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topplus Aus dem Heft

Hacken mit 12 km/h

Lesezeit: 6 Minuten

Seit der Umstellung auf Ökolandbau gehört die mechanische Unkrautbekämpfung für Johannes Wirsching zum Alltag. Damit die Flächenleistung stimmt, hat er eine Hacke mit Kamerasystem und Verschieberahmen angeschafft – ein Erfahrungsbericht.


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Mit 50 Kühen bist du in unserer Gegend einfach zu klein. Aber einfach nur größer werden, bringt es halt auch nicht – vor allem wenn man so wie wir mehrere Biogasanlagen in unmittelbarer Nähe hat“, beschreibt Johannes Wirsching, der den Biohof Wirsching im mittelfränkischen Ohrenbach gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet, die Ausgangssituation vor etwas mehr als vier Jahren. „Darum fassten wir damals den Entschluss, den kompletten Hof nach Bioland-Richtlinien zu bewirtschaften.“


Seither tat sich neben den Veränderungen im ausgesiedelten Kuhstall auch einiges auf dem Acker. Eine zentrale Neuerung: Die Unkrautbekämpfung erfolgt jetzt mechanisch per Striegel und Hacke. Auf etwa 50 der insgesamt 130 ha Nutzfläche des Betriebes stehen jedes Jahr Mais, Zuckerrüben und Soja. Alle drei Hackfrüchte lässt Wirsching vom Lohnunternehmer mit 50 cm Reihenabstand säen. „Das ist zwar vor allem beim Soja eine Kompromisslösung, aber immer noch besser als die Hacke für jede Frucht umschrauben zu müssen“, ist er sich sicher.


Flächenleistung entscheidend


Angefangen haben Vater und Sohn mit einem alten Geräteträger und einer Hacke im Zwischenachsanbau. Das habe an sich gut funktioniert, war aber in der Leistung begrenzt: „Nach 10 ha war man da spätestens am Ende, da lässt die Konzentration einfach nach“, erinnert sich Johannes Wirsching. Effizienz im Sinne von Flächenleistung ist für ihn allerdings ein entscheidender Faktor: „Mein Vater und ich kümmern uns mit zwei Azubis um 100 Kühe, deren Nachzucht und 130 ha Nutzfläche. Zeit ist da immer Mangelware.“


Durch einen Kontakt aus Studienzeiten kam der Junglandwirt auf die Hacktechnik des britischen Herstellers Garford, dessen Produkte in Süddeutschland von Zürn Harvesting vertrieben werden. Im vergangenen Jahr hat er dann eine Garford Hacke mit Robocrop-Kamerasystem und Verschieberahmen erst getestet und später gekauft. „Die Technik ist zwar nicht günstig, aber die Leistung überzeugt“, meint Wirsching. Denn mit der neuen Hacke schafft er an guten Tagen über 30 ha. „Und danach steige ich entspannt vom Traktor“, fügt er an. „Am schnellsten bin ich bisher im Mais gefahren, etwa 12 km/h. Das ist auf Dauer aber anstrengend. 10 km/h sind allerdings gut durchzuhalten“, beschreibt Wirsching nicht ohne ein Grinsen die Arbeit mit der neuen Hacke.


In der klimatisierten Kabine seines 130 PS starken Lamborghini mit stufenlosem Getriebe kann sich Wirsching voll darauf konzentrieren, den Traktor in der Spur zu halten, während sich das Robocrop-System zuverlässig darum kümmert, dass die drei Schare pro Hackaggregat nur Beikräuter und nicht die Hauptfrucht durchschneiden. Um zur Kontrolle nicht nach hinten schauen zu müssen, hat Wirsching eine weitere Kamera direkt auf einem der Scharträger montiert, die ihr Signal an einen auf dem Armaturenbrett montierten Bildschirm schickt. „So habe ich immer alles im Blick.“


Kamera blickt auf drei Reihen


Das Herzstück der automatischen Reihenführung ist die Kamera, die auf der rechten Seite des Rahmens in etwa 1,5 m Höhe montiert ist. Sie blickt auf eine etwa 1,5 m² große Fläche direkt vor den Hackwerkzeugen, was in Wirschings Fall drei Reihen Mais, Rüben oder Soja entspricht. Dabei unterscheidet die Kamera Feldfrucht und Boden anhand der Farben Grün und Braun. Lässt sich der Boden zwischen den Reihen wegen starker Verunkrautung kaum mehr erkennen, kann die Kamera Feldfrucht und Unkraut alternativ auch anhand der in der Regel unterschiedlichen Grüntöne unterscheiden. Aus den drei Reihen errechnet das System präzise eine Mittelreihe, an der sich der Verschieberahmen im Heck orientiert.


