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Unterwegs in Sachen Biodiversität

Lesezeit: 4 Minuten

Tobias Pape ist einer der wenigen Biodiversitätsberater in Baden-Württemberg. Wie Landwirte auf ihren Flächen für mehr Arten sorgen können, verrät er im Südplus-Interview.


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Baden-Württemberg fördert seit 2015 zu 100% eine Beratung zu Biodiversitätsmaßnahmen. Welche Betriebe nehmen dieses Angebot bisher in Anspruch?


Tobias Pape: Ich bekomme Anfragen von Betrieben sämtlicher Betriebszweige und jeder Größe. So sind Tierhalter sowie Acker-, Gemüse- und Weinbauern mit 12 bis 500 ha vertreten. Egal, ob sie nun konventionell oder biologisch wirtschaften. Ihnen gemeinsam ist, dass sie raus aus der Defensive wollen. Die meisten unternehmen schon ganz viel für die Biodiversität, wollen ihren Weg bestätigt haben und wissen, was sie darüber hinaus noch tun können.


Was sind dabei typische Fragen aus der Praxis?


Pape: Betriebe mit viel FFH-Mähwiesen wollen erfahren, wie man damit umgeht, um die Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. Bei Direktvermarktern ist z.B. häufig das Thema, wie sie ihre Biodiversitätsmaßnahmen auf dem Hof besser an ihre Kunden kommunizieren können. Bei meiner Tätigkeit vor Ort ist für mich entscheidend, dass ich die Maßnahme jeweils gemeinsam mit den Betriebsleitern entwickle und dass sie auch umsetzbar ist.


Mit Blühstreifen haben mittlerweile sehr viele Betriebe Erfahrung. Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht ebenso praktikabel wie wirksam?


Pape: Was wir unbedingt zusätzlich brauchen, sind mehr Strukturen, wie Gehölze und Säume, aber auch mehr Brachen. Gerade für Brachen fehlen uns seit der Abschaffung der Flächenstilllegung die Anreize, denn die ökologischen Vorrangflächen erfüllen die allermeisten Betriebe mit Zwischenfrüchten. Auf ertragsschwachen Standorten sind Lichtäcker oder eine Aussaat in weiter Reihe effiziente Maßnahmen. Auf dem Grünland hilft es schon, beim ersten Schnitt am Rand oder in der Fläche Streifen stehen zu lassen. Am Hof selbst kann man z.B. mit Nistplätzen, Fledermauskästen oder artenreichen Kräutergärten viel erreichen.


Bei mehrjährigen Blühmischungen haben viele Betriebe die Sorge, sich langfristig schwer bekämpfbare Unkräuter auf den Acker zu holen.


Pape: Wenn das der Fall ist, sind meist Fehler in der Produktionstechnik dafür verantwortlich. Wenn ich z.B. für Blühstreifen eine Fläche verwende, die ohnehin schon zu Verunkrautung neigt oder eine große Hirselast mit sich bringt, sind Probleme vorprogrammiert. Auch wer beim Aufkommen von Unkräutern auf einen Schröpfschnitt verzichtet, wird mit der Blühfläche nicht glücklich. Vielfach steckt dahinter die Vorstellung, dass Blühflächen immer schön und hübsch aussehen müssen. Das ist eben nicht so! Auch wenn die Streifen nicht blühen, profitieren Nützlinge von unscheinbaren Blüten, bieten sie Deckungsmöglichkeiten für Niederwild und ein Futterangebot für Vögel.


Brauchen wir noch kleinräumiger an die einzelnen Regionen angepasste Blühmischungen?


Pape: Aus meiner Sicht nicht. In erster Linie geht es doch darum, mit einfachen Mitteln in der normalen Landschaft ein Nahrungsangebot und Lebensraum zu schaffen. Das Ganze muss machbar sein und bezahlbar bleiben.


Wie könnte man noch mehr Betriebe für das Thema gewinnen?


Pape: Bei den ersten Gesprächen in den Betrieben stelle ich oft eine große Angst der Landwirte vor Kontrollen, Sanktionen oder Rechtfertigungen fest. „Wenn ich etwas stehen lasse, zieht mir das Amt nachher diese Fläche ab“, ist eine verbreitete Sorge. Diese Angst ist unbegründet, auch wenn es einige Ämter bei der Angabe der Flächen sehr genau nehmen. Von dieser Quadratmeter-Denkweise müssen wir wegkommen! Die EU verlangt das gar nicht!


Was muss aus Ihrer Sicht noch passieren, damit wir in Sachen Artenvielfalt entscheidend weiterkommen?


Pape: Damit wir in der Breite auf Dauer Fortschritte erzielen, brauchen wir mehr praxisnahe Versuche an den Landesanstalten und ein Netz an Demonstrationsbetrieben, wo man sich die Maßnahmen anschauen kann. Statt Vorschriften für Einzelne könnten wir z.B. pro Gemarkung eine Mindestausstattung an Biodiversität festlegen.


Wir brauchen mehr qualifizierte Berater und müssen das Thema stärker in der landwirtschaftlichen Ausbildung verankern. Denn oftmals fehlt fundiertes Hintergrundwissen zu den heimischen Arten.


Uns muss eines klar sein: Der Artenschutz ist kein Modethema, sondern wird uns wie die Nachhaltigkeit und der Klimawandel lange Jahre beschäftigen. Nicht zuletzt sollten politisch gewünschte Leistungen nicht an verwaltungstechnischen Auslegungen scheitern. So kommt es vor, dass Förderanträge wegen kleinster Formfehler abgelehnt werden. Das ist sehr ärgerlich! silvia.lehnert@topagrar.com

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