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topplus Südplus-Interview

Umweltminister Glauber zu Düngeverordnung: "Die Messwerte allein reichen nicht"

Bei der Düngeverordnung, beim Bau von Güllegruben und den Kälbertransporten hoffen die Landwirte auf praktikable Lösungen. Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber bezieht Stellung.

Lesezeit: 11 Minuten

Herr Minister, die angekündigte Verschärfung der Düngeverordnung (DüV) bedrückt die Bauern und treibt sie auf die Straße. Halten Sie ein Moratorium noch für möglich?

Thorsten Glauber: Ehrlich gesagt, nein. Wir haben seit der Wahl des EU-Parlaments einen neuen Umweltkommissar. Dieser Kommissar sieht sich die Akten über Deutschland an. Er sieht, dass es seit langem Forderungen der EU an Deutschland gibt. Und er sieht, dass nach Auffassung der Kommission und des Europäischen Gerichtshofs nicht ausreichend gehandelt wurde. Dann macht er den Deckel zu und sagt: Wieso soll ich euch ein Moratorium geben?

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Andere Länder in Europa haben vorgemacht, wie man das Thema abräumen kann. In Deutschland hingegen hat man immer versucht, dem Thema auszuweichen. Und Deutschland hat vor Gericht verloren, sodass jetzt Strafzahlungen drohen.

Der Bund hat deshalb inzwischen eine aktuelle Fassung für eine DüV nach Brüssel geschickt und will diese nun auch im Bundesrat zur Abstimmung bringen.

Die Verschärfung der DüV enthält aber Auflagen, die eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung in roten Gebieten kaum noch ermöglichen.

Glauber: Ich höre die Kritik der Landwirte. Gerade wegen dieser wesentlich verschärften Anforderungen in den belasteten Gebieten sollte die Abgrenzung der Gebietskulisse möglichst präzise und verursachergerecht erfolgen.

Und das ist meines Erachtens nur möglich, wenn wir die Emissionsdaten der Landwirtschaft zur Düngeintensität und zum Stickstoffüberhang berücksichtigen. Allein die Aussagekraft der Grundwasser-Messwerte ist wegen der Messnetzdichte, der Verweilzeiten des Sickerwassers im Boden und der Verfrachtungen der Belastungen im Grundwasser nicht ausreichend.

Wie ließe sich das konkret umsetzen?

Glauber: Wir müssen die Möglichkeit schaffen, uns bei der Abgrenzung der Gebietskulisse auch auf die Emissionsdaten der Landwirtschaft und auf Modellierungen zum Nitrateintrag zu stützen, sodass eine genaue Binnendifferenzierung möglich wird.

Zudem hat das Umweltministerium in Bayern auf eine verpflichtende Regelung zur Ermittlung eines Stickstoffsaldos auf Feldstücks- oder Betriebsebene als Ersatz zum bisherigen Nährstoffvergleich gedrungen, um die Grundwasserverträglichkeit der Anbau- und Düngepraxis zu bewerten. Das würde uns auch bei der Herleitung der Gebietskulisse helfen.

Doch die Bundesregierung hat die Stickstoffsaldierung im Verordnungsentwurf, der uns bislang bekannt ist, gestrichen.

Sie haben angekündigt, die 594 Messstellen nach Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Bayern zu überprüfen und auf 1 500 zu erhöhen. Bis wann soll das abgeschlossen sein und welche Konsequenzen hat das für die Ausweisung der roten Gebiete?

Glauber: Wie sich das auf den Zuschnitt der roten Gebiete auswirkt, kann man heute noch nicht sagen. Wir haben heute in Bayern je WRRL-Messstelle eine Fläche von 110 bis 115 km2. Das sind sehr große Gebiete. Wenn wir deren Zahl nun auf 1 500 anheben, verringern wir die Fläche je Messstelle auf rund 50 km2. Wir sind dann kleinteiliger und können eventuell genauer „binnendifferenzieren“.

