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„Wie eine Weide im Stall“

Lesezeit: 5 Minuten

Das Interesse an Kompostierungsställen wächst. Doch welche Erfahrungen liegen damit vor? Wir haben einen Betrieb in Niederbayern besucht, der vor zwei Jahren so einen Stall gebaut hat.


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Das, was wir jetzt haben, ist eine völlig andere Art von Landwirtschaft“, meint Alois Grubmüller (56) aus Schöllnach im Landkreis Deggendorf. Er blickt auf seine 80 Milchkühe: Die meisten ruhen entspannt hingestreckt auf der Kompostmatratze im neuen Stall.


2017 haben die Grubmüllers zwei Kompostierungsställe gebaut, einen für das Milch- und einen für das Jungvieh. Die Umstellung von der Anbindehaltung auf den Zweiraum-Stall hat für Mensch und Tier einen ganz neuen Alltag geschaffen.


Dabei ist das bauliche Prinzip eines Kompostierungsstalls einfach: Es handelt sich um einen Offenfrontstall mit Fressgang an der einen Längsseite. Biobetriebe wie Grubmüller haben an der anderen Seite noch einen Laufhof (siehe Übersicht).


In der Mitte des Stalls befindet sich die Liegefläche, wobei jeder Kuh etwa 10 m2 zur Verfügung stehen. Die Liegefläche ist gegenüber den Fress- und Laufgängen abgesenkt und wird mit Sägespänen oder Hackschnitzeln 50 bis 100 cm hoch eingestreut.


Zweimal am Tag grubbern


Grubmüller grubbert die Liegefläche zweimal am Tag. So arbeitet er den Kot und Harn der Kühe unter Luftzufuhr in das Holzsubstrat ein und steuert damit den Kompostierungsprozess, der direkt auf dem Stallboden stattfindet.


Die Kompostführung ist eine Kunst, die der Milchviehhalter erst lernen musste: „Die Komponenten Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Wasser müssen in einem bestimmten Gleichgewicht sein. Wird der Kompost zu feucht oder zu kalt, muss man ihn mit Belüften oder Beimischen von anderem Su-bstrat wieder in Gang bringen.“ In der Regel reichen 3 cm pro Woche, manchmal seien auch 5 bis 10 cm notwendig.


Beim perfekten Kompost herrschen in der Tiefe hohe Temperaturen, von 45 bis 70°C, die den Kompost hygienisieren. An der Oberfläche wiederum führt die Wärme zur Verdunstung der Feuchtigkeit, dadurch kühlt sie auf Raumtemperatur ab. Der Effekt einer solchen Liegefläche: Sie ist angenehm warm und trocken, dabei elastisch und gleichzeitig formstabil. „Das ist so, als hätten wir die Weide in den Stall geholt“, sagt Grubmüller.


Keine KlauenProbleme


Mit den positiven Auswirkungen, die dieses Stallsystem auf Tierverhalten und Tiergesundheit hat, ist der Milchviehhalter nach zwei Jahren Praxiserfahrung mehr als zufrieden: Durch das Gehen und Liegen auf der weichen, aber trittsicheren Oberfläche und den guten Klauenabrieb durch die Hackschnitzel sind Klauen- und Gelenkschäden nahezu verschwunden. „Mortellaro gibt es hier nicht mehr.“


Im Freilaufstall auf dem rutschfesten Kompost üben die Kühe ihr Brunstverhalten viel deutlicher aus, und auch die Geburten verlaufen laut Grubmüller jetzt leichter und problemloser. Die Zwischenkalbezeit seiner Herde liegt bei nur 355 Tagen.


Auffällig auch: die Sauberkeit der Kuheuter. Während des Liegens wirken die Holzspäne offenbar wie eine Art Peeling, das den Schmutz abreibt. Der Keimdruck wird offenbar geringer, denn auch die Eutergesundheit hat sich laut Grubmüller deutlich verbessert.


„Eigentlich wollte ich gar keinen Kompostierungsstall bauen. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt“, erzählt der Landwirt. Neben 79 ha Acker und Grünland bewirtschaftet der Biolandwirt 70 ha Wald. Die Produktion von Hackschnitzeln ist sein zweites Betriebsstandbein. Deshalb war er ursprünglich auf der Suche nach einer Möglichkeit, die dort anfallenden Holzabfälle zu verwerten. Er überlegte, wie er diese am besten kompostieren könnte, um sie anschließend als Düngesubstrat zu verkaufen.


Über Recherchen im Internet stieß er auf die einschlägigen Foren zum Thema Kompostierungsstall. Die Vorteile dieses Stallsystems, über die da gesprochen wurde, machten ihn neugierig.


Mit dem Stallneubau hat er jetzt Tierhaltung und Hackschnitzelproduktion eng verzahnt: Auf dem Stalldach befindet sich eine 970 kWh-starke Solarthermie-Anlage, die die warme Luft für die Heu- und für die Holztrocknung liefert. Getrocknete Hackschnitzel erzeugen beim Verbrennen mehr und sauberere Energie – und erzielen deshalb einen deutlich besseren Preis.


Abfall als Einstreu


Was als Abfall von den Trocknungs- und Siebanlagen fällt, eignet sich wiederum ideal als Einstreu für den Stall. Und der Kompost, den er auf diese Weise produziert, liefert ihm einen hochwertigen Dünger für seine Felder. Die letzten Laboruntersuchungen ergaben einen pH-Wert von 9,5. Der P2O5-Gehalt lag bei 6,8 kg/t FM, der von K2O bei 16,4 kg/t FM und der von Gesamt-N bei 9,6 kg/t FM.


Lediglich die Milchleistung ging anfangs zurück: Das automatische Melk-system im neuen Stall verursachte zu Beginn Probleme. „Jetzt sind wir aber wieder mit 8500 kg pro Kuh und Jahr bei der Leistung, die wir vorher hatten“, so der Biomilchviehhalter. „Und die Leistung wird sich noch verbessern, weil die Kühe im Kompostierungsstall länger und öfter liegen.“


„Seit die Tiere im Freilaufstall sind, haben sie wieder eine Herdenstruktur entwickelt“, erzählt der Landwirt. „Hierachie-Kämpfe gehören da dazu. Aber in diesem Stall haben rangniedrige Tiere die Möglichkeit, auszuweichen. Da kommt es ganz selten mal zu einer Verletzung.“ Und das, obwohl seine Kühe horntragend sind.


9000 € pro Kuhplatz


Ca. 9000 € pro Platz hat sein Stall gekostet, auf 100 Milchkühe will er die Herde noch aufstocken. Die Zukunft des Betriebs scheint damit gesichert.


Von den Investitionen profitiert nicht nur seine Tochter Martina, die den Hof weiterführen wird. Der neue Stall ist auch ein Beleg dafür, dass sich Tierwohl und leistungsbetonte Milchviehhaltung vereinbaren lassen. Für ihren Stall haben die Grubmüllers den Tierwohlpreis 2019 des bayerischen Landwirtschaftsministeriums erhalten.


Christiane Kretzer


klaus.dorsch@topagrar.com

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