großen Wärmepufferspeicher. Wenn die darin integrierte Steuerung über Temperaturfühler signalisiert, dass die Wärme im Pufferspeicher nicht ausreicht, wird der Hackschnitzelkessel aktiviert, der auch das Wasser im Speicher erwärmt. Von diesem aus wird die Wärme über das Nahwärmenetz verteilt.


Aktuell sind 140 Abnehmer angeschlossen, es könnten nach dem neuen Konzept mit dem Wärmetopf (siehe Zusatzinfo „Energiezukunft“) bis zu 400 werden. Die Netzverstärkung mit einem neuen Doppelrohr dient dazu, im Winter möglichst viel Wärme zu den Häusern zu transportieren. Im Sommer dagegen könnte die alte, kleinere Leitung genutzt werden. Das würde die Wärmeverluste reduzieren.


Noch ist die Wärmeversorgung mit dem neuen Hackschnitzelkessel im Vergleich zu fossilen Brennstoffen relativ teuer. „Es ist immer noch schwer, einige Kunden von der Fernwärme zu überzeugen. Viele haben nur den günstigen Ölpreis vor Augen“, sagt Magg. Aber gerade im Neubau sei die Fernwärme unschlagbar günstig, vor allem im Vergleich zu einer eigenen Holzheizung im Haus. „Zudem wird ab Januar 2021 die CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe dafür sorgen, dass langsam ein Umdenken stattfindet“, erwartet der Experte. Als Alternative gilt im Neubau eine Luftwärmepumpe. Doch die ist gerade in Wohngebieten wegen der Lautstärke nicht unproblematisch.


Wie die Gemeinde profitiert


Das Konzept mit dem heute fast 5 km langen Nahwärmenetz hat sich auch für Fuchstal ausgezahlt: Die 300000 €, die die Gemeinde 2008 in das erste Nahwärmenetz investiert hatte, hat sie in den vergangenen Jahren wieder eingespart, weil sie kein Öl kaufen musste. Denn allein die Mittelschule verbrauchte im Jahr rund 30000 l. Zwar kauft die Gemeinde die Wärme jetzt bei der Gröber-Ruf-GmbH ein, veräußert diese aber mit einem Aufschlag.


Als Erwin Karg im Jahr 2002 Bürgermeister wurde, hatte die Gemeinde rund 2,5 Mio. € Schulden und keine Rücklagen. „Wir haben das erste Geld mit erneuerbaren Energien über kleine Dachflächen-Solaranlagen eingenommen. Im Jahr 2010 kam dann die erste größere Freiflächenanlage dazu“, schildert er die Entwicklung.


Heute haben die Bürger der Gemeinde jährlich eine Wertschöpfung von rund 4 Mio. € allein durch die Einnahmen bei der Stromvergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Damit kompensiert die Gemeinde Fuchstal die Corona-bedingten Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen durch eigene Einnahmen in Höhe von ca. 600000 €. Außerdem gibt es neue Arbeitsplätze und Firmen, die mit dem Bau und Service der Anlagen vor Ort dauerhaft Geld verdienen und Steuern zahlen.


Für die Gemeinde ist die Biogasanlage wichtig: „Jedes Jahr geben bei uns Landwirte ihren Betrieb auf. Aber die Flächen müssen weiter bewirtschaftet werden. Darum wollen wir, dass die Biogasanlage für eine regionale Wertschöpfung möglichst lange läuft und den Landwirten Perspektiven bietet“, sagt der Bürgermeister.


hinrich.neumann@topagrar.com

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