Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Von 56 Portionen nur vier Trächtigkeiten

Lesezeit: 5 Minuten

Anton Schmaußer aus Beratzhausen wollte mit neuer Genetik ganz vorne mit dabei sein. Doch das Sperma des genomischen Jungbullen enttäuschte auf ganzer Linie.


Das Wichtigste zum Thema Süd extra freitags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Vom hochgelobten genomischen Jungvererber Weitblick, für den ihre Besamungsstation den Rekordpreis von 151 000 € ausgab, wollten die Züchter Anton und Alois Schmaußer aus Beratzhausen (Lkr. Regensburg) auch ihren Anteil haben.


Zumal ein Vorfahre des Bullen aus dem Betrieb, der heute 185 Kühe mit durchschnittlich 9600 kg Milch melkt, stammt. „Der Gesamtzuchtwert von über 140 hat mich damals überzeugt!“, sagt Alois Schmaußer. Noch bevor Sperma lieferfähig war, bestellten sie.


Ab Dezember 2018 setzten die langjährigen Eigenbestandsbesamer über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten insgesamt 56 Portionen von Weitblick aus vier Spermachargen bei Rindern sowie Jung- und Altkühen ein. Das Ergebnis war ernüchternd: „Tatsächlich erzielten wir damit nur vier Trächtigkeiten“, ist Anton Schmaußer frustriert.


Negativer Laborbefund


Krankheiten im Stall, Fehler im Management oder beim Umgang mit dem Container schließen die Betriebsleiter als Ursache aus. Auch ein neues Auftaugerät und eine Beratung durch einen Stationstierarzt brachte keine Erkenntnisse. „Das Brunstgeschehen in der Herde war normal und bei den Besamungen mit anderen Bullen lag der Besamungsindex (BI) wie immer bei 1,8“, sagt Anton Schmaußer. Die mittlere Zwischenkalbezeit der Herde gibt der Junglandwirt mit 400 Tagen an. Sein Verdacht: „Entweder wurde die Portion infolge der hohen Nachfrage nach dem Bullen zu stark verdünnt oder er befruchtet wirklich unterdurchschnittlich.“ Um Gewissheit und gegenüber seiner Besamungsstation einen Nachweis zu haben, schickte der Landwirt zwei Portionen der betreffenden Charge zur spermatologischen Untersuchung an die Tierärztliche Hochschule (TiHo) nach Hannover.


Der Befund des akkreditierten Labors bestätigte Schmaußers Vermutung: „Die Mindestanforderungen an die Vorwärtsbeweglichkeit der Spermien gemäß ADR-Empfehlung sind in beiden Pailletten nicht erfüllt.“ Gemessen wurden 25 bzw. 40% vorwärtsbewegliche Spermien. Die ADR fordert dagegen mindestens 50%. Die Morphologie der Spermien war dagegen unauffällig.


Mit dem Befund konfrontiert, schickte im Gegenzug auch die Besamungsstation eine Portion, die ihr Schmaußer selbst hinterließ, ans Institut für Fortpflanzung der Nutztiere IFN nach Schönow. Das Ergebnis hier: „Mit 70% vorwärtsbeweglichen Spermien und 83% morphologisch normalen Spermien ist die Portion tauglich.“


Widerspruch nicht erklärbar


Weder der Stationsleiter, der anonym bleiben möchte, noch das IFN können sich diese widersprüchlichen Laborbefunde erklären. Dr. Markus Jung, IFN-Geschäftsführer, verweist auf die Routine und die hohen Qualitätsstandards seines Labors. Er hält Fehler beim Versand der Proben ins Labor für wahrscheinlich. Zudem sei in der Regel ein größerer Probenumfang für ein aussagekräftiges Ergebnis nötig. Die TiHo Hannover will sich mit Verweis auf den Datenschutz gar nicht dazu äußern.


„Bei aller interner und externer Qualitätssicherung, die wir gerade bei Jungbullen intensiv betreiben, kann man nicht ausschließen, dass bei einer Charge einmal etwas nicht optimal läuft“, so der Stationsleiter und ausgebildete Tierarzt. Selbst Ergebnisse von objektiven Messmethoden seien bei unterschiedlichen Gerätefabrikaten nicht immer vergleichbar. Und kein Laborergebnis könne die Befruchtungsfähigkeit eines Bullen treffsicher vorhersagen.


Dass man die Portionen zu stark verdünnt habe, streitet er ab: „Unter 18 bis 20 Millionen Spermien pro Paillette verkaufen wir keine. Nur Stationen mit moderneren Labormethoden können eine höhere Verdünnung des Ejakulates ohne Befruchtungsverlust erreichen.“ Seinen Schaden beziffert der Familienbetrieb auf insgesamt 3680 €. Dabei berücksichtigte Schmaußer neben den Kosten für die längere Zwischenkalbezeit, die zusätzlichen Besamungs- und Portionskosten für 27 Trächtigkeiten, die in der Regel aus einem BI von 1,8 resultieren würden. „Dieser Schaden ist mit 75 Portionen auf Kulanz, die man mir anbot, bei Weitem nicht gedeckt“, ärgert sich Anton Schmaußer.


Guter Befruchter


Seine Station zeigt zwar Verständnis für den Milchviehhalter, hält seine Forderung mit Verweis auf die durchschnittlichen Non-Return-Raten (NRR) des Bullen in anderen Betrieben aber für überzogen: Die mittlere NRR bis zum 56. Tag (NRR56) habe über alle versamten Portionen der betreffenden Spermachargen zwischen 57,7 und 61,9% gelegen. „Damit ist der Bulle ein durchschnittlich guter Befruchter“, stellt der Stationsleiter fest.


Bei Schmaußer betrug die NRR56 dagegen nur zwischen 0 und 11%. Einen offiziellen Wert für die Befruchtungsfähigkeit hat der Vererber noch nicht, bei seinem Vater beträgt er aktuell jedoch nur -3!


Gibt es ähnliche Fälle?


Seit Herbst 2018 wurden nach Angaben der Station über 21600 Portionen des Bullen im In- und Ausland verkauft. Ein ähnlicher Fall mit solchem Ausmaß wie bei Schmaußer ist bisher nicht bekannt geworden. Die von Südplus befragten Milchviehhalter haben im Gegensatz zu ihm allerdings auch nur wenig Portionen von Weitblick versamt. Das Ergebnis waren durchschnittliche Trächtigkeitsraten. „Wir setzen von genomischen Jungbullen immer nur eine Handvoll Samen ein, um das Risiko von Ausfällen zu verringern“, sagt Georg Hammerl vom LVFZ Achselschwang, wo der Bulle geboren wurde.


Seinen Schaden früher reklamieren und damit begrenzen können, sei nicht möglich gewesen, sagt Schmaußer: „Weil das Sperma immer nur in kleinen Mengen erhältlich war, bekamen wir erst allmählich ein deutliches Bild.“


Der Züchter ist enttäuscht: „Wir waren langjährig ein sehr guter Kunde der Station und haben im Monat für fast 2000 € Sperma gekauft. Doch dem Stationsleiter waren wir jetzt nicht einmal ein klärendes Gespräch vor Ort wert.“ Mittlerweile ist er zu seiner alten Besamungsstation zurückgekehrt.


silvia.lehnert@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.