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„Wir produzieren nicht mehr für den Weltmarkt“

Lesezeit: 7 Minuten

Seit dem Quotenende 2017 ist der Zuckerpreis im Keller – und das Rübengeld auch. Wie die Südzucker AG darauf reagiert, erläutert Agrar- und Produktionsvorstand Dr. Thomas Kirchberg.


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Nur dank der Rohstoffsicherungsprämie haben die Rübenanbauer 2018 über 30 €/t bekommen. Wären sonst viele aus der Rübe ausgestiegen?


Kirchberg: Natürlich reagieren wir auf Rückmeldungen von draußen, nicht nur die von den Anbauverbänden. Deshalb waren wir überzeugt, dass wir etwas ändern müssen.


Aus dem Zuckererlös selbst haben wir nur ein Rübengeld von rund 22 €/t erwirtschaftet. Die Prämie müssen wir in anderen Unternehmensbereichen verdienen.


Unter dem Strich können beide Seiten zufrieden sein. Unsere Kontrahierung für 2020 bestätigt uns das: Die Anbauer bekommen ein attraktives Rübengeld. Wir haben genug Rüben, um in unseren Werken rund 120 Tage Zucker zu produzieren.


Wer die Prämie will, darf im kommenden Jahr nicht weniger anbauen und muss den Bedingungen für die Prämie 2020/22 zustimmen. Wer 2022 nicht genug Rüben anbaut, muss 2023 die Prämie zurückzahlen. Ist das fair?


Kirchberg: Wenn knapp 14000 Rübenanbauer das so machen, kann das System nicht so falsch sein. Dass es Kritik gibt, dessen sind wir uns bewusst. Aber wir durchleben im Zuckergeschäft eine Phase, in der wir Lösungen finden müssen, die für beide Seiten akzeptabel sind.


Und die Bauern haben ja nach wie vor die freie Entscheidung. Sie haben ein Lieferrecht, keine Lieferpflicht.


Sie haben im abgelaufenen Geschäftsjahr 260 €/t für den Zucker erlöst. Die EU meldet in ihrem Reporting dagegen durchgängig Preise von über 300 €/t. Woher kommt die Differenz?


Kirchberg: Die EU differenziert seit geraumer Zeit das Preisreporting nach Ländergruppen und es ist ersichtlich, dass das Preisniveau dort, wo der größte Überschuss produziert wird, am niedrigsten ist. Das liegt daran, dass der Zucker aus diesen Ländern in weiter entfernte Regionen gefahren wird.


Für Transporte von Deutschland nach Südeuropa fallen zum Beispiel schnell 80 bis 120 €/t an Kosten an. Zudem bezieht unser System auch Erlöse für Zuckerexporte mit ein.


Also eine völlig unterschiedliche, nicht vergleichbare Basis. Sogar unsere Anbauverbände sagen, sie können nur mit den konkreten Zahlen aus unserem Unternehmen arbeiten, nicht mit den EU-Zahlen.


In den Segmenten Spezialitäten und Frucht verarbeiten Südzucker und die österreichische Tochter Agrana selbst viel Zucker. Welchen Preis zahlen Sie sich dafür intern?


Kirchberg: Wir verarbeiten nur einen Bruchteil unseres Zuckers selbst. Die beiden Segmente können ihren Bedarf oft günstiger von anderen, werksnahen Anbietern decken. Und unseren Zucker verkaufen wir lieber an fabriknahe Kunden und sparen so Logistikkosten.


Warum erhalten die Anbauer heute einen geringeren Anteil vom Zuckererlös als vor dem Quotenende?


Kirchberg: Wir zahlen zusammen mit der Rohstoffsicherungsprämie so viel, dass wir massiv Verluste im Segment Zucker machen. Da hilft diese Betrachtung des Anteils nicht.


Der Landwirt bekommt von uns ein Angebot und dann muss er entscheiden, ob er dafür anbauen will. In den gegenwärtigen Zeiten kommen wir nicht über das jetzige Niveau hinaus.


Der Anbauverband hat das als gangbaren Kompromiss gesehen. Ändern sich die Zeiten, können wir sicherlich noch einmal darüber reden.


Dafür wären Sie also offen?


Kirchberg: Wir reden immer.


Laut Berichten steht Südzucker auch deswegen unter Preisdruck, weil es zu wenig Lagerkapazität hat und oft zum Verkauf gezwungen ist. Stimmt das?


Kirchberg: Wir sehen das nicht als Problem. Wir haben in den letzten Jahren wenig in Silos investiert, aber viel in Dicksafttanks. Darin lagern wir den Zucker schon vor der Kristallisierung.


Das hat Vorteile, was Investitionskosten und die kontinuierliche Erzeugung übers Jahr angeht. Zudem haben wir Lager in den Zielmärkten. Landwirte fühlen sich manchmal wohler, wenn sie die ganze Ernte lagern können. Für uns ist Überlagern zur nächsten Kampagne aber kaum eine Option. Wir fühlen uns da richtig aufgestellt.


Vor dem Quotenende wollten alle Zuckerunternehmen mehr produzieren und Überschüsse auf dem Weltmarkt verkaufen. Wieso ging das schief?


