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Wenn die Ohren schmerzen

Lesezeit: 8 Minuten

Kälber erkranken immer häufiger an Ohrentzündungen – und keiner weiß, weshalb. Corinne Bähler und Martin Kaske erklären, warum die Früherkennung besonders wichtig ist.


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Ohrentzündungen bei Kälbern haben eine zunehmende Bedeutung. Früher kannte man die Krankheit kaum. Heute kommt sie gerade in Mastbetrieben, die größere Gruppen einstallen, gehäuft vor, jedoch auch in Geburtsbetrieben. Heikel sind vor allem die Übergangszeiten, in denen die Luftfeuchtigkeit im Stall hoch ist.


Warum Ohrentzündungen bei Kälbern in den letzten Jahren vermehrt auftreten, kann man nicht genau sagen. „Wir können derzeit nur spekulieren“, so Corinne Bähler vom Schweizer Kälbergesundheitsdienst (KGD) der Vet-suisse Fakultät der Universität Zürich. „Fakt ist, dass die Erreger eigentlich tierorientiert sind und in der Umwelt kaum überleben.“ Auch Martin Kaske, ebenfalls vom KGD, hat keine eindeutige Erklärung. „Wir vermuten, dass einzelne Tiere die Keime in die Gruppe einschleppen.“ Wahrscheinlich ist es durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren bedingt, dass es plötzlich vermehrt zu dieser Krankheit kommt.


Bakterien im Mittelohr


Aber was heißt es eigentlich, wenn ein Kalb an einer Ohrentzündung erkrankt? Das Ohr besteht aus der Ohrmuschel, dem äußeren Gehörgang, dem Mittelohr und dem Innenohr (siehe Übersicht Seite 40). Letzteres enthält die Sinneszellen für den Hörvorgang, die sogenannte Schnecke. Das Mittelohr sitzt zwischen dem Innenohr und dem äußeren Gehörgang. Das Trommelfell trennt das Mittelohr vom äußeren Gehörgang und ist eine dünne Membrane, die sehr empfindlich ist. Stoßen wir Menschen beispielsweise beim Ohrenputzen versehentlich gegen das Trommelfell, verspüren wir einen heftigen Schmerz.


Die Ohrentzündungen von einzelnen Tierarten können nicht miteinander verglichen werden. So kommt es zum Beispiel bei Hunden oft zu Ohrentzündungen. Diese haben ihren Ursprung überwiegend im äußeren Ohr und haben deshalb nichts mit einer Ohrentzündung beim Kalb gemeinsam. Die Mittelohrentzündung beim Kalb kann hingegen eher mit der bei Kleinkindern verglichen werden.


erst die Lunge, dann das Ohr?


Beim Kalb hat die Erkrankung im ersten Moment nichts mit dem äußeren Ohr zu tun. Bei ihm wandern Bakterien, die sich in den oberen Atemwegen befinden, über die Eustachische Röhre – eine Kurzschlussverbindung zwischen Mittelohr und Rachen – ins Mittelohr.


Salopp gesagt feiern die Bakterien dort anschließend eine Party. Bei den Erregern handelt es sich häufig um Mykoplasmen. Aufgrund der anatomischen Fakten kann gesagt werden, dass die Mittelohrentzündung beim Kalb häufig in Verbindung mit einer Lungenentzündung auftritt. Während sich die Lungenentzündung wenige Tage nach dem Einstallen ausbreitet, treten Ohrentzündungen erst später auf. Denn die Mykoplasmen brauchen eine Weile, bis sie sich etablieren und Symptome auslösen können.


