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JGS-Anlagen: Warum die Genehmigung weiter hakt

Viele Landratsämter fordern für Gülle- und Sickersaftbehälter weiterhin Leckageerkennungssysteme mit Sondergenehmigung. Dabei gäbe es bessere Alternativen, sagen die Behälterbauer.

Lesezeit: 6 Minuten

Herr Roßberger, Sie betreuen bei der Firma Wolf seit elf Jahren den Bau von Güllebehältern. Wie erleben Sie aktuell die Genehmigungspraxis?

Christoph Roßberger: Nach unserer Beobachtung weisen immer noch etwa 97 % der zuständigen Kreisverwaltungsbehörden in Bayern und Baden-Württemberg Bauanträge für

Güllebehälter, die kein Leckageerkennungssystem (LES) mit Sondergenehmigung durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) haben, zurück. Dabei sind beide vom DIBt zugelassenen Systeme nach unserer Einschätzung weder praktikabel noch zumutbar.

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Welche Folgen hat das?

Roßberger: Die Antragsteller ziehen ihre Genehmigungen wieder zurück oder legen sie auf Eis. Dies führt dazu, dass der Bau von Güllegruben in diesen Landkreisen praktisch stillsteht.

Einige Landratsämter genehmigen, wie vom bayerischen Umweltministerium empfohlen, als „Ausnahme im Einzelfall“ praktikablere und kostengünstigere LES. Warum machen das nicht alle Genehmigungsbehörden?

Roßberger: Viele der zuständigen Sachbearbeiter sind verunsichert. Sie glauben, dass Sie rechtlich nur dann auf der sicheren Seite sind, wenn ein bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis durch das DIBt vorliegt.

Doch tatsächlich sieht die Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) und das Baurecht noch weitere Möglichkeiten vor, um die Auflagen für LES von JGS-Anlagen, also Behälter für Jauche, Gülle und Sickersaft, zu erfüllen.

Welche Alternativen wären das?

Roßberger: Neben den beiden bereits genannten Varianten, der allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfung bzw. Zulassung durch das DIBt und der Zustimmung im Einzelfall gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten:

  • die Zulassung durch die Europäische Organisation für Technische Bewertung;

  • die Zulassung, wenn Produkte mit CE-Kennzeichnung nach einer geregelten Bauart zusammengebaut werden. In Bayern ist diese Möglichkeit bauordnungsrechtlich über § 15 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) und wasserrechtlich über § 1 der Bauprodukte- und Bauartenverordnung geregelt.

Lässt sich Variante 4 auf LES in JGS-Anlagen übertragen?

Roßberger: Ja. Ein LES in JGS-Anlagen wird aus verschiedenen Bauprodukten zusammengebaut. Weil es dafür eine allgemein anerkannte Regel der Technik, nämlich die Technische Regel wassergefährdende Stoffe (TRwS 792), gibt, handelt es sich um eine Bauart.

Welche Konsequenz hat das?

Roßberger: Wenn ich eine technische Norm habe, die die Bauart regelt und diese Bauart dann mit bauordnungs- und wasserrechtlich geeigneten Bauprodukten erstellt wird, ist der erforderliche Nachweis für das LES erbracht. Die Rechtslage ist übrigens in den anderen Bundesländern identisch, weil deren Landesbauordnungen bzw. Wasser-Bauprodukte-Verordnungen gleichlautende Punkte beinhalten.

Warum haben Behälterbauer dann mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, dem bayerischen Umweltministerium und der BBV Landsiedlung die DIN SPEC 91425 – „Anforderungen an Leckageerkennungssysteme für allgemein wassergefährdende Stoff im Bereich der Landwirtschaft“ entwickelt?

Roßberger: Die DIN SPEC 91425 ist ein Regelwerk, das die am Bau Beteiligten bei der fachgerechten Erstellung eines LES unterstützt.

In Fachkreisen wird unterstellt, die DIN Spec 91425 regele eine Bauart.

Roßberger: Das ist Unsinn und übrigens auch gar nicht notwendig, weil die Bauart von LES in JGS-Anlagen bereits durch die TRwS 792 geregelt ist.

Die DIN SPEC gibt lediglich Hinweise, welche Leistungsklassen die CE-gekennzeichneten Bauprodukte haben müssen. Also welche Bauprodukte die Grundanforderungen des LES in Bezug auf die mechanische Festigkeit und Standsicherheit sowie an Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz erfüllen. Zudem gibt die Anleitung Hinweise, welche weiteren Anforderungen an die Bauprodukte sinnvoll sind.

Gibt es auch ungeeignete Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung?

Roßberger: Leider ja, denn durch den freien Warenverkehr der EU sind auch „ungeeignete“ Bauprodukte am Markt verfügbar. Ungeeignet in dem Sinn, dass ein Bauprodukt nicht die notwendigen Anforderungen erfüllt.

