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Gesextes Sperma für den Süden

Lesezeit: 7 Minuten

Die RBW hat ein eigenes Labor zum geschlechtsspezifischen Sortieren von Sperma aufgebaut. Was sind die Gründe dafür und welche Vorteile bietet das den Braunvieh- und Fleckvieh-Züchtern?


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Bei Braunvieh hat gesextes Sperma ein Potenzial von 20% der Erstbesamungen“, sagt Dr. Alfred Weidele, Geschäftsführer der Rinderunion Baden-Württemberg (RBW). Mit Blick auf die aktuellen Einsatzzahlen von 5% bei Braunvieh und 0,3% bei Fleckvieh scheint das mutig. Doch die RBW hat in ein eigenes Labor zur Spermatrennung in Bad Waldsee investiert. Hier lässt das RBW-Tochterunternehmen RBW-Genetik seit August das Sperma der eigenen Bullen trennen und bietet den Service auch im Lohn an.


Das Labor in Bad Waldsee hat eine Kapazität von 200000 Portionen gesexten Spermas pro Jahr. Ab Oktober sollen elf Mitarbeiter in drei Schichten rund um die Uhr Sperma trennen.


Ein unabhängiges Labor


„Ein wichtiger Grund für uns war: Wir wollten ein unabhängiges Labor in bäuerlicher Hand“, so Weidele. Bisher hat die RBW, wie die meisten deutschen Unternehmen, das Bullensperma in Cloppenburg (Niedersachsen) vom US-Unternehmen Sexing Technologies (ST) trennen lassen.


Jetzt arbeitet die RBW mit der Firma IntelliGen zusammen, eine Tochter vom Zuchtunternehmen ABS Global. Das Labor und die Geräte gehören der RBW. Damit ist es das einzige Sexing-Labor in Europa, das einer bäuerlichen Züchtervereinigung gehört. Der Verband hat nur einen Service-Vertrag mit ABS abgeschlossen.


Für das geschlechtsspezifische Sortieren werden die Spermien mit einer Farblösung behandelt. Weil das X-Chromosom 3,6% mehr Masse als das Y-Chromosom enthält, nehmen die weiblichen Spermien mehr Farbe auf. So lassen sich die Spermien unterscheiden.


Die Verfahren von ST und ABS unterscheiden sich in den Details. So werden bei ST die männlichen Zellen „aussortiert“, während ABS diese lediglich deaktiviert und befruchtungsunfähig macht. Ob sich die Verfahren aber ausreichend unterscheiden, darüber streiten die US-Unternehmen seit Jahren vor Gericht. ST hatte durch entsprechende Patente eine umstrittene Monopol-Stellung bei der Spermatrennung, bis ABS 2017 mit einer eigenen Technologie auf den Markt kam.


Das unabhängige Labor hat für Weidele einen weiteren Vorteil: „Wir können jetzt selbst entscheiden, wann wir welche Bullen sexen lassen. Die Auswahl wird steigen.“ Während vor einem halben Jahr nur 10 bis 15% der Holstein- und Braunvieh-Vererber der RBW gesext verfügbar waren, seien es heute bereits über 50%. „Unser Ziel ist, langfristig alle Vererber der Milchrassen auch gesext anbieten zu können“, so Weidele. Beim Fleckvieh werde man aufgrund der Nachfrage weiterhin nur rund 15% der Vererber anbieten.


wann lohnt sich der Einsatz?


Tatsächlich scheint gesextes Fleckvieh-Sperma bisher kaum gefragt zu sein. Während bei der Rasse Holstein 2019 bundesweit im Schnitt 6% gesextes Sperma eingesetzt wurden, liegen Braunvieh und Fleckvieh mit jeweils 3,4% und 0,3% deutlich darunter.


Vertreter der süddeutschen Organisationen sehen eine Ursache für die vergleichsweise geringen Einsatzzahlen im Preis. „Normale Portionen kosten bei uns 6 bis 16 €. Der Preis für gesextes Sperma liegt bei etwa 36 €, sodass die Relation extrem ist“, sagt beispielsweise Helmut Goßner, Geschäftsführer der Besamungsstation Greifenberg. Im Gegensatz dazu seien die Preise bei den Holsteinverbänden auch für konventionelles Sperma höher und die Differenz daher nicht so groß.


„Der Aufpreis für eine weibliche Nachzucht könnte sich aber mit Blick auf die geringe Wirtschaftlichkeit von Braunvieh-Stierkälbern lohnen“, sagt Goßner. Denn die Nutzkälber sind für die Mast wenig gefragt. Sie erlösen aktuell im Schnitt 2,40 €/kg, während Fleckvieh 5 €/kg und Kreuzungskälber bis zu 4,5 €/kg bringen. Dazu kommt die gesellschaftliche Diskussion über billige Bullenkälber.