Kirchberg: Wir haben die Produktion nicht ausgeweitet, weil wir mehr produzieren wollten, sondern um die Werke besser auszulasten und die Produktionskosten pro Tonne so zu senken. Einfache Betriebswirtschaft. Das hatten wir gemeinsam mit den Landwirten so entschieden.


Unsere Erwartung war, dass bei einem stabilen Weltmarktpreis automatisch auch der europäische Preis stabil und auf besserem Niveau liegt. Das haben wir falsch eingeschätzt.


Dass wir damit nicht allein waren, hilft uns jetzt nicht. Auf dem Weltmarkt könnte man heute rund 280 bis 300 €/t erlösen, muss dann aber noch 40 bis 70 €/t Transportkosten bis zum Hafen sowie für die Verladung abziehen. ▶


Das Ergebnis ist ein operativer Verlust von 239 Mio. € im Segment Zucker im vergangenen Geschäftsjahr. Wie reagieren Sie jetzt darauf?


Kirchberg: Wir wollen den Weltmarkt nicht mehr beliefern. Außer, es gibt Zeitfenster, in denen sich das rentiert. Aber strukturell stellen wir uns darauf ein, nur noch in Europa zu liefern.


Deshalb ziehen wir die Reißleine. Wir schließen fünf Werke, darunter Brottewitz und Warburg, und nehmen damit insgesamt 700000 t Zucker jährlich vom Markt.


Renommierte Analysten munkeln ja, dass Sie die Menge in Wahrheit einfach auf die anderen Standorte aufteilen.


Kirchberg: Die haben offenbar nicht diejenigen als Quelle, die da Bescheid wissen. Wir hätten zurzeit gar nicht die Möglichkeit, an anderen Standorten mehr zu produzieren. Die Kampagnen können wir nicht beliebig verlängern.


Es gibt Landwirte, die anstatt nach Brottewitz oder Warburg nun nach Wabern oder Zeitz liefern. Dafür bauen andere Lieferanten weniger an. An der Kapazität der Zuckererzeugung ändert sich dadurch nichts.


700000 t nehmen Sie vom Markt. Wie viel muss insgesamt weg, damit sich der Preis erholt?


Kirchberg: Wir müssen dahin kommen, dass die EU nicht mehr auf Zuckerexporte angewiesen ist. Derzeit verschifft die EU rund 1,5 bis 3 Mio. t Zucker pro Jahr. Wenn das wegfällt, ergibt sich Spielraum.


Wie sicher sind Sie, dass auch andere Unternehmen weniger produzieren?


Kirchberg: Alle stehen unter enormem Preisdruck. Ich will nicht spekulieren, wie lange andere Firmen das durchhalten. Aber das Thema steht mit Sicherheit bei allen auf der Tagesordnung.


In Frankreich hat Cristal Union mit der Schließung von zwei Werken schon einen Schritt gemacht. Ich bin mir sicher, das waren nicht die letzten Restrukturierungen in Europa.


Bei Südzucker stehen aber keine weiteren Werksschließungen mehr an?


Kirchberg: Wir haben unseren Teil getan und es bestehen darüber hinaus keine weiteren Überlegungen.


Sie sprechen von durchhalten. Südzucker kann dank anderer Einnahmequellen und einer Eigenkapitalquote von mehr als 50% Niedrigpreisphasen besser durchhalten. Haben Sie in den letzten Monaten den Konkurrenten schon Marktanteile abgenommen?


Kirchberg: Jedes Unternehmen hat das Ziel, den Marktanteil zu halten oder auszubauen. Vor allem da, wo der Zuckerpreis der beste ist.


Bist jetzt hat es aber keine grundlegenden Verschiebungen gegeben. Die werden sicher auch dadurch ausgebremst, dass manche Länder immer noch gekoppelte Rübenprämien an die Landwirte zahlen, z.B. in Polen. Das hält unattraktivere Standorte und Unternehmen im Markt.


Sie haben doch selbst noch vier Werke in Polen. Spielt Ihnen die gekoppelte Prämie da nicht in die Karten?


Kirchberg: Wir produzieren in Polen auf den besseren Standorten. Ohne die gekoppelte Prämie würden viele andere Standorte aus der Produktion ausscheiden.


Deswegen sind wir froh, dass in der EU-Kommission mittlerweile Verständnis herrscht, dass diese künstliche, politische Marktverzerrung nicht mehr zeitgemäß ist. Aber bis wann sich die gekoppelten Prämien wirklich abschaffen lassen, steht auf einem anderen Blatt.


Sehen Sie am Horizont bessere Zuckerpreise?


Kirchberg: Europa wird noch etwas unter Druck bleiben. Wir gehen aber davon aus, dass wir mit der neuen Kampagne schon etwas bessere Erlöse sehen werden. Die Sonne spitzt hinter den Gewitterwolken hervor.


Und auf lange Sicht dürfte der Verbrauch weltweit schneller steigen als die Produktion.


Herr Dr. Kirchberg, vielen Dank für das Gespräch!


claus.mayer@topagrar.com

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