Erste Symptome


Erste Symptome, die auftreten, sind vermehrtes Kopfschütteln, mit den Hinterbeinen am Ohr kratzen oder mit dem Kopf an der Wand scheuern und ein angespannter Gesichtsausdruck. Ebenfalls häufiges Leitsymptom ist der vermehrte Augenausfluss. „Die Kälber stehen vielleicht fünf Minuten in einer Ecke und zeigen erste Anzeichen, wie zum Beispiel einen angespannten Gesichtsausdruck“, so Bähler. „Anschließend springen sie wieder ganz normal herum.“


Es braucht also eine gute Beobachtungsgabe, um die Krankheit frühzeitig zu erkennen. Denn auch hier gilt: Je früher die Therapie eingeleitet wird, desto besser ist die Prognose. „Viele Landwirte wollen wissen, welches Antibiotikum am besten hilft“, so Kaske. „Es geht aber nicht in erster Linie darum, mit welchem Antibiotikum behandelt wird, sondern vielmehr darum, die Behandlung möglichst früh zu starten.“


Sobald man erste Anzeichen beobachtet, sollte man Fieber messen, wobei zu Beginn die Körpertemperatur oft nicht oder nur leicht erhöht ist. Typisch ist die temporäre asymmetrische Ohrstellung. Sie ist vor allem in Ruhe zu beobachten.


Weg für den Eiter bahnen


Gerade zu Beginn, wenn der Eiter gebildet wird, entsteht von innen nach außen Druck auf das Trommelfell. Das ist äußerst schmerzhaft, was man den Tieren am Blick ansieht. Sie sind der Krankheit machtlos ausgeliefert, aber sie kämpfen und trinken häufig noch. Jedes Kratzen und Scheuern ist nutzlos und reduziert den schmerzhaften Druck nicht. Mit der Zeit bzw. im chronischen Stadium bildet sich Eiter und der Schmerz lässt erst recht nicht nach.


Eine Möglichkeit ist, dass der Druck auf das Trommelfell so groß wird, dass dieses platzt. „Das bringt dem Tier sofort Erleichterung“, erklärt Kaske. „Denn jetzt fließt der Eiter in den Gehörgang, und das Schlimmste fürs Kalb ist vorbei.“ Wenn man den Ohrknorpel zusammendrückt, ertönt ein quatschendes Geräusch.


Der schlechtere Weg ist, wenn der Eiter den Weg vom Mittelohr ins Innenohr sucht, denn dort sitzt auch das Gleichgewichtszentrum. Die betroffenen Kälber beginnen im Kreis zu laufen. „Sie wirken, als wäre es ihnen schwindelig“, so Kaske. „Diesen Tieren geht es sehr schlecht, denn die eigentlich banale Infektion betrifft nun ein wichtiges Organ, weshalb die Konsequenzen fatal sind.“


Auch für Tierärzte sind Mittelohrentzündungen beim Kalb ein schwieriges Problem. „Wir sind relativ hilflos“, sagt Kaske. Die meisten Landwirte kontaktieren den Tierarzt, sobald das Kalb ein Ohr hängen lässt und nicht mehr trinkt. Der behandelnde Tierarzt untersucht das erkrankte Tier und kontrolliert, ob von der Lunge noch weitere Befunde da sind. „In der Regel ist dies aber nicht der Fall, da die Lungenentzündung bis zum Auftreten der Ohrentzündung unter Umständen schon bis zu drei Wochen zurückliegt“, so Kaske.


Diagnostiziert der Tierarzt eine Ohr- entzündung, verabreicht er dem Kalb Antibiotika, Entzündungshemmer und Schmerzmittel. Kaske spült Kälbern, bei denen er aufgrund des Eiters noch kein quatschendes Geräusch hört, das Ohr gerne aus. Dafür legt er das Tier in Vollnarkose und spaltet das Trommelfell. Ziel ist es, auf diesem Weg dem Eiter einen Abfluss zu ermöglichen und die Schmerzen des Kalbes zu lindern.


Optimal wäre es, wenn der Eiter dann Richtung äußeres Ohr oder Eustachische Röhre gelangt. Leider klappt der Vorgang nicht immer wie gewünscht. Bei den meisten Kälbern bessert sich aber einige Tage nach dem Eingriff das Allgemeinbefinden deutlich.


