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„Wir wollen unsere Zukunft mitgestalten“

Lesezeit: 12 Minuten

„Land schafft Verbindung“ hat in kürzester Zeit Zehntausende Bauern mobilisiert. Wofür steht die neue Organisation und was hat sie vor? Südplus sprach mit Bundessprecher Sebastian Dickow.


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Herr Dickow, „Land schafft Verbindung“ (LsV) hat es innerhalb von wenigen Monaten geschafft, Zehntausende von Landwirten zu mobilisieren. Wie war das möglich?


Sebastion Dickow: Wir haben zurzeit Themen, die alle Landwirte angehen, unabhängig von ihrer Betriebsform. Bei der Düngeverordnung ist z. B. jeder Betrieb betroffen. Und mit den Schlepperdemos haben wir eine Form der Demonstration entwickelt, die auffällt und Eindruck macht. So ist wieder ein „Wir-Gefühl“ bei den Landwirten entstanden und wir schwimmen auf einer Euphoriewelle.


Weil wir über WhatsApp kommunizieren, haben wir eine unglaubliche Schlagkraft, und das nicht nur wegen der Mitteilungsgeschwindigkeit. Wenn wir etwas herausgeben, ist das innerhalb einer Minute kreuz und quer durch Deutschland gegangen.


Wie muss man sich die Verteilung per WhatsApp vorstellen?


Dickow: WhatsApp lässt nur Gruppengrößen von 257 Mitgliedern zu. Deshalb gibt es bei LsV einige Hundert Gruppen in Deutschland. Am Anfang war das noch sehr unkoordiniert. Einige von uns haben dann die Gruppen strukturiert und nach Regionen geordnet. Für jede Gruppe gibt es Administratoren, die mit anderen Gruppen verbunden sind und für ihre Gruppen sprechen.


Bei den LsV-Demos sind auffällig viele junge Landwirte. Hat das auch mit dieser Form der Informationsweitergabe zu tun?


Dickow: Mit Sicherheit. Junge Leute nutzen gerne dies Art der Kommunikation. Es hat aber auch mit unseren Themen zu tun, weil es um unsere Zukunft geht. Ein 60-Jähriger, der keinen Hofnachfolger hat, wird sich mit der Düngeverordnung leichter abfinden als ein 30-Jähriger, der noch am Anfang seiner Tätigkeit als Landwirt steht. Für mich wäre es eine Katastrophe, wenn es so kommt. Denn ich lebe von der Tierhaltung. Und mein Betrieb mit 70 ha Ackerbau wäre ansonsten im Vollerwerb nicht weiterzuführen.


Was haben die Großdemonstrationen und die vielen regionalen Aktionen von LsV bisher gebracht?


Dickow: Wir haben es geschafft, die Landwirtschaft wieder positiv in den Medien zu platzieren. Das sorgt für eine bessere Wahrnehmung bei den Menschen. Auch wenn es Grund zum Jammern gibt, sollte das nicht unser Ziel sein. Wir wollen vielmehr nach vorne schauen und zukunftsorientiert mitgestalten, um eine gute Zukunft zu haben.


Weil wir schon viele Leute erreichen und sensibilisieren konnten, schlägt sich das auch in der Politik nieder. Wenn man im Bayerischen Landtag die Reden und Absichtserklärungen verfolgt, dann merkt man, dass unsere Belange einbezogen werden.


Auch im Bundestag befassen sich viele Leute mit unseren Themen. Von den Mitgliedern des Agrarausschusses bekommen wir die Rückmeldung, dass sie jetzt endlich wieder angehört werden. Stellungnahmen des Ausschusses sind offenbar in den letzten Jahren kaum berücksichtigt worden.


Wie weit sind Sie bei den Gesprächen über die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ der Bundesregierung vo-rangekommen, für die LsV und der Deutsche Bauernverband (DBV) ein Konzept erstellen sollen.


Dickow: Dirk Andresen, mein Kollege im Bundesvorsitz, und ich haben einige Male mit DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken gesprochen. Wir haben überlegt, wie man die Kommission gestalten könnte, damit sie Zukunft hat. Den Vorschlag, dass das Land- bzw. das Umweltministerium federführend sein soll, haben wir vehement abgelehnt. Wir bleiben dabei: Es soll beim Kanzleramt bleiben.