Allerdings wird uns das nur bedingt helfen. Wir können nur die Qualität von Wasser messen. Wir können aber nicht die Bewirtschaftungsform über die Messstellen beurteilen. Es ist ein Irrglaube, zu sagen, die Messstelle gibt die Bewirtschaftungsform vor. Wasser braucht vielleicht ein Jahr, fünf Jahre oder zehn Jahre, bis es an der Messstelle ankommt. Das Thünen-Institut des Bundes hat aufgezeigt, wie man mit Stickstoffsalden und Nährstoffeinträgen umgehen muss, damit sie gewässerverträglich sind. Um so befremdlicher ist es, dass der Bund das, was seine Wissenschaftler erarbeitet haben, nicht berücksichtigt.

"Einzelbetriebliche Saldierung wäre besser"

Das heißt, wenn jetzt die Vorgabe für die roten Gebiete kommt, 20 % unter Bedarf zu düngen…

Glauber: …dann treffe ich alle in diesen Gebieten. Auch den, der jetzt schon perfekt düngt und mit der Überdüngung überhaupt nichts zu tun hat. Das will ich aber gar nicht. Mit der einzelbetrieblichen Saldierung könnte man das besser in den Griff bekommen. Und sie wäre gerecht.

Niedersachsen hat bereits eine Binnendifferenzierung vorgenommen, ohne weitere WRRL-Messstellen auszuweisen. Bayern auch?

Glauber: Ja. Es gibt rote, grüne und weiße Gebiete. Letztere sind die binnendifferenzierten Gebiete. Das sind Gebiete um Messstellen mit Werten unter 37,5 und 50 mg NO3/Liter, sofern sie nicht nitratempfindlich sind. Damit haben wir die roten Gebiete um 10 % verkleinert. Die roten Gebiete machen 21 % der Landesfläche aus.

Kann die Ausweitung der Messstellen dazu führen, dass bislang weiße oder grüne Gebiete rote Gebiete werden?

Glauber: Der Ausbau der Messstellen kann tatsächlich unterschiedliche Folgen haben.

Aber noch einmal: Aus fachlicher Sicht sollte der Messwert am Ende nie die alleinige Grundlage dafür sein, wie bewirtschaftet werden soll. Die Aussage der Bundeslandwirtschaftsministerin, über Messstellen die Bewirtschaftungsform festzulegen, ist nicht überzeugend.

"Immer kürzere Zeiträume für die Düngerausbringung sind schlecht"

Die Vorschrift, in roten Gebieten 20 % unter Bedarf zu düngen, wird die betroffenen Landwirte viel Geld kosten. Sehen Sie hier noch Spielraum und ist ein finanzieller Ausgleich möglich?

Glauber:Man muss jetzt sehen, was im gemeldeten Entwurf steht. Und dann muss man sehen, wo der Bund die angekündigte Milliarde für die Landwirtschaft einsetzen möchte.

Für mich ist übrigens nicht nachvollziehbar, wenn wir das Zeitfenster des Düngens noch kleiner machen. Aus fachlicher Sicht ist ein immer kürzerer Zeitraum, um die gleiche Menge an Dünger auszubringen, schlecht. Da verstehe ich jeden Landwirt, der sagt, das ist fernab jeder guten Praxis.

Die Landwirte kritisieren das Verbot der Herbstdüngung in roten Gebieten, weil man Zwischenfrüchte nicht mehr andüngen kann. Lässt sich dieses Verbot noch verhindern?

Glauber: Ich bin für eine gewisse Herbstdüngung vor Zwischen- und Herbstfrüchten. Ob sich dieses Verbot noch verhindern lässt, muss man sehen. Bayern kämpft hier für eine flexiblere Regelung.

Landwirte stehen kooperativem Wasserschutz aufgeschlossen gegenüber, weil hier das Verursacherprinzip greift und es Ausgleichszahlungen gibt. Könnte man mit diesem Modell auch größere Gebiete abdecken?

