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Besamung: Von 56 Portionen Sperma nur vier Trächtigkeiten

Anton Schmaußer aus der Oberpfalz wollte mit neuer Genetik ganz vorne mit dabei sein. Doch das Sperma des genomischen Jungbullen enttäuschte auf ganzer Linie.

Lesezeit: 5 Minuten

Vom einem hochgelobten genomischen Jungvererber, für den ihre Besamungsstation einen Rekordpreis ausgegeben hatte, wollten die Züchter Anton und Alois Schmaußer aus Beratzhausen (Lkr. Regensburg) auch ihren Anteil haben. Zumal ein Vorfahre des Bullen aus dem Betrieb, der heute 185 Kühe mit durchschnittlich 9.600 kg Milch melkt, stammt. „Der Gesamtzuchtwert von über 140 hat mich damals überzeugt!“, sagt Alois Schmaußer. Noch bevor Sperma lieferfähig war, bestellten sie.

Ab Dezember 2018 setzten die langjährigen Eigenbestandsbesamer über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten insgesamt 56 Portionen aus vier Spermachargen des Bullens bei Rindern sowie Jung- und Altkühen ein. Das Ergebnis war ernüchternd: „Tatsächlich erzielten wir damit nur vier Trächtigkeiten“, ist Anton Schmaußer frustriert.

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Negativer Laborbefund

Krankheiten im Stall, Fehler im Management oder beim Umgang mit dem Container schließen die Betriebsleiter als Ursache aus. Auch ein neues Auftaugerät und eine Beratung durch einen Stationstierarzt brachte keine Erkenntnisse. „Das Brunstgeschehen in der Herde war normal und bei den Besamungen mit anderen Bullen lag der Besamungsindex (BI) wie immer bei 1,8“, sagt Anton Schmaußer.

Die mittlere Zwischenkalbezeit der Herde gibt der Junglandwirt mit 400 Tagen an. Sein Verdacht: „Entweder wurde die Portion infolge der hohen Nachfrage nach dem Bullen zu stark verdünnt oder er befruchtet wirklich unterdurchschnittlich.“ Um Gewissheit und gegenüber seiner Besamungsstation einen Nachweis zu haben, schickte der Landwirt zwei Portionen der betreffenden Charge zur spermatologischen Untersuchung an die Tierärztliche Hochschule (TiHo) nach Hannover.

Der Befund des akkreditierten Labors bestätigte Schmaußers Vermutung: „Die Mindestanforderungen an die Vorwärtsbeweglichkeit der Spermien gemäß ADR-Empfehlung sind in beiden Pailletten nicht erfüllt.“ Gemessen wurden 25 bzw. 40 % vorwärtsbewegliche Spermien. Die ADR fordert dagegen mindestens 50 %. Die Morphologie der Spermien war dagegen unauffällig.

Mit dem Befund konfrontiert, schickte im Gegenzug auch die Besamungsstation eine Portion, die ihr Schmaußer selbst hinterließ, ans Institut für Fortpflanzung der Nutztiere IFN nach Schönow. Das Ergebnis hier: „Mit 70 % vorwärtsbeweglichen Spermien und 83 % morphologisch normalen Spermien ist die Portion tauglich.“

Widerspruch nicht erklärbar

Weder der Stationsleiter, der anonym bleiben möchte, noch das IFN können sich diese widersprüchlichen Laborbefunde erklären. Dr. Markus Jung, IFN-Geschäftsführer, verweist auf die Routine und die hohen Qualitätsstandards seines Labors. Er hält Fehler beim Versand der Proben ins Labor für wahrscheinlich. Zudem sei in der Regel ein größerer Probenumfang für ein aussagekräftiges Ergebnis nötig. Die TiHo Hannover will sich mit Verweis auf den Datenschutz gar nicht dazu äußern.

„Bei aller interner und externer Qualitätssicherung, die wir gerade bei Jungbullen intensiv betreiben, kann man nicht ausschließen, dass bei einer Charge einmal etwas nicht optimal läuft“, so der Stationsleiter und ausgebildete Tierarzt. Selbst Ergebnisse von objektiven Messmethoden seien bei unterschiedlichen Gerätefabrikaten nicht immer vergleichbar. Und kein Laborergebnis könne die Befruchtungsfähigkeit eines Bullen treffsicher vorhersagen.