Wenn jeder zu Wort kommen soll, brauchen wir ein zweikreisiges Modell: einen Mitgliederkreis, in dem alle Verbände und NGOs drin sind, und einen Entscheiderkreis. Der Entscheiderkreis sollte zu 50% aus Landwirtschaft und Wissenschaft bestehen. Dann sollte ein Vertreter der NGOs dabei sein, wobei BUND, Nabu und Tierschutz sich auf einen Vertreter einigen sollten, weil das nur eine kleine Randgruppe ist. In diesen Kreis gehören zwei Verbraucher, weil die als Käufer landwirtschaftlicher Produkte maßgeblich beteiligt sind. Dieser Entscheiderkreis sollte aus zehn bis maximal fünfzehn Personen bestehen, um auch zu Beschlüssen zu kommen.


Welche Aufgaben haben beide Kreise?


Dickow: Der Mitgliederkreis muss die Ideen liefern und der Entscheiderkreis muss dann diskutieren, was umsetzbar ist.Aufgabe des Entscheiderkreises ist es, Vorschläge für die Politik zu entwickeln, wie man mit bestimmten Themen umgehen kann.


Klar ist: Jede Gruppe muss von ihren Maximalforderungen Abstriche machen und Kompromisse eingehen. Wir müssen bereit sein, Dinge zu verändern und zum Teil auch neu zu denken. Das tun wir Landwirte auch gerne. Allerdings muss es praktikabel und fachlich richtig bleiben.


Wie ist der weitere Zeitplan?


Dickow: Der Vorschlag liegt dem Kanzleramt vor. Bis Ende Februar sollte das Konzept im Detail fertig sein. Wir werden dann sehen, ob es die Bundesregierung mitträgt und das Kanzleramt sich zur Mitarbeit bereit erklärt.


Ein Kernanliegen der Bauern ist, dass die Verschärfung der Düngeverordnung (DüV) nicht in der Härte kommt, wie von der Bundesregierung geplant. Welche Punkte muss die Bundesregierung noch entschärfen?


Dickow: Die DüV ist mit Abstand das brisanteste Thema, weil gerade hier in Süddeutschland viele Betriebe von der Tierhaltung abhängen und mit der DüV die größten Problem bekommen werden. Am meisten Schwierigkeiten bereitet uns die 20%ige Unterdüngung und das Verbot der Herbstdüngung in roten Gebieten sowie die fehlende Derogation im Grünland, dass also dort maximal 170 kg N aus organischem Dünger ausgebracht werden dürfen.


Die 20%ige Unterdüngung bedeutet einen massiven Eingriff in den Pflanzenbau. Wir wollen die Probleme mit lösen. Aber dazu ist eine stärkere Binnendifferenzierung nötig. Wenn die Verschärfung so käme, könnte man bei Getreide nur noch Tierfutter produzieren oder man müsste die Zahl der Pflanzen pro Quadratmeter so ausdünnen, dass wir negative Effekte hinsichtlich der Erosion hätten.


Bei der Zwischenfrucht braucht man eine dezente Andüngung, damit die Pflanzen Wurzeln entwickeln können.Nur so kommen sie in die unteren Schichten und binden die restlichen Nährstoffe weitestgehend, damit sie nicht ausgewaschen werden können. Ein Nebeneffekt wäre, dass sich mancher Betrieb den Bau von zusätzlichem Güllelagerraum sparen könnte.


Ebenfalls kontraproduktiv ist es, wenn keine Derogation mehr möglich ist. Die 170 kg N-Grenze ist letztlich für alle ein Problem. Sie führt letztlich dazu, dass man Gülle transportieren und Kunstdünger einkaufen muss.


Wie realistisch ist Ihre Forderung? Die Bundesregierung beteuert, dass man nur das umsetzt, was die EU vorgibt.


Dickow: Man muss sich aber dann auch vor Augen führen, was die EU eigentlich dazu sagt. Brüssel hat z.B. ein repräsentatives Messstellennetz gefordert. Das hat Deutschland nicht umgesetzt, weil das Bundesumweltministerium ein Belastungsmessstellennetz geliefert hat. Das ist keineswegs repräsentativ. Damit sind die Anforderungen der EU schon nicht erfüllt.