Glauber: Kooperationen, die die Wasserversorger direkt mit den Landwirten ausgehandelt haben, haben bisher gut funktioniert. Deshalb möchte ich daran auch nicht rütteln. Für die restlichen Flächen eines roten Gebietes, die nicht von den Wasserversorgern abgedeckt werden, muss man andere Modelle finden. Aber dafür muss man Möglichkeiten – wie etwa die von uns vorgeschlagene Stickstoffsaldierung – vorsehen, damit man diese Chance überhaupt nutzen kann.

Wenn Brüssel aber sagt, das ist ein rotes Gebiet, und ihr dürft hier nur noch 20 % unter Bedarf düngen, dann sind uns die Hände gebunden.

"Aus meiner Sicht ist nur die Boden-Wand-Fuge zu überwachen"

Wegen der DüV müssten viele Landwirte jetzt eigentlich Güllelagerraum schaffen. Bisher sind vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) nur zwei Leckageerkennungssysteme (LES) zugelassen. Und die halten die Fachfirmen für nicht geeignet. Andere Behälter werden von den Behörden nur schleppend oder gar nicht genehmigt, auch wenn die LES nur CE-geprüfte Produkte enthalten und der neuen DIN SPEC 91425 entsprechen?

Glauber: Trotz meiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber der CE-Kennzeichnung muss diese auch für Güllegruben gelten. Für Leckageerkennungssysteme insgesamt gibt es aber keine europäische Normung und daher auch keine CE-Zeichen. Die Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) fordert, dass ein bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis vorliegt. Hier sehen wir bisher keine praktikablen und zumutbaren Lösungen, die offiziell vom DIBt zugelassen wären.

Als ich Minister wurde, habe ich das Landesamt für Umwelt gebeten, dass wir Alternativen anbieten. Solche Lösungen hat das Landesamt sogar erarbeitet. Und wir haben versucht, die Landratsämter dafür zu gewinnen, im Sinne der Ausnahme abweichende Lösungen zuzulassen, sofern sie eine gleichwertige Sicherheit der Erkennung von Leckagen bieten. Aus meiner Sicht ist nur die Schwachstelle Boden-Wand-Fuge zu überwachen.

Und warum funktioniert es trotzdem nicht? Die Landratsämter berufen sich doch auf das Umweltministerium.

Glauber: Viele Landratsämter handeln in unserem Sinne. Die berufen sich ausschließlich auf das DIBt und auf die AwSV. Diese Vorgaben haben ja nicht wir gemacht.

Können Sie als bayerischer Umweltminister nicht sagen, das können wir fachlich vertreten?

Glauber: Machen wir ja. Wir haben den Landratsämtern Alternativmodelle an die Hand gegeben.

Das Problem liegt aber viel weiter zurück. 2017 ging die AwSV in die heiße Phase, und alle, auch die Behälterbauer, wussten, was geplant war. In einem Normungsausschuss sollten eigentlich die, die das Tagesgeschäft machen, verdeutlichen, dass sie am Ende keinen Behälter mehr bauen können.

Wie lässt sich das Problem lösen?

Glauber: Das Thema lässt sich nur dadurch lösen, dass wir anmahnen, dass man gleichwertige Lösungen anwendet, und seitens des DIBt auch hierfür Zulassungen erteilt werden. Letztlich müssen wir im Bund zur AwSV aktiv werden, um das Thema wieder praktikabel auf die Beine zu stellen.

Ein weiteres Streitthema sind die Kälbertransporte. Auf vielen Höfen stauen sich leichtere Nutzkälber, die bisher vor allem nach Spanien vermarktet wurden. Denn die Veterinärbehörden sprechen seit einiger Zeit keine Genehmigungen für diese Transporte mehr aus. Das ist auch dann der Fall, wenn die Fahrzeuge die Zulassung für Langstreckentransporte nach der entsprechenden EU-Verordnung haben. Auf welcher Rechtsgrundlage verbieten die Behörden die Transporte?

