Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Heuhunger – Alternativen im Pferdestall

Lesezeit: 8 Minuten

Pferdeheu ist knapp. Maissilage und Stroh können so manchen Pensionspferdebetrieb retten. Wenn die Ration stimmt und die Einsteller mitmachen.


Das Wichtigste zum Thema Süd extra freitags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Günther Koller aus der Oberpfalz hat diesen Sommer 30% weniger Heu geerntet. Und er ist nicht der einzige. „Zum Teil fehlen zwei von drei Schnitten“, weiß Koller von Berufskollegen. Wenn der Pferdewirtschaftsmeister und Landwirt so weiterfüttert wie bisher, sind seine 85 eigenen und die 40 Einstellerpferde ab Weihnachten auf Diät.


Koller reagiert. Er füttert eine Kombination aus Maissilage, Stroh und weniger Heu als Grundfutter an alle Pferde. Mutig, denn viele Pferdebesitzer sind Silageskeptiker: Durchfall, Kotwasser, Botulismus – in Internetforen ist Maissilage ein echter Pferdekiller. Zu Unrecht, wissen Koller und Tierarzt Dr. Rainer Heuschmann aus Marktredwitz in Oberfranken.


Füttert man Mais in der richtigen Ration, also mit einem Strukturträger, Eiweiß und Mineralstoffen, könne man sehr wohl den Heuvorrat drosseln, beruhigt der Tierarzt. Vor allem in der diesjährigen Situation sei Maissilage eine geeignete und oft auch notwendige Alternative, um die Pferde gut über den Winter zu bekommen. Es ist nicht nur der rasant gestiegene Preis, der Heu in diesem Jahr als alleiniges Grundfuttermittel ausscheiden lässt.


„Hier geht es nicht mehr ums Geld, spätestens zu Weihnachten wird der Verkauf zum Stillstand kommen“, prognostiziert Heuschmann. Weder regionale Verkäufer mit feuchteren Böden noch das Ausland haben noch Reserven. Vielen Pferdebesitzern sei der Ernst der Lage gar nicht bewusst. „Wer nicht auf Alternativen setzt, wird diesen Winter in der Klemme stecken“, sorgt sich der Tierarzt.


Das Auge isst mit:

Koller stellt seine Ration Anfang Oktober um. Innerhalb von zwei Wochen reduziert er die ad libitum Heugaben auf 2 kg pro Pferd und Tag und füttert mit Maissilage, Heulage und Stroh an. Weil die Pferde bei ihrem täglichen Weidegang nicht mehr viel Energie aufnehmen, füttert er dreimal am Tag Grundfutter und abends zusätzlich Kraft- und Mineralfutter. Morgens und mittags bekommen die Großpferde je 5 kg Maissilage und 5 kg Heulage.


Die Maissilage für die Offen- und Laufställe fahren Koller und seine Angestellten mit einem Siloentnahme- und -verteilgerät direkt auf den Futtertisch. Die Futterkrippen der Einzelboxen befüllen sie mit Schubkarre und Schaufel.


Für genügend Rohfaser sorgt hochwertiges Weizenstroh. Er schätzt, dass seine Pferde etwa 1,5 bis 2,5 kg Stroh pro Tag fressen. Er füttert aber nach Augenmaß: „Jedes Pferd bekommt so viel Stroh, dass es nach Bedarf knabbern kann“, erklärt er. Probleme mit Verstopfungskoliken gibt es bei ihm nicht: „Weil unsere Pferde nie Hunger haben, fressen sie das Stroh nicht im Übermaß“, erklärt er.


Bis Oktober hat Koller nur mit Stroh eingestreut. Das ist jetzt vorbei. Die Einstreu setzt sich nun aus Sägespänen und ein bisschen Stroh zusammen. So spart er seinen Rohfaserträger. Das Futterstroh legt er vorn an der Innenseite der Boxentüren ab, ohne es zu verteilen. Den restlichen Energiebedarf decken 2 kg Hafer pro Pferd am Abend, die der Pferdewirt nach der Heugabe füttert.