Schattenwurf und starkes Sonnenlicht haben auf die Pflanzenerkennung laut Hersteller nur einen minimalen Einfluss. Johannes Wirsching relativiert: „Mit der direkten Sonne um die Mittagszeit hat die Kamera tatsächlich keine Probleme – außer wenn der Boden stark reflektiert und für die Kamera mehr weiß als braun wirkt. Etwas schwieriger wird es manchmal am späten Nachmittag, wenn die Sonne tief steht und die Schatten sehr lange werden. Dann sollte man tatsächlich etwas langsamer fahren.“


Laut Garford sollten die Einzelpflanzen etwa den Durchmesser einer 2-€-Münze haben, damit die Pflanzenreihe zuverlässig erkannt wird. „Sobald wir mit dem bloßen Auge eine Pflanzen erkennen können, arbeitet auch die Kamera zuverlässig“, bestätigt Wirsching die hohe Präzision des Kamerasystems.


Gleichmäßige Saat wichtig


Den in Zusammenhang mit der mechanischen Unkrautregulierung oft zitierten Satz, dass der Erfolg der Maßnahme schon bei der Saat beginne, bestätigt er ebenfalls: „Wir lassen die komplette Aussaat schon seit einigen Jahren von einem Lohnunternehmer erledigen. Dabei ist es von Vorteil, wenn alle Flächen mit derselben Maschine gesät werden.“


Nach Erfahrung der Wirschings interpretieren nämlich einige der Hersteller die angegebenen 50 cm Reihenabstand mitunter relativ frei: „47 cm haben wir schon genauso gemessen wie 53 cm. Für die optimale Hackeneinstellung muss der Abstand aber immer gleich sein. Andernfalls müssten wir die Hackaggregate einzeln auf dem Rahmen versetzen.“


Das Arbeitsbild, das die Garford-Hacke bei unserem Praxiseinsatz hinterließ, überzeugte uns ebenso wie ihren Besitzer. Vor allem mit den Distelfeldern auf den Sojaflächen machte sie im wahrsten Sinne des Wortes kurzen Prozess, schnitt die ungeliebten Pflanzen ganzflächig ab und legte sie obenauf.


Etwas mehr zu kämpfen hatte sie mit dem Ausfallroggen, den die GPS-Ernte im Maisfeld hinterließ. Einzelne Pflanzen schafften es immer wieder, an den Scharen vorbeizuschlüpfen. Nach unserer Einschätzung liegt der Hauptgrund dafür aber darin, dass die Schare nach mittlerweile über 300 ha einiges an Schärfe eingebüßt und eine Behandlung mit der Flex nötig hatten. „Das habe ich bisher vor mir hergeschoben“, gab Wirsching zu.


Ohnehin steht nach der Saison noch Feintuning an der Hacke an: Die Anordnung der einzelnen Schare findet Wirsching noch nicht optimal. „Aktuell kommt es vor, dass der Erdstrom des hinteren L-Schars das vom vorderen L-Schar und dem A-Schar noch oben beförderte Unkraut wieder verschüttet und dass das Unkraut dann wieder weiterwächst. Deshalb werden wir künftig erst die beiden L-Schare und dann das A-Schar laufen lassen. Zudem müssen sie in Längsrichtung noch etwas weiter auseinander, damit der Durchgang für Pflanzenreste stimmt.“ Dank des modularen Aufbaus und der einfachen Befestigung der Werkzeuge mit nur einer Schraube, dürften diese Umbauten aber keine Herausforderung darstellen.


Passende Förderung


Für die 6 m breite Hacke, den hydraulischen Verschieberahmen, das Terminal und die Kamera gibt Zürn einen Verkaufspreis von etwas unter 50000 € an – kein Schnäppchen also. Das Bundesland Bayern unterstützt allerdings Investitionen in derartige Technik über das „Bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft Digital“ (BaySL Digital) mit einem Zuschuss in Höhe von 40%. „Die Kameratechnik macht etwa die Hälfte des Gesamtpreises aus. Dass der Staat davon wiederum fast die Hälfte übernimmt, hat die Entscheidung für den Kauf der neuen Hacke um einiges leichter gemacht“, erklärt Junglandwirt Wirsching. Denn die betriebswirtschaftliche Auslastungsschwelle erreicht er mit insgesamt etwa 200 ha bearbeiteter Fläche pro Jahr noch nicht.


andreas.holzhammer


@topagrar.com

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