Glauber: Die EU-Transportverordnung gilt seit 2005. Diese Regelung sieht für lange Transporte nicht abgesetzter Kälber ohne Tränkung 8/48/8 vor, sprich 8 Stunden Transport, 48 Stunden Abladen, 8 Stunden Transport. Mit Tränkung 9/1/9/24, also 9 Stunden Transport, 1 Stunde Versorgen, 9 Stunden Transport, 24 Stunden Abladen.

Jetzt frage ich mich: Wenn die Regelung seit 2005 gilt, wieso sind dann noch nicht alle Fragen abschließend beantwortet? Wie werden die Tiere während eines 19 Stunden dauernden Transports ausreichend versorgt? Hier gibt es immer noch Lücken.

Nach unseren Informationen bekommen die Transporteure die Zulassung deshalb nicht, weil die Transportfahrzeuge nicht den Anforderungen der Transportverordnung genügen. Doch bisher ist noch nicht einmal klar, welchen Anforderungen so ein Transportfahrzeug genügen muss.

Glauber: Seit eineinhalb Jahren haben wir uns mehrfach an das Bundeslandwirtschaftsministerium gewandt, dass wir gerne den Standard genannt bekommen würden, wie ein Fahrzeug zuzulassen ist. Es ist Aufgabe des Bundes, für eine einheitliche Regel für die Länder zu sorgen, wie die Transporte vollzogen werden sollen. Jetzt hat das damit beauftragte Friedrich-Loeffler-Institut mitgeteilt, wie so ein Fahrzeug aussehen soll.

Wir haben in Bayern vor einigen Wochen ein entsprechendes Fahrzeug zugelassen. Das ist eine Art Prototyp, in dem man die Kälber während der Pause tränken kann.

Wird dieses Fahrzeug Maßstab für andere Transportfahrzeuge sein?

Glauber: Das ist durchaus denkbar.

Unsere Landwirte wundern sich, dass die Österreicher nach dem Verbot in Deutschland ihre Kälberexporte um 50 % gesteigert und unsere Märkte besetzt haben. Dabei fahren sie mit Fahrzeugen durch Bayern, die bayerische Exporteure nicht mehr nutzen können. Basis ist eine EU-Verordnung und trotzdem gilt in Deutschland eine schärfere Regelung.

Glauber: Sie ist nicht schärfer. Sie ist so, dass wir das Tierwohl beachten…

… und die Österreicher nicht?

Glauber: Das habe ich nicht gesagt. Ich entgegne unseren Landwirten immer mit der Frage: Sind euch eure Tiere nicht wertvoll? Und ich erfahre, dass sie den Landwirten wertvoll sind. Und wenn sie wertvoll sind, dann sollte man sie unter einem Standard transportieren, der tierwohlgerecht ist. Das ist unser Anspruch, und das muss der Anspruch eines jeden Landwirts sein. Deshalb muss man einen einheitlichen Rahmen dafür schaffen.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, wonach auch lange Transporte nicht entwöhnter Kälber von den Veterinärbehörden zuzulassen sind?

Glauber: Es handelt sich um einen Beschluss im Eilrechtsschutz, der nur eine Einzelfallentscheidung ist. Behörden sind an Recht und Gesetz gebunden. Die bayerischen Behörden werden sich auch in ihrer künftigen Genehmigungspraxis am geltenden Recht orientieren.

Verstehen Sie die Landwirte nicht, wenn Sie eine Gleichbehandlung fordern? Die Landwirte sind für Tierschutz. Aber wenn es eine EU-Verordnung ist, dann muss sie für alle Länder gleichermaßen gelten.

Glauber: Ich werbe aber auch um Verständnis dafür, dass wir die EU-Transportverordnung so umsetzen, wie sie uns vorliegt. Ich glaube, dass es gerade in die Zukunft gerichtet wichtig und richtig ist, die Standards zu schaffen, die uns diese Verordnung vorgibt. Letztlich geht es natürlich darum, dass Tiertransporte tierschutzgerecht sein müssen. Das ist der Weg, den wir gehen müssen.

Das Interview stamm aus der aktuellen Ausgabe von Südplus, die dieses Wochenende erscheint.

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