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Strohschweine aus Bad Boll

Lesezeit: 6 Minuten

Philipp Aichele hat einen konventionellen Sauenstall in einen Strohstall für Mastschweine umgebaut und vermarktet alle Tiere über ein eigenes Label an Metzger in der Region.


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Wir wollten uns vom allgemeinen Markt entkoppeln und eine sichere Vermarktung schaffen“, beschreibt Philipp Aichele (36) die Überlegungen, als er vor zwei Jahren in seiner Nachbarschaft eine Hofstelle mit einem etwa 35 Jahre alten Sauenstall kaufen konnte. Der Landwirt betreibt in Bad Boll am Fuß der Schwäbischen Alb mit seinem Bruder Friedrich (38) einen Schweine- und Rindermastbetrieb mit einer Biogasanlage und mit Obstbau.


Philipp Aichele wollte nicht in die Ferkelerzeugung einsteigen, sondern den Sauenstall umnutzen. Zunächst überlegte er, das Gebäude in einen Geflügelstall umzubauen. Er entschied sich dann aber für die Schweinemast mit besonders artgerechter Haltung.


Der Landwirt setzte sich deshalb mit den bestehenden Tierwohlprogrammen für Schweine, wie Hofglück von Edeka Südwest oder Wertschätze von Kaufland, auseinander. „Aber ich ließ das, weil mir die Programme nicht attraktiv genug erschienen und weil ich mich nicht zehn Jahre lang in Abhängigkeit von großen Lebensmittelketten begeben wollte“, sagt Aichele.


Metzger als Partner


Er richtete dann das Augenmerk auf die Metzger in der Region und fragte den Geschäftsführer des Metzgerschlachthofes in Göppingen, ob Interesse an Strohschweinen besteht. Dieser hatte die Idee, mit den Schweinen von Aichele die Marke „Bad Boller Strohschwein“ zu kreieren und versprach, 20 Schweine pro Woche abzunehmen. Bei Abschluss des Vertrages garantierte er sogar, alle Schlachttiere abzunehmen.


Dabei einigten sich der Landwirt und der Schlachthof auf diese Eckpunkte:


  • Die Haltung sollte sich an der Premiumstufe des baden-württembergischen FAKT-Programmes orientieren. Dieses sieht eine Fläche von mindestens 1,0 m2 im Stall und von 0,5 m2 im Auslauf vor.Die Liegefläche soll nicht perforiert und eingestreut sein.
  • Es dürfen nur weibliche Tiere und nach Möglichkeit Duroc-Kreuzungen gemästet werden.
  • Es dürfen nur Futtermittel ohne Gentechnik zum Einsatz kommen.
  • Für den Landwirt besteht eine Liefer- und für den Schlachthof eine Abnahmebedingung.
  • Preisbasis ist der Vereinigungspreis, wobei es eine Unter- und Obergrenze sowie einen pauschalen Zuschlag gibt. Der Zuschlag wird von den Erzeugungs- und Stallplatzkosten abgeleitet.
  • Es gibt weder Gewichtsgrenzen noch eine Klassifizierung nach Magerfleischprozenten, sodass der Preis pro kg Schlachtgewicht in der jeweiligen Woche für alle Tier gleich hoch ist.
  • Auch der Ferkelerzeuger, Familie Rösch aus Schalkstetten, erhält einen Zuschlag, der seine Kosten deckt.


Keine Arbeitsfalle


Nach den Erfahrungen mit dem Preistief im letzten Winter wollte Aichele ein Preismodell haben. dass er auch in Niedrigpreisphasen und ohne die Förderung durch FAKT, das jedes erzeugte Schlachtschwein mit 14 € honoriert, schwarze Zahlen schreibt.


Zudem plante er den Umbau so, dass er trotz Strohaufstallung nicht in eine Arbeitsfalle gerät. Unterstützung bei der Planung erhielt er von Dr. Ralf Over, dem Leiter des Landwirtschaftsamtes Göppingen.


Aichele richtete im bisherigen Sauenstall vier Vormast- und drei Endmastabteile ein, wobei jedes Endmastabteil in acht Buchten aufgeteilt ist. In der Vormast umfassen die Gruppen 46 bzw. 58 Tiere. In der Endmast teilt er die Gruppen, sodass dort dann 23er- oder 29er-Gruppen stehen.