Mais unter Kontrolle:

In Kollers Stall füttern Fachkräfte gemeinsam mit Auszubildenden. Zwei Lehrlinge wiegen alle Futtermengen ab, zwei gelernte Pferdewirte beaufsichtigen das Ganze. Koller selbst kontrolliert Menge und Qualität des Futters, wirft täglich ein Auge auf jedes Pferd und hält Rücksprache mit den Reitlehrern. „Wenn man die Pferde nicht im Blick hat, bringt die beste Rationsplanung nichts“, weiß Koller.


Um die Ration perfekt auf die Pferde abzustimmen, setzt Koller auf Prophylaxe: Zweimal im Jahr ordnet er für zwei Pferde eine Blutuntersuchung an. Die gibt ihm Aufschluss über den Vitamin-, Mineral- und Spurenelementhaushalt des Pferdes. „Unser Mineralfutter ist extra auf unsere Ration angepasst, Mängel kommen in der Regel nicht vor, aber das Blut zeigt früh Tendenzen an“, erklärt er.


Günther Koller kennt sich mit Maissilage aus: „Im Jahr 2003 war Heu auch knapp, da habe ich schon Mais zugefüttert“, sagt er. Und ist damit gut gefahren. Schon drei seiner eigenen Pferde waren Bundeschampionat-Anwärter. Weil es Kollers Pferden so gut geht, haben auch seine Einsteller die Angst vor dem Mais verloren. In offenen Gesprächen steht er seinen Kunden Rede und Antwort zu Mais und Co.


„Genau richtig“, sagt Melanie Petz vom Fachzentrum für Pferdehaltung in Fürstenfeldbruck. Die Fütterungsberaterin ist in vielen Reitställen unterwegs. Sie kennt ihr Klientel und die aktuelle landwirtschaftliche Situation.


„Sie müssen den Einstellern ein Gefühl von Sicherheit vermitteln: Klare Linie aber nicht stur“, rät sie. Oft seien Pferde Kinder- oder Familienersatz. Die Pensionspferdehaltung ist eine Dienstleistung. Im Unterschied zur Fütterung im Kuhstall ist die Pferdefütterung nicht Mittel zum Zweck, sondern zentraler Punkt des Angebots. „Sie müssen wissen, wie Sie füttern und warum.“


Ration mit Struktur.

Jede Futterration muss neben dem Bedarf an Nährstoffen, Mengenelementen und Vitaminen auch zu dem Verdauungsapparat des Pferdes passen.


Dieser ist auf kleine, kontinuierliche Portionen mit viel Rohfaser eingestellt. Eine Pferdefutterration muss deswegen mindestens 1,5 kg/100 kg LM und Tag Grundfutter enthalten. Bei Pferden ist jedoch nicht nur der Rohfasergehalt, sondern auch die Strukturfähigkeit der Rohfaser entscheidend. Viel Struktur bedeutet viel Füllkraft. „Durch die lange Verweildauer im Körper frisst das Pferd strukturreiches Futter langsamer und ist länger satt“, erklärt Melanie Petz. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Futterpartikel, desto weniger Strukur ist enthalten. „Im Vergleich schlägt lang geschnittenes Heu das Häckselheu, Cobs folgen auf Platz 3 und Pellets sind am strukturärmsten“, erklärt Petz.


Der Bedarf entscheidet:

Pferdefuttermittel sind entweder Rohfaser,- Protein-, oder Stärketräger (vgl. Kasten).


Grundfuttermittel sind idealerweise immer rohfaserreich. Ein hoher Rohfasergehalt bedeutet in der Regel gleichzeitig weniger Energie. Kraftfuttermittel sind immer Energieträger. Die Energie kommt entweder aus Stärke oder Fett. „Ein Großpferd sollte aber nicht mehr als 0,3 kg je 100 kg LM Kraftfutter pro Mahlzeit fressen, da kommt der Stoffwechsel nicht mit“, mahnt Petz.


Die Futterration muss den Bedarf des Pferdes decken. Der ist abhängig von Größe, Gewicht und Leistung des Tieres. Die Bedarfszahlen für ein 600 kg schweres Pferd bei leichter Arbeit entnehmen Sie der Übersicht. Bedarfszahlen für weitere Pferde und andere Arbeitsintensitäten finden Sie z.B. im Internet in der Gruber Tabelle zur Pferdefütterung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).