Weiter hat die EU das Ziel formuliert „es muss besser werden.“ Die Maßnahmen dazu legt Deutschland im Alleingang fest. Die EU kann dann sagen: Es passt uns oder es passt uns nicht. In der neuen DüV sind die Auswirkungen der DüV von 2017 nicht berücksichtigt. Zudem enthält die aktuelle Novellierung Vorschläge, die genau das Gegenteil des Gewünschten bewirken würden.


Die bayerische Staatsregierung will die 600 Nitratmessstellen evaluieren und deren Anzahl auf 1500 erhöhen. Die Verschärfung der DüV soll aber schon im April 2020 in Kraft treten. Ist die Überprüfung der Messstellen und die stärkere Binnendifferenzierung bis dahin überhaupt machbar?


Dickow: Das ist schwierig. Die Personalausstattung in den Wasserwirtschaftsämtern reicht dafür wahrscheinlich nicht. Die Umsetzung muss ein Moratorium erfahren, bis alle Unklarheiten bezüglich der Messstellen und Maßnahmen geklärt sind.


Wir haben z.B. auch Messstellen, die mehrere Grundwasserschichten miteinander verbinden. Solche Messstellen müssen raus aus dem Netz.


Mittlerweile sind die Nitrat-Messstellen im Umweltatlas Bayern eingezeichnet. Wir von LsV haben unsere Mitglieder angehalten, dass sie die Messstellen in ihrer Gegend suchen und überprüfen. Sie sollen schauen, wo die Messstellen liegen und ob die Brunnen beschädigt sind.


Von der Mobilisierungskraft der LsV wollen auch andere Verbände und Parteien profitieren, z.B. die AfD. Wie steht LsV zu solchen Bestrebungen?


Dickow: Wir haben bisher immer politischen Randgruppierungen wie die AfD und die Linke außen vor gelassen. Und das werden wir auch in Zukunft tun. Wir wollen keine radikalen Positionen verfolgen.


Wir sind jedem dankbar, der sich für die Belange der Landwirtschaft einsetzt. Allerdings nicht, wenn man versucht, unsere Aktionen zu seinen Wahlkampfveranstaltungen umzugestalten. Hier fällt vor allem die AfD sehr negativ auf. Auf der Demo in Nürnberg mussten wir sie des Geländes verweisen. Im Anschluss wurde uns gedroht, dass sie weiter zu unseren Veranstaltungen kommen, bis wir mit ihnen Gespräche führen. Das grenzt an Erpressung. Damit haben sie sich als Gesprächspartner endgültig disqualifiziert.


Wir werden die AfD bei unseren Aktionen auch künftig vom Gelände verweisen. Denn ihr Verhalten zeigt, dass ihnen an uns Landwirten gar nichts liegt und sie sich dort nur aus Eigennutz zeigen, um medial auf sich aufmerksam zu machen.


Auf der LsV-Demo in Nürnberg Mitte Januar waren einige Schlepper mit rechtsextremen Plakatmotiven zu sehen, was sofort durch die Presse ging.


Dickow: Dass sich die Presse auf diese Motive eingeschossen hat, ist bedauerlich. Wir möchten solche Plakate nicht auf unseren Veranstaltungen sehen und haben denjenigen, die sie mitgebracht haben, auch klar kommuniziert, dass so etwas auf unseren Veranstaltungen nichts verloren hat.


Wie ist das Verhältnis von LsV zum Bauernverband, BDM und zu den Bioverbänden?


Dickow: Mit dem Bauernverband gibt es einen konstruktiven Austausch. Der Bayerische Bauernverband und andere Landesverbände bewerben unsere Aktionen vor Ort. Sie „lassen“ Werbung über ihre Verteiler laufen und ermutigen ihre Mitglieder, mitzumachen. Auch der BDM hat angefangen, dies zu tun. Das ist eine gute Entwicklung und zeigt die Einigkeit vor Ort.


Wir haben bei unseren Aktionen übrigens auch einen sehr hohen Anteil an Biolandwirten. Es ist nicht so, dass sich Bio- und konventionelle Landwirtschaft bekriegen. Es wird nur gern öffentlich so dargestellt. Ich kenne viele Landwirte, die gut und gern mit Landwirten der anderen Bewirtschaftungsform zusammenarbeiten. Das sollten wir besser nach draußen kommunizieren.