Dass man die Portionen zu stark verdünnt habe, streitet er ab: „Unter 18 bis 20 Millionen Spermien pro Paillette verkaufen wir keine. Nur Stationen mit moderneren Labormethoden können eine höhere Verdünnung des Ejakulates ohne Befruchtungsverlust erreichen.“ Seinen Schaden beziffert der Familienbetrieb auf insgesamt 3.680 €. Dabei berücksichtigte Schmaußer neben den Kosten für die längere Zwischenkalbezeit, die zusätzlichen Besamungs- und Portionskosten für 27 Trächtigkeiten, die in der Regel aus einem BI von 1,8 resultieren würden. „Dieser Schaden ist mit 75 Portionen auf Kulanz, die man mir anbot, bei Weitem nicht gedeckt“, ärgert sich Anton Schmaußer.

Guter Befruchter

Seine Station zeigt zwar Verständnis für den Milchviehhalter, hält seine Forderung mit Verweis auf die durchschnittlichen Non-Return-Raten (NRR) des Bullen in anderen Betrieben aber für überzogen: Die mittlere NRR bis zum 56. Tag (NRR56) habe über alle versamten Portionen der betreffenden Spermachargen zwischen 57,7 und 61,9 % gelegen. „Damit ist der Bulle ein durchschnittlich guter Befruchter“, stellt der Stationsleiter fest.

Bei Schmaußer betrug die NRR56 dagegen nur zwischen 0 und 11 %. Einen offiziellen Wert für die Befruchtungsfähigkeit hat der Vererber noch nicht, bei seinem Vater beträgt er aktuell jedoch nur -3!

Gibt es ähnliche Fälle?

Seit Herbst 2018 wurden nach Angaben der Station über 21.600 Portionen des Bullen im In- und Ausland verkauft. Ein ähnlicher Fall mit solchem Ausmaß wie bei Schmaußer ist bisher nicht bekannt geworden. Die von Südplus befragten Milchviehhalter haben im Gegensatz zu ihm allerdings auch nur wenig Portionen von dem Bullen versamt. Das Ergebnis waren durchschnittliche Trächtigkeitsraten.

Seinen Schaden früher reklamieren und damit begrenzen können, sei nicht möglich gewesen, sagt Schmaußer: „Weil das Sperma immer nur in kleinen Mengen erhältlich war, bekamen wir erst allmählich ein deutliches Bild.“ Der Züchter ist enttäuscht: „Wir waren langjährig ein sehr guter Kunde der Station und haben im Monat für fast 2.000 € Sperma gekauft. Doch dem Stationsleiter waren wir jetzt nicht einmal ein klärendes Gespräch vor Ort wert.“ Mittlerweile ist er zu seiner alten Besamungsstation zurückgekehrt.

Lohnt der Klageweg?

Die Chancen Anton Schmaußers, seinen Schaden vor Gericht einzuklagen, sieht Josef Deuringer, Fachanwalt für Agrarrecht von der Kanzlei Meidert und Kollegen in Augsburg, trotz des negativen Laborbefundes als gering an. „Der Landwirt muss die Mangelhaftigkeit des Spermas zweifelsfrei nachweisen und das ist schwierig, weil zu viele Ursachen, wie etwa Fehler beim Transport, ein Vertauschen der Portionen oder Krankheiten am Tier, infrage kommen. Der vorliegende Laborbefund reicht vor Gericht zum Nachweis nicht aus. Denn die Gegenseite kann die Richtigkeit bestreiten. Die Beweislast hat der Landwirt.“

Juristisch Bestand hätte allenfalls ein sogenanntes förmliches Beweissicherungsverfahren. Dabei müsste sich ein vom Gericht bestellter Sachverständiger eigenständig eine Spermaportion des betreffenden Sprungdatums besorgen und untersuchen lassen. „Aber das ist ein großer Aufwand und selbst bei einem Nachweis der mangelhaften Qualität ist die Bezifferung des Schadens unklar. Möglicherweise bleibt man auf den Kosten des Sachverständigen sitzen“, so Anwalt Deuringer.

Dieser Beitrag stammt aus der Südplus 10/2019. Jetzt testen.

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