Haben Sie dazu ein Beispiel?

Roßberger: Nehmen Sie einen Autoreifen mit dem „Geschwindigkeitsindex L (= 110 km/h). Dieser ist für einen kleinen Kfz-Anhänger problemlos geeignet, aber nicht für einen Sportwagen. Der „Geschwindigkeitsindex L“ stellt hier die „Leistungsklasse“ des Reifens dar. Niemand käme auf die Idee, auf einen Sportwagen diesen Reifen zu montieren. Bei Bauprodukten ist der Sachverhalt ähnlich.

Wenn die Rechtslage so ist, wie Sie sie beschreiben – warum beharren viele Kreisverwaltungsbehörden weiterhin auf ein LES mit DIBt Zulassung?

Roßberger: Aus Unwissenheit der Rechts- und Sachlage. In Einzelfällen auch aufgrund der Empfehlung von vorgesetzten Stellen. Diese Vorgaben sind für die unteren Behörden zwar nicht unbedingt bindend, erfahrungsgemäß werden solche Vorgaben aber kaum hinterfragt.

Welche Vorgaben meinen Sie?

Roßberger: Zum Beispiel die Empfehlungen des DIBt, das die Genehmigungsbehörden in der Regel fachlich berät. Da das DIBt nur Sonderlösungen bearbeitet, empfiehlt das DIBt auch nur Sonderlösungen. Für andere Lösungen hat das DIBt keine Beratungspflicht.

Haben Sie einen Beleg dafür?

Roßberger: Das DIBt hat im Dezember 2019 einen JGS-Leitfaden „Leckageerkennungssysteme in JGS- und Biogasanlagen“ herausgegeben. Wir haben das DIBt darauf hingewiesen, dass dieser den Eindruck erweckt, dass nur ein Lösungsweg, nämlich der der Sonderlösungen, die durch das DIBt geprüft sind, existiert und um Korrektur gebeten. Der Leitfaden wurde im Januar überarbeitet und stellt nun aus Sicht des DIBt nun alle vier Lösungswege erkennbar dar. Aus unserer Sicht ist das jedoch immer noch nicht der Fall.

Heißt das, dass viele Behörden bei den LES in JGS-Anlagen bisher nur Sonderlösungen genehmigen?

Roßberger: Ja, das ist so. Jede Variante, welche eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des DIBt benötigt, ist eine Sonderlösung. Denn üblich ist im Bauwesen die Ausführung nach einer technischen Norm unter Verwendung geeigneter Bauprodukte, also Variante 4. Und für diese sogenannte Regelausführung ist die Zulassung durch das DIBt nicht erforderlich.

Sind diese Sonderlösungen, die vom DIBt zugelassen sind, sicherer?

Roßberger: Nein. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung ist ein Positivbescheid. Dabei wird in den Unterlagen die notwendige Einbausituation bis ins letzte Detail aufgelistet. Wird davon auch nur im Detail abgewichen, erlischt die Zulassung. Der Verwender hat dann ein ungeprüftes und damit unzulässiges System.

Dass ein LES mit Sonderprüfung nicht besser ist als ein System, das nach der DIN SPEC erstellt wird, zeigt folgendes Detail: Ein LES mit DIBt-

Zulassung muss nur 90 Tage gegen JGS-Medien beständig sein. Dieser Zeitraum wird in der Zulassung konkret angeführt. Bei Kontakt mit JGS-Stoffen darf das Bauwerk ab dem 91. Tag nicht mehr genutzt werden.

Ein LES nach DIN SPEC musshingegen mindestens 25 Jahre gegen Jauche, Gülle und Sickersaft beständig sein.

Wie könnte man die Behörden dazu bringen, dass sie LES, die nach der TRwS 792 und mit CE-Bauprodukten nach der DIN SPEC erstellt werden, ohne Sonderprüfung genehmigen?

Roßberger: Vermutlich nur durch ein Gerichtsurteil. Ein Landwirt, der einen Antrag auf Baugenehmigung für einen Güllebehälter stellt, müsste gleichzeitig die Aufnahme eines LES gemäß DIN SPEC 91425 in die Baugenehmigung beantragen. Ein entsprechendes Formular haben wir vorbereitet. Lehnt die Behörde das ab, könnte der Antragsteller dann dagegen klagen.

Allerdings hat sich bisher kein Landwirt getraut, das zu tun, obwohl wir von der Firma Wolf eine Haftungsfreistellung für den Kläger übernehmen, sprich das komplette Kostenrisiko des Verfahrens tragen würden. Das Problem ist, dass die Landwirte im Falle einer Klage gegen eine Behörde Repressalien seitens dieser Stelle befürchten.

Das Interview stammt aus der Mai-Ausgabe von Südplus.

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