Der Bund Naturschutz Bayern war verwundert, dass LsV sich nicht an der Demo „Wir haben es satt“ in Berlin beteiligt. Wie steht LsV zu dieser Demo und zu den NGOs allgemein?


Dickow: Wir würden gerne mit den NGOs in der Form zusammenarbeiten, dass wir Lösungen gemeinsam erarbeitet. Wenn sie gute Ideen haben, müssen wir uns austauschen, wie wir das machen können.


Bei der Demo „Wir haben es satt“ sind aber vor allem Organisationen beteiligt, die uns in letzter Zeit sehr geschadet haben und die Landwirtschaft immer wieder in ein sehr schlechtes Licht rücken. Deshalb muss sich der Bund Naturschutz nicht wundern, dass wir nicht zusammen auf die Straße gehen. Allerdings haben wir den „Wir haben es satt“-Initiatoren angeboten, sich unserer Demo anzuschließen. Denn wir sind ja für Artenvielfalt und Naturschutz.


Muss LsV ihre Rolle zwischen den vielen landwirtschaftlichen Verbänden erst noch finden?


Dickow: Wir haben diese Rolle bereits gefunden. Wir sind zum einen der Öffentlichkeitsarbeitstrupp aller Verbände, weil jeder Verband von unserer Arbeit profitiert. Und ich würde uns auch als Mediator zwischen den Verbänden sehen. Wir versuchen, die Landwirtschaft zu vereinen, um so bei der Politik mehr erreichen zu können.


Eine LsV-interne Baustelle ist die Aufspaltung in zwei Gruppierungen: LsV – Deutschland und LsV – das Original. Wie gravierend ist das Problem und wie wollen Sie es lösen?


Dickow: LsV – das Original, also die ursprüngliche Facebook-Gruppe, war immer schon in der Hand von nur einer Person. Trotz Aussprachen hat sich gezeigt, dass eine Zusammenarbeit nicht möglich ist.


Zum endgültigen Bruch kam es dann, als die Initiatorin eigene Internetseiten mit der Bezeichnung „landschafftverbindung.org“, „landschafftverbindung.com“ usw. gegründet und diese eigenständig beworben hat. Wir von „LsV – Deutschland“ machen im Sinne der Landwirtschaft weiter, friedlich und sachlich, so wie wir alle Aktionen bislang durchge-führt haben.


LsV hat bisher vor allem mit Schlepperdemos, Mahnfeuern und eckigen Tischen von sich Reden gemacht. Planen Sie neue Formate?


Dickow: Wir planen viel in der Verbraucheraufklärung zu machen. Wir haben zum Beispiel schon Frühstückskorbaktionen durchgeführt. Da besuchen wir Politiker mit regionalen Produkten und setzen uns zu einem Frühstück zusammen und debattieren. Das wird gut angenommen.


In Mecklenburg gibt es die Aktion „Bauer sucht Kunde“. Dort haben die Bauern bei Supermärkten angefragt, ob sie Infostände aufstellen dürfen und den Kunden Milch oder Äpfel geschenkt. Das ist etwas, was wir in Zukunft mehr machen sollten.


Zudem sind weitere Podiumsdiskussionen geplant, die noch öfter stattfinden sollten, damit verschiedene Leute mit unterschiedlichen Positionen zu Wort kommen.


Wenn Sie Ende des Jahres zurückschauen, welche Ziele hätten Sie dann auf jeden Fall gerne erreicht?


Dickow: Wir hätten gerne eine vernünftige Überarbeitung des Düngeverordnungsvorschlages durchgesetzt, sodass man damit gut arbeiten kann und die Betriebe nicht gefährdet sind. Auch bei Artenschutz, Insektenschutz und Biodiversität muss das Ganze gut eingebunden sein. Wir haben im Rahmen des FRANZ-Projektes Auswertungen, dass bestimmte Maßnahmen einen Erfolg bringen können. Und ich würde mich freuen, wenn auch sonst mehr auf Kooperation zwischen Politik, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und allen relevanten Akteuren gesetzt würde als auf Ordnungsrecht.


klaus.dorsch@topagrar.com


claus.mayer@topagrar.com

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