Anders sieht es bei der Doppelnutzungsrasse Fleckvieh aus. Egal ob männlich oder weiblich: die Kälber lassen sich wirtschaftlich vermarkten bzw. für die Remontierung nutzen. Bei den meisten Stationen hat der Anteil weiblich gesexter Besamungen in Fleckvieh-Herden daher nur eine marginale Bedeutung. Das seien einzelne Züchter, die in Ausnahmefällen eine weibliche Nachzucht aus einer bestimmten Anpaarung haben wollen, berichten übereinstimmend Axel Escher, Geschäftsführer CRV Deutschland, und Dr. Johannes Aumann, Geschäftsführer BVN. Auch Martin Zirnbauer-Heymann, Geschäftsführer Bayern-Genetik, betont: „Die Doppelnutzung ist ein wichtiger Vorteil der Rasse. Wir erwarten daher nicht, dass der Einsatz von gesextem Fleckviehsperma steigen wird.“


Einfluss der Dünge-VO


Bernhard Luntz von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gibt allerdings zu bedenken: „Die politischen Rahmenbedingungen könnten den Einsatz von gesextem Sperma zukünftig lukrativ machen – auch beim Fleckvieh!“ So würden die Auflagen der Dünge-VO und steigende Pachtpreise einige Betriebe bereits in ihren Tierzahlen begrenzen. Wenn Betriebe abstocken müssen, sei es sinnvoll, gezielt die Qualität der Nachzucht zu verbessern.


Auf der anderen Seite könnte laut Goßner die politische und gesellschaftliche Diskussion über Langstreckentransporte von Zuchtrindern einen Einfluss haben: „Wenn der Export schwieriger wird und die Preise sinken, dann wird Jungvieh reduziert und könnte weibliches Sperma weniger attraktiv machen.“


Weidele sieht mit dem Einsatz von gesextem Sperma auch eine Chance für Braunvieh. Schließlich stehe die Rasse vor großen Herausforderungen (siehe top agrar Südplus 1/2019): Kuhzahlen und Erstbesamungen sinken. Züchter bemängeln die Zuchtausrichtung und fehlende Topgenetik. „Mit gesextem Sperma lassen sich züchterische Vorteile schneller in die eigene Herde bringen“, meint Weidele. Darüber hinaus sorge gesextes Sperma bei Färsen für leichte Kalbungen und biete so Vorteile für Kuh und Kalb.


Männlich gesext?


Natürlich lässt sich nicht nur weibliches, sondern auch männliches Sperma produzieren. In Cloppenburg hat das aber nur einen Anteil von 5% der gesexten Portionen.


Trotzdem weisen einige Vertreter auf die Vorteile hin, so auch Escher: „Männliches Sperma von Vererbern der Rasse Fleckvieh-Fleisch nutzen Holstein- und Kreuzungszucht-Betriebe, um wertvolle Mastkälber zu produzieren.“ Auch männliches Sperma von Fleischrassen würden einige Landwirte einsetzen.


Die RBW bietet männliches Sperma noch nicht an. Die Programmierung der Maschinen im Labor erfordere viel Zeit und Geld, um die nötigen Qualitäten garantieren zu können. „Uns ist aber bewusst, dass unsere Kunden das haben wollen. Deshalb werden wir männliche Spermaportionen sobald wie möglich anbieten“, verspricht Weidele.


Wer macht mit?


Um das Labor voll auslasten zu können, bietet die RBW das Sexing auch im Lohn an. Dazu sei man bereits im Gespräch mit allen süddeutschen sowie österreichischen Organisationen.


Für einige Organisationen dürfte das süddeutsche Labor räumliche Vorteile bieten. So lassen die österreichischen Organisationen, wie Genostar oder die Oberösterreichische Besamungsstation, das Sperma in Italien sexen. Sie wollen jetzt die Abläufe und den Transport nach Baden-Württemberg prüfen.


Entscheidend für die Organisationen ist auch, wie sich die Qualität des Spermas aus Bad Waldsee bewährt. Aumann erklärt: „Wir wollen zukünftig sowohl bei der RBW als auch in Cloppenburg sexen lassen.“ Denn mit der Qualität und dem Service in Cloppenburg sei man zufrieden. Zudem vermarktet der BVN auch männlich gesextes Sperma, das noch nicht in Bad Waldsee verfügbar ist. Escher ergänzt: „Ein zusätzliches Labor kann bei hoher Nachfrage einen Vorteil bieten. Wir werden je nach Termin entscheiden, wo die sinnvollste Variante ist.“


Einen Vorteil für kleine Rassen sieht Goßner: „Transport und Kosten für das Sexen in Cloppenburg rechnen sich für uns erst ab 450 Portionen. Aber von Rassen wie Pinzgauer oder Murna-Werdenfelser benötigen wir nur rund 100 Dosen.“ Das Sperma dieser Vererber will Goßner daher neben weiteren Rassen in Bad Waldsee sortieren lassen.


Qualität und Preis


Die Ansprüche der Organisationen hat Weidele im Blick: „Wir garantieren mindestens 87% weibliche Spermien je Portion, liegen aktuell aber über 90%.“ Zur Trächtigkeitsrate führt RBW aktuell eigene Versuche durch. Erfahrungen aus den USA und Großbritannien zeigten aber sehr gute Ergebnisse. Ziel sei, bessere Befruchtungsergebnisse als das Standardprodukt von ST zu erreichen. Das verspricht 60% Trächtigkeiten.


Die Preise für gesextes Sperma werden flächendeckend wohl nicht sinken. Die Kosten für die Spermatrennung liegen bei rund 20 €. Jede Effizienzsteigerung gebe man aber an die eigenen Mitglieder weiter, verspricht Weidele. Und langfristig könnte das Angebot aus dem Süden den Wettbewerb ankurbeln.


anke.reimink@topagrar.com

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