Spiel mit dem Essen:

Bevor Sie Ihre eigene Ration zusammenstellen, machen Sie eine Bestandsaufnahme: Welche Futtermittel haben Sie in welchen Mengen vorrätig (s.Kasten)? Die Mais- und Grasernten waren regional sehr unterschiedlich. „Ziehen Sie Proben von Ihren eigenen Grundfuttermitteln und lassen Sie mindestens den Energie-, Eiweiß-, Stärke- und Rohfasergehalt untersuchen“, rät Melanie Petz.


Nach den Analysen können Sie mit den Futtermitteln vorsichtig „spielen“. „Ersetzen Sie kein Futtermittel vollständig durch ein anderes. Stattdessen reduzieren Sie allmählich die Heumenge und fahren gleichzeitig einen anderen Rohfaserträger hoch“, so Petz. Eiweiß- und Energie ergänzen Sie entsprechend, sodass die Inhaltsstoffe wieder dem Bedarf entsprechen (vgl. Übersicht). Sie können in die Tabelle die Analyseergebnisse Ihrer Futtermittel eintragen und daraus Ihre eigene Ration erstellen. Um ein Mineralfuttermittel kommt aber auch die beste Ration nicht herum. „In der Regel decken aber die meisten handelsüblichen Mineralfutter den Bedarf“, beruhigt Petz. Ganz wichtig sei außerdem die langsame Rationsumstellung. „Füttern Sie Ihre Pferde mindesten über zwei Wochen mit der neuen Ration schrittweise an“, rät die Fütterungsexpertin.


Verträgt ein Pferd die neue Ration nicht, merken Sie das schnell, sagt Tierarzt Dr. Heuschmann. „Achten Sie auf Durchfall, stumpfes Fell und das Verhalten“, rät er. Probleme mache aber in der Regel nicht die Verdauung des Maises, sondern der hohe Energiegehalt. „Die meisten Pferde sind zu dick, weil zu viel gefüttert wird“, weiß der Tierarzt und mahnt zur Rationskontrolle.


Koller hatte erst bei zwei Pferden Probleme mit Durchfall und stumpfem Fell. Im Folgejahr bot er beiden erneut Mais an. Dieses Mal ohne Probleme. „Der Stoffwechsel ist so komplex, die Ursache war nicht allein der Mais“, glaubt er heute.


Reiterpsychologie.

Alles rechnen und kontrollieren bringt nichts, wenn die Pferdebesitzer nicht mitspielen. „Sie müssen damit rechnen, dass einige Einsteller gehen wollen“, warnt Petz. In dem Fall rät sie zu Ruhe. „Nehmen Sie das nicht persönlich, viele Besitzer denken nicht rational“, weiß sie aus Erfahrung. Sie rät, den Einstellern die Situation klar zu kommunizieren. „Appellieren Sie an das Wohl des Pferdes: Sie lösen die Situation im Sinne des Pferdes mit der qualitativ besten Alternative“, rät sie.


Lassen Sie jegliche finanzielle Aspekte aus dem Spiel und tasten Sie sich langsam vor: Ein Probemonat könne Sinn machen, in welchem die Pferde langsam an die Ration angefüttert werden. Verträgt ein Pferd die Ration nicht, kann das Pferd wieder auf die ehemalige Ration umgestellt werden. Verträgt nur der Besitzer die Ration nicht, müsse entweder ein Aufpreis verlangt oder gekündigt werden. Petz warnt vor Ausnahmen: „Erlauben Sie im Probemonat niemandem ad libitum Heu, sonst wird der ganze Stall das wollen.“


Auch Koller kennt Kettenreaktionen: „Ausnahmen mache ich nur noch zum Wohl des Pferdes, nicht wegen der Besitzer“, sagt er.


Allen Schwierigkeiten zum Trotz: Das schlimmste, was sie tun können, ist abwarten. Sonst stehen Sie eines Tages vor der leeren Heuscheune und haben keine Zeit mehr zu reagieren. „Mit einer klaren Linie und einem Quäntchen Feingefühl schaffen Sie es mit Pferd und Reiter durch den Winter“, ist Petz überzeugt. Schließlich sind Sie der Experte!


Kontakt: hanne.honerlagen@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.