Automatisch einstreuen


Die Buchten im Stall sind zweigeteilt (siehe Übersicht S.42). Der planbefestigte und 4,50 m breite Liegebereich befindet sich am mittigen Kontrollgang und hat ein Gefälle von 4% Richtung Außenwand. Ein Rohrkettenförderer streut die Liegeflächen täglich mehrmals ein.


Der Boden lässt sich bei kalten Temperaturen bis zum Futterautomaten über eine Fußbodenheizung erwärmen. Die Kosten halten sich in Grenzen, weil die Heizschlangen über ein Nahwärmenetz von der etwa 500 m entfernt gelegenen Biogasanlage mit Warmwasser versorgt werden.


An die Liegefläche grenzt ein 1,80 m breiter Laufgang mit Spaltenboden mit Unterflurschieber an, über den die Tiere in den 4 m breiten und überdachten Auslauf mit Stroheinstreu gelangen. Dieser wird zweimal pro Woche entmistet und frisch eingestreut.


Um Emissionen und die Vermehrung der Fliegen zu verhindern, lagert Aichele den abgeschobenen Mist nicht auf der Betonplatte auf der Stirnseite des Stalls, sondern transportiert ihn sofort zur Biogasanlage.


im Stall Nicht über 25°C!


Der Strohstall funktioniert nach Aicheles Erfahrung nur, wenn es im Stall nicht zu warm wird. Denn andernfalls koten die Schweine in den Liegebereich, um sich dort Suhlen anzulegen. Um das zu verhindern, kühlt er die Luft bei hohen Temperaturen. „Ab 20°C lasse ich die Zuluft durch Pads saugen, und ab 22°C kühle ich die Zuluft, indem wir die Pads mit Umwälzpumpen befeuchten“, erläutert Aichele. Zudem hat er alle Dächer mit Sandwichplatten eingedeckt, um den Innenraum vor der Sonneneinstrahlung zu schützen.


„Die Kühlung und die Tatsache, dass sich die Tiere viel im Auslauf aufhalten, lässt die Temperatur im Stall nicht über 25°C ansteigen, sodass die Tiere praktisch nie auf Liegebereich koten oder harnen“, so die Erfahrung des Landwirts.


1100 € pro Stallplatz


Trotz erheblicher Eigenleistung kostete der Umbau ca. 1100 € pro Platz. Abzüglich der Investitionsförderung blieben Aichele noch 800 € pro Platz, die er selbst investieren musste.


Nach seiner Beobachtung bewegen sich die Schweine sehr viel. Dementsprechend liegt die Futterverwertung mit 3,2 kg Futter pro kg Zuwachs ungünstiger als in konventionellen Ställen. Allerdings erreichen seine Schweine bei einem durchschnittlichen Schlachtgewicht von 105 kg gute Tageszunahmen von 850 bis 900 g.


Anfangs waren jedoch die Magerfleischprozente nicht ganz zufriedenstellend. „Seit wir mit unseren Breifutterautomaten rationiert und etwas eiweißreicher füttern, passen die Werte sehr gut“, freut sich der Schweinehalter.


Positiv sind die geringen Verluste von unter 0,5% zu bewerten. Anfangs hatten sich einige Tiere an der Stufe vom Liegebereich zum erhöhten Laufgang die Füße verletzt. Seitdem Aichele vor dem Spalt Eisenrohre angebracht hat, treten die Verletzungen nicht mehr auf.


1,7 Akh pro Mastplatz


Doch wie hoch ist der Arbeitsaufwand? Aichele rechnet mit ca. 27 Stunden pro Woche für den Tierwohlstall einschließlich aller Wartungsarbeiten und des Transportes des Mistes zur Biogasanlage. Umgerechnet auf die vorhandenen 840 Mastplätze entspricht das 1,7 Akh pro Mastplatz und Jahr. Dies obwohl er mit 600 g pro Tiere und Tag sehr viel Stroh einstreut.


Die Rechnung geht für den mutigen Landwirt bisher auf. Einige der abnehmenden Metzger haben komplett auf das „Bad Boller Strohschwein“ umgestellt, andere zum Teil.


Deren Kunden sind von der Qualität des Fleisches und von der Haltung der Schweine offenbar so überzeugt, dass sie dauerhaft bereit sind, den vereinbarten Aufpreis zu bezahlen. Wenn sie nicht selbst an Aicheles Stall vorbeikommen und die Schweine von einem angrenzenden Spazierweg aus besichtigen, können sie seine Tiere auch im Internet über eine Webcam unter www.bad-boller-strohschwein.de beobachten.


klaus.dorsch@topagrar.com

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