Wie Vorbeugen?


Unklar ist, inwieweit das Spalten des Trommelfells die Sinneswahrnehmung des Tieres beeinträchtigt. Fakt ist aber, dass es mit der Zeit wieder zusammenwächst und das Kalb kurzfristig weniger Schmerzen hat.


Vorbeugend können die Landwirte vergleichsweise wenig tun. Es ist sicher gut, eine Eingangskontrolle durchzuführen und auch Quarantänemaßnahmen haben ihre Vorteile. Auch sollte darauf geachtet werden, dass sich die Kälber nicht gegenseitig besaugen. Die Speichelübertragung und die mechanische Einwirkung können Ohrentzündungen auslösen. Aber ein Allheilmittel ist die Elimination all dieser Faktoren nicht.


Auch Stress begünstigt die Erkrankung. Der Transport vom Geburtsbetrieb zum Mastbetrieb ist für die Kälber Stress, ebenfalls die Neustrukturierung in der Gruppe. „Für Kälber ist ein Buchtenwechsel im selben Stall schon belastend“, so Bähler. „Also bedeutet der Wechsel von Einzelhaltung in Gruppenhaltung noch mehr Stress.“ Das Impfen sieht Bähler hingegen als geringen Stressfaktor an. Für sie ist in diesem Zusammenhang aber der richtige Zeitpunkt entscheidend. „Impfe ich die neuen Kälber erst zwei bis sieben Tage nach der Ankunft, muss ich sie erneut einfangen“, erklärt die Tierärztin. „Mit dieser Aktion bringe ich wiederum Unruhe in die Gruppe.“


Bähler empfiehlt deshalb folgendes Vorgehen: Kommen die Kälber um die Mittagszeit auf dem Betrieb an, kann der Landwirt von einer Transportdauer von fünf bis sechs Stunden ausgehen. Die Kälber können also noch am selben Tag geimpft werden. Kommen die Kälber erst am Abend an, waren sie zirka zwölf Stunden unterwegs. Sie sollten die Möglichkeit haben, sich über Nacht auszuruhen und erst dann geimpft werden.


Reduzieren Sie Stress


Weil die Kälber zu Beginn noch desorientiert sind, löst dieses Impfmanagement deutlich weniger Stress aus, als wenn die Tiere erst nach einigen Tagen geimpft werden. Die Reduktion der Stressfaktoren ist allgemein die einzige präventive Maßnahme, die gegen Ohrentzündungen hilft.


Ebenfalls ist es individuell zu handhaben, ob ein erkranktes Kalb separiert oder weiterhin in der Gruppe gehalten wird. „Ein rangniedriges Kalb fühlt sich in einer Einzelbucht wohler“, so Bähler. „Ein starkes Kalb mit gutem Herdenanschluss wäre durch die Trennung hingegen nur gestresst.“ In Bezug auf den Infektionsdruck macht das Separieren kaum Sinn. Denn die Mykoplasmen verbreiten sich, bevor die Krankheit ausbricht und vom Landwirt wahrgenommen wird.


Bei welchen Kälbern die Krankheit anschließend ausbricht, ist von deren Immunsystem abhängig. Die einen sind stärker, andere schwächer. „Es gibt immer wieder Durchgänge, die überhaupt keine Probleme machen“, so Kaske. „Beim nächsten kann es dafür sein, dass gleich mehrere Kälber erkranken.“ Nur selten erkranke nur ein Tier in der Herde an einer Ohrentzündung.


Derzeit sind Tierärzte und Forscher daran, herauszufinden, wie stark die Milch auf den Geburtsbetrieben mit Mykoplasmen belastet ist. Denn es gibt Hinweise, dass die Erreger von ausgewachsenen Rindern auf die Kälber übertragen werden.Nadine Maier


silvia.lehnert@